Nur Walter fehlte. Auf einmal trat er, ganz reisefer¬ tig, mit dem Amtmann aus dem Hause. Schlechte Neuigkeit, sagte der letztere, Walter hat dringende Briefe bekommen, er muß in die Stadt, und will noch heut reisen, um die nächtliche Kühle zu benutzen. -- Die Amtmannin machte besorgt Einwendungen ge¬ gen das gefährliche Reisen in der Nacht, Florentine ereiferte sich über die Geschäfte, die sie von jeher als eine unbekannte feindliche Macht betrachtete, aber Walter blieb unerschütterlich, und nahm, auch von Fortunaten, schnell und kurz Abschied. Ganz zuletzt wandte er sich noch einmal zu diesem, als wollt' er ihm etwas sagen, schüttelte ihm aber nur rasch die Hand und ging schweigend fort. -- Fortunat begleitete ihn noch heraus bis zu seinem Pferde, dem Florentine den Hals streichelte, und, als es dann beim Aufsteigen unruhig wurde, schnell nach der Hausthür zurücksprang. Herr Je! sagte er heimlich zu Waltern, was machst du da für ein langes Gesicht! Und überhaupt, warum willst du gerade heut noch fort? die Geschäfte sind's ja doch nicht. -- Ich will nicht stören, entgeg¬ nete Walter empfindlich, du bleibst ja doch noch län¬ gere Zeit hier, ich sag' dir's vielleicht ein andermal, leb' wohl! -- Hiermit gab er seinem Pferde die Spo¬ ren, und war bald zwischen den Bäumen verschwun¬ den. -- O langweilige Welt! rief Fortunat ihm nach¬ sehend aus, wie glücklich könnte er sein mit seinem
Nur Walter fehlte. Auf einmal trat er, ganz reiſefer¬ tig, mit dem Amtmann aus dem Hauſe. Schlechte Neuigkeit, ſagte der letztere, Walter hat dringende Briefe bekommen, er muß in die Stadt, und will noch heut reiſen, um die naͤchtliche Kuͤhle zu benutzen. — Die Amtmannin machte beſorgt Einwendungen ge¬ gen das gefaͤhrliche Reiſen in der Nacht, Florentine ereiferte ſich uͤber die Geſchaͤfte, die ſie von jeher als eine unbekannte feindliche Macht betrachtete, aber Walter blieb unerſchuͤtterlich, und nahm, auch von Fortunaten, ſchnell und kurz Abſchied. Ganz zuletzt wandte er ſich noch einmal zu dieſem, als wollt' er ihm etwas ſagen, ſchuͤttelte ihm aber nur raſch die Hand und ging ſchweigend fort. — Fortunat begleitete ihn noch heraus bis zu ſeinem Pferde, dem Florentine den Hals ſtreichelte, und, als es dann beim Aufſteigen unruhig wurde, ſchnell nach der Hausthuͤr zuruͤckſprang. Herr Je! ſagte er heimlich zu Waltern, was machſt du da fuͤr ein langes Geſicht! Und uͤberhaupt, warum willſt du gerade heut noch fort? die Geſchaͤfte ſind's ja doch nicht. — Ich will nicht ſtoͤren, entgeg¬ nete Walter empfindlich, du bleibſt ja doch noch laͤn¬ gere Zeit hier, ich ſag' dir's vielleicht ein andermal, leb' wohl! — Hiermit gab er ſeinem Pferde die Spo¬ ren, und war bald zwiſchen den Baͤumen verſchwun¬ den. — O langweilige Welt! rief Fortunat ihm nach¬ ſehend aus, wie gluͤcklich koͤnnte er ſein mit ſeinem
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Nur Walter fehlte. Auf einmal trat er, ganz reiſefer¬
tig, mit dem Amtmann aus dem Hauſe. Schlechte
Neuigkeit, ſagte der letztere, Walter hat dringende
Briefe bekommen, er muß in die Stadt, und will
noch heut reiſen, um die naͤchtliche Kuͤhle zu benutzen.
— Die Amtmannin machte beſorgt Einwendungen ge¬
gen das gefaͤhrliche Reiſen in der Nacht, Florentine
ereiferte ſich uͤber die Geſchaͤfte, die ſie von jeher als
eine unbekannte feindliche Macht betrachtete, aber
Walter blieb unerſchuͤtterlich, und nahm, auch von
Fortunaten, ſchnell und kurz Abſchied. Ganz zuletzt
wandte er ſich noch einmal zu dieſem, als wollt' er
ihm etwas ſagen, ſchuͤttelte ihm aber nur raſch die
Hand und ging ſchweigend fort. — Fortunat begleitete
ihn noch heraus bis zu ſeinem Pferde, dem Florentine
den Hals ſtreichelte, und, als es dann beim Aufſteigen
unruhig wurde, ſchnell nach der Hausthuͤr zuruͤckſprang.
Herr Je! ſagte er heimlich zu Waltern, was machſt
du da fuͤr ein langes Geſicht! Und uͤberhaupt,
warum willſt du gerade heut noch fort? die Geſchaͤfte
ſind's ja doch nicht. — Ich will nicht ſtoͤren, entgeg¬
nete Walter empfindlich, du bleibſt ja doch noch laͤn¬
gere Zeit hier, ich ſag' dir's vielleicht ein andermal,
leb' wohl! — Hiermit gab er ſeinem Pferde die Spo¬
ren, und war bald zwiſchen den Baͤumen verſchwun¬
den. — O langweilige Welt! rief Fortunat ihm nach¬
ſehend aus, wie gluͤcklich koͤnnte er ſein mit ſeinem
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/63>, abgerufen am 22.11.2024.
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