Schmierstiefeln und Hemdsärmeln, Heu und Hecksel in den Haaren, und fährt in der Eile in seinem alten Flauschrock mit der Faust zum Ellbogen heraus, ein Kernwirth, sonst ein guter Kerl. Wir gingen nun mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kräften. -- Ihr erzählt alles so konfus, sagte der Bursch wie¬ der, Ihr fragtet zuerst, was in der Stadt der Spieß Lerchen koste, die draußen so hübsch sängen? -- Kann seyn! -- Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und, einmal als Philosoph gesprochen, sagtet Ihr dann, was braucht ein fühlendes Herz mehr: ein ländliches Schloß mit wacklichten Mansarden, ein sanfter, unter dreijährigen Dünger gesetzter Hügel daneben, ein schlängelnder Bach aus dem Kuhstall nach der lachen¬ den Wiese -- Halt das Maul, fuhr ihn Dryander an. Ich stand in der Hausthür, mit tiefer Wehmuth überblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das stille Gärtchen und Trudchens Gestalt -- dann wandt' ich mich -- Hier konnte der Bursche das Lachen nicht halten. -- Was hast du? fragten die Andern. -- Mit Erlaubniß, sagte er, und als der Herr so von dem schlängelnden Bach sprach, erwischte ihn der Herr Lieutenant am Flügel und schmiß ihn zum Hause her¬ aus, daß er mir bald in den Korb gefallen wäre. -- Nun, wenn Ihr's besser wißt, so ist mir's auch recht, entgegnete der Doctor, ergriff eine Flasche und wollte fort, kehrte aber wieder um, nahm noch eine zweite
Schmierſtiefeln und Hemdsaͤrmeln, Heu und Heckſel in den Haaren, und faͤhrt in der Eile in ſeinem alten Flauſchrock mit der Fauſt zum Ellbogen heraus, ein Kernwirth, ſonſt ein guter Kerl. Wir gingen nun mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kraͤften. — Ihr erzaͤhlt alles ſo konfus, ſagte der Burſch wie¬ der, Ihr fragtet zuerſt, was in der Stadt der Spieß Lerchen koſte, die draußen ſo huͤbſch ſaͤngen? — Kann ſeyn! — Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und, einmal als Philoſoph geſprochen, ſagtet Ihr dann, was braucht ein fuͤhlendes Herz mehr: ein laͤndliches Schloß mit wacklichten Manſarden, ein ſanfter, unter dreijaͤhrigen Duͤnger geſetzter Huͤgel daneben, ein ſchlaͤngelnder Bach aus dem Kuhſtall nach der lachen¬ den Wieſe — Halt das Maul, fuhr ihn Dryander an. Ich ſtand in der Hausthuͤr, mit tiefer Wehmuth uͤberblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das ſtille Gaͤrtchen und Trudchens Geſtalt — dann wandt' ich mich — Hier konnte der Burſche das Lachen nicht halten. — Was haſt du? fragten die Andern. — Mit Erlaubniß, ſagte er, und als der Herr ſo von dem ſchlaͤngelnden Bach ſprach, erwiſchte ihn der Herr Lieutenant am Fluͤgel und ſchmiß ihn zum Hauſe her¬ aus, daß er mir bald in den Korb gefallen waͤre. — Nun, wenn Ihr's beſſer wißt, ſo iſt mir's auch recht, entgegnete der Doctor, ergriff eine Flaſche und wollte fort, kehrte aber wieder um, nahm noch eine zweite
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Schmierſtiefeln und Hemdsaͤrmeln, Heu und Heckſel
in den Haaren, und faͤhrt in der Eile in ſeinem alten
Flauſchrock mit der Fauſt zum Ellbogen heraus, ein
Kernwirth, ſonſt ein guter Kerl. Wir gingen nun
mit einander in's Haus, ich lobte alles nach Kraͤften.
— Ihr erzaͤhlt alles ſo konfus, ſagte der Burſch wie¬
der, Ihr fragtet zuerſt, was in der Stadt der Spieß
Lerchen koſte, die draußen ſo huͤbſch ſaͤngen? — Kann
ſeyn! — Nein, ich weiß noch alles ganz genau. Und,
einmal als Philoſoph geſprochen, ſagtet Ihr dann,
was braucht ein fuͤhlendes Herz mehr: ein laͤndliches
Schloß mit wacklichten Manſarden, ein ſanfter, unter
dreijaͤhrigen Duͤnger geſetzter Huͤgel daneben, ein
ſchlaͤngelnder Bach aus dem Kuhſtall nach der lachen¬
den Wieſe — Halt das Maul, fuhr ihn Dryander
an. Ich ſtand in der Hausthuͤr, mit tiefer Wehmuth
uͤberblickte ich noch einmal den Apfelbaum, das ſtille
Gaͤrtchen und Trudchens Geſtalt — dann wandt' ich
mich — Hier konnte der Burſche das Lachen nicht
halten. — Was haſt du? fragten die Andern. — Mit
Erlaubniß, ſagte er, und als der Herr ſo von dem
ſchlaͤngelnden Bach ſprach, erwiſchte ihn der Herr
Lieutenant am Fluͤgel und ſchmiß ihn zum Hauſe her¬
aus, daß er mir bald in den Korb gefallen waͤre. —
Nun, wenn Ihr's beſſer wißt, ſo iſt mir's auch recht,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/379>, abgerufen am 24.11.2024.
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