welche Verläugnung es einem zarteren Gemüth kostet, mit den rohen Scherzen dieser Menschen, wenn auch nur zum Schein, gleichen Schritt zu halten. -- In der That, erwiederte Fortunat, der Lateiner schritt wacker und lustig aus. -- Lustig? sagte die Dame, Sie kennen diesen Wilden noch nicht, er hat keine Ahnung von jener geistigen Seelenlust, die schon dies¬ seits die Gipfel der Menschheit erklimmt -- Und jen¬ seits rücklings wieder herunterschurrt, fiel hier der feind¬ liche Litteratus ein, der, eben mit einer Guitarre aus dem Hause tretend, das letzte Kapitel von der Lust mit angehört hatte, und, einzelne Accorde anschlagend, sich nun weiterhin auf dem Platze im Dunkel verlor. Fortunat lachte, denn ein leiser Zornesblitz zuckte plötz¬ lich über das Gesicht der Dame und brachte die ganze Muskeldecoration in eine augenblickliche widerliche Un¬ ordnung, zumal da gleich darauf auch die andere hüb¬ sche Reiterin aus der Thür guckte, ihr Näschen rümpfte, da sie die beiden beisammen erblickte, und dann gleich¬ falls in den Garten an ihnen vorüberschlenderte. -- Die arme Kleine! sie hat keinen ganzen Strumpf, be¬ merkte die Dame hämisch. Und in der That, auch der Mond hatte das schon bemerkt, und beleuchtete wohlgefällig ein Streifchen des zierlichsten Beinchens, das blendend über dem Schuhe hervorblickte, während die hochgeschürzte Kleine unbefangen unter den Linden
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welche Verlaͤugnung es einem zarteren Gemuͤth koſtet, mit den rohen Scherzen dieſer Menſchen, wenn auch nur zum Schein, gleichen Schritt zu halten. — In der That, erwiederte Fortunat, der Lateiner ſchritt wacker und luſtig aus. — Luſtig? ſagte die Dame, Sie kennen dieſen Wilden noch nicht, er hat keine Ahnung von jener geiſtigen Seelenluſt, die ſchon dies¬ ſeits die Gipfel der Menſchheit erklimmt — Und jen¬ ſeits ruͤcklings wieder herunterſchurrt, fiel hier der feind¬ liche Litteratus ein, der, eben mit einer Guitarre aus dem Hauſe tretend, das letzte Kapitel von der Luſt mit angehoͤrt hatte, und, einzelne Accorde anſchlagend, ſich nun weiterhin auf dem Platze im Dunkel verlor. Fortunat lachte, denn ein leiſer Zornesblitz zuckte ploͤtz¬ lich uͤber das Geſicht der Dame und brachte die ganze Muskeldecoration in eine augenblickliche widerliche Un¬ ordnung, zumal da gleich darauf auch die andere huͤb¬ ſche Reiterin aus der Thuͤr guckte, ihr Naͤschen ruͤmpfte, da ſie die beiden beiſammen erblickte, und dann gleich¬ falls in den Garten an ihnen voruͤberſchlenderte. — Die arme Kleine! ſie hat keinen ganzen Strumpf, be¬ merkte die Dame haͤmiſch. Und in der That, auch der Mond hatte das ſchon bemerkt, und beleuchtete wohlgefaͤllig ein Streifchen des zierlichſten Beinchens, das blendend uͤber dem Schuhe hervorblickte, waͤhrend die hochgeſchuͤrzte Kleine unbefangen unter den Linden
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welche Verlaͤugnung es einem zarteren Gemuͤth koſtet,
mit den rohen Scherzen dieſer Menſchen, wenn auch
nur zum Schein, gleichen Schritt zu halten. — In
der That, erwiederte Fortunat, der Lateiner ſchritt
wacker und luſtig aus. — Luſtig? ſagte die Dame,
Sie kennen dieſen Wilden noch nicht, er hat keine
Ahnung von jener geiſtigen Seelenluſt, die ſchon dies¬
ſeits die Gipfel der Menſchheit erklimmt — Und jen¬
ſeits ruͤcklings wieder herunterſchurrt, fiel hier der feind¬
liche Litteratus ein, der, eben mit einer Guitarre aus
dem Hauſe tretend, das letzte Kapitel von der Luſt
mit angehoͤrt hatte, und, einzelne Accorde anſchlagend,
ſich nun weiterhin auf dem Platze im Dunkel verlor.
Fortunat lachte, denn ein leiſer Zornesblitz zuckte ploͤtz¬
lich uͤber das Geſicht der Dame und brachte die ganze
Muskeldecoration in eine augenblickliche widerliche Un¬
ordnung, zumal da gleich darauf auch die andere huͤb¬
ſche Reiterin aus der Thuͤr guckte, ihr Naͤschen ruͤmpfte,
da ſie die beiden beiſammen erblickte, und dann gleich¬
falls in den Garten an ihnen voruͤberſchlenderte. —
Die arme Kleine! ſie hat keinen ganzen Strumpf, be¬
merkte die Dame haͤmiſch. Und in der That, auch
der Mond hatte das ſchon bemerkt, und beleuchtete
wohlgefaͤllig ein Streifchen des zierlichſten Beinchens,
das blendend uͤber dem Schuhe hervorblickte, waͤhrend
die hochgeſchuͤrzte Kleine unbefangen unter den Linden
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/72>, abgerufen am 22.11.2024.
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