die Kleidung eines katholischen Priesters sichtbar wurde. -- Mein Lieb ist streng und ernst, fuhr er lächelnd fort, drum wollt' ich hier oben mich erst zusammen¬ raffen und innerlich besinnen. Glaubt mir, ein herr¬ lich Ding ist's um die Einsamkeit auf hohen Bergen; das Buch des Lebens versteht doch nur, wer um Got¬ tes Willen lernt und nicht um der Welt Gunst. -- Manfred sah ihn lange schweigend an. Nun wahrlich, sagte er dann, wenn ich dich auf dem Schlachtfelde wiedergefunden hätte, hoch zu Roß mit der Fahne voran! -- Du sprichst ja wie ein Mädchen davon, entgegnete Victor, wie wenn es keinen Krieg gäbe, als den die schmucken Lieutenants führen. -- Und dein großes poetisches Talent, unterbrach ihn Manfred wie¬ der, du wirfst es fort, wie ein Verschwender? -- Was wär' denn Poesie, meinte Victor unwillig, wenn sie in feinem Goldschnitt auf einer Morgentoilette durch¬ zublättern wäre? Talent! das ist nur ein Blitz, den der Herr fortschleudert in die Nacht, um zu leuchten, und der sich selbst verzehrt, indem er zündet. Nein, Freunde, genug endlich ist des weichlichen Sehnens, wer giebt uns das Recht zu klagen, wenn Niemand helfen mag! Nicht morsche Mönche, Quäker und alte Weiber; die Morgenfrischen, Kühnen will ich werben, die recht aus Herzensgrund nach Krieg verlangt. Auch nicht über's Meer hinüber blick' ich, wo unschuldige Völker unter Palmen vom künftigen Morgenroth träu¬
die Kleidung eines katholiſchen Prieſters ſichtbar wurde. — Mein Lieb iſt ſtreng und ernſt, fuhr er laͤchelnd fort, drum wollt' ich hier oben mich erſt zuſammen¬ raffen und innerlich beſinnen. Glaubt mir, ein herr¬ lich Ding iſt's um die Einſamkeit auf hohen Bergen; das Buch des Lebens verſteht doch nur, wer um Got¬ tes Willen lernt und nicht um der Welt Gunſt. — Manfred ſah ihn lange ſchweigend an. Nun wahrlich, ſagte er dann, wenn ich dich auf dem Schlachtfelde wiedergefunden haͤtte, hoch zu Roß mit der Fahne voran! — Du ſprichſt ja wie ein Maͤdchen davon, entgegnete Victor, wie wenn es keinen Krieg gaͤbe, als den die ſchmucken Lieutenants fuͤhren. — Und dein großes poetiſches Talent, unterbrach ihn Manfred wie¬ der, du wirfſt es fort, wie ein Verſchwender? — Was waͤr' denn Poeſie, meinte Victor unwillig, wenn ſie in feinem Goldſchnitt auf einer Morgentoilette durch¬ zublaͤttern waͤre? Talent! das iſt nur ein Blitz, den der Herr fortſchleudert in die Nacht, um zu leuchten, und der ſich ſelbſt verzehrt, indem er zuͤndet. Nein, Freunde, genug endlich iſt des weichlichen Sehnens, wer giebt uns das Recht zu klagen, wenn Niemand helfen mag! Nicht morſche Moͤnche, Quaͤker und alte Weiber; die Morgenfriſchen, Kuͤhnen will ich werben, die recht aus Herzensgrund nach Krieg verlangt. Auch nicht uͤber's Meer hinuͤber blick' ich, wo unſchuldige Voͤlker unter Palmen vom kuͤnftigen Morgenroth traͤu¬
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die Kleidung eines katholiſchen Prieſters ſichtbar wurde.
— Mein Lieb iſt ſtreng und ernſt, fuhr er laͤchelnd
fort, drum wollt' ich hier oben mich erſt zuſammen¬
raffen und innerlich beſinnen. Glaubt mir, ein herr¬
lich Ding iſt's um die Einſamkeit auf hohen Bergen;
das Buch des Lebens verſteht doch nur, wer um Got¬
tes Willen lernt und nicht um der Welt Gunſt. —
Manfred ſah ihn lange ſchweigend an. Nun wahrlich,
ſagte er dann, wenn ich dich auf dem Schlachtfelde
wiedergefunden haͤtte, hoch zu Roß mit der Fahne
voran! — Du ſprichſt ja wie ein Maͤdchen davon,
entgegnete Victor, wie wenn es keinen Krieg gaͤbe,
als den die ſchmucken Lieutenants fuͤhren. — Und dein
großes poetiſches Talent, unterbrach ihn Manfred wie¬
der, du wirfſt es fort, wie ein Verſchwender? — Was
waͤr' denn Poeſie, meinte Victor unwillig, wenn ſie
in feinem Goldſchnitt auf einer Morgentoilette durch¬
zublaͤttern waͤre? Talent! das iſt nur ein Blitz, den
der Herr fortſchleudert in die Nacht, um zu leuchten,
und der ſich ſelbſt verzehrt, indem er zuͤndet. Nein,
Freunde, genug endlich iſt des weichlichen Sehnens,
wer giebt uns das Recht zu klagen, wenn Niemand
helfen mag! Nicht morſche Moͤnche, Quaͤker und alte
Weiber; die Morgenfriſchen, Kuͤhnen will ich werben,
die recht aus Herzensgrund nach Krieg verlangt. Auch
nicht uͤber's Meer hinuͤber blick' ich, wo unſchuldige
Voͤlker unter Palmen vom kuͤnftigen Morgenroth traͤu¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/383>, abgerufen am 24.11.2024.
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