Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

die Wanderer, als diese durch die zierlichen Jägerhäu¬
ser und die im Walde sich kreuzenden Alleen daran
erinnert wurden, daß sie dem Ziel ihrer Reise nicht
mehr fern seyn konnten. Von weitem vernahm man
nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schüsse und
Rufen dazwischen, wie das letzte Verhallen einer
großen, weitverbreiteten Jagd. Die Gesellschaft wurde
nun nach und nach stiller, jeder rückte sorgsam seine
Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor sich in
die Ferne hinaus. Fortunat aber fühlte sich unbehag¬
lich überrascht, da nun das bisherige fröhliche Reise¬
leben plötzlich zum förmlichen Metier werden sollte.

Jetzt senkte sich der Weg allmälig in's Thal
hinab, da sahen sie eine luftige Säulenhalle, rothe
Ziegeldächer und stille Wasserspiegel wechselnd aus
der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter
sie kamen, schimmerte es bald da, bald dort zwischen
dem Grün herauf, durch die Wipfel aber leuchtete
ein Gewitter, das sie im Walde nicht bemerkt hatten.
Auf einmal schrieen die Frauenzimmer kreischend auf,
denn grade über ihnen, wie aus den Lüften, ließen
sich plötzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der,
in viele Klüfte zerspaltenen, fast unzugänglichen Fel¬
senwand erblickte man zwei Schützen, die sich offenbar
dort zwischen den Steinen verstiegen hatten. Der
eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da,
wo man ihn am wenigsten vermuthete, wie ein Kürbis

6*

die Wanderer, als dieſe durch die zierlichen Jaͤgerhaͤu¬
ſer und die im Walde ſich kreuzenden Alleen daran
erinnert wurden, daß ſie dem Ziel ihrer Reiſe nicht
mehr fern ſeyn konnten. Von weitem vernahm man
nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schuͤſſe und
Rufen dazwiſchen, wie das letzte Verhallen einer
großen, weitverbreiteten Jagd. Die Geſellſchaft wurde
nun nach und nach ſtiller, jeder ruͤckte ſorgſam ſeine
Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor ſich in
die Ferne hinaus. Fortunat aber fuͤhlte ſich unbehag¬
lich uͤberraſcht, da nun das bisherige froͤhliche Reiſe¬
leben ploͤtzlich zum foͤrmlichen Metier werden ſollte.

Jetzt ſenkte ſich der Weg allmaͤlig in's Thal
hinab, da ſahen ſie eine luftige Saͤulenhalle, rothe
Ziegeldaͤcher und ſtille Waſſerſpiegel wechſelnd aus
der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter
ſie kamen, ſchimmerte es bald da, bald dort zwiſchen
dem Gruͤn herauf, durch die Wipfel aber leuchtete
ein Gewitter, das ſie im Walde nicht bemerkt hatten.
Auf einmal ſchrieen die Frauenzimmer kreiſchend auf,
denn grade uͤber ihnen, wie aus den Luͤften, ließen
ſich ploͤtzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der,
in viele Kluͤfte zerſpaltenen, faſt unzugaͤnglichen Fel¬
ſenwand erblickte man zwei Schuͤtzen, die ſich offenbar
dort zwiſchen den Steinen verſtiegen hatten. Der
eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da,
wo man ihn am wenigſten vermuthete, wie ein Kuͤrbis

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="83"/>
die Wanderer, als die&#x017F;e durch die zierlichen Ja&#x0364;gerha&#x0364;<lb/>
&#x017F;er und die im Walde &#x017F;ich kreuzenden Alleen daran<lb/>
erinnert wurden, daß &#x017F;ie dem Ziel ihrer Rei&#x017F;e nicht<lb/>
mehr fern &#x017F;eyn konnten. Von weitem vernahm man<lb/>
nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
Rufen dazwi&#x017F;chen, wie das letzte Verhallen einer<lb/>
großen, weitverbreiteten Jagd. Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wurde<lb/>
nun nach und nach &#x017F;tiller, jeder ru&#x0364;ckte &#x017F;org&#x017F;am &#x017F;eine<lb/>
Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor &#x017F;ich in<lb/>
die Ferne hinaus. Fortunat aber fu&#x0364;hlte &#x017F;ich unbehag¬<lb/>
lich u&#x0364;berra&#x017F;cht, da nun das bisherige fro&#x0364;hliche Rei&#x017F;<lb/>
leben plo&#x0364;tzlich zum fo&#x0364;rmlichen Metier werden &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Jetzt &#x017F;enkte &#x017F;ich der Weg allma&#x0364;lig in's Thal<lb/>
hinab, da &#x017F;ahen &#x017F;ie eine luftige Sa&#x0364;ulenhalle, rothe<lb/>
Ziegelda&#x0364;cher und &#x017F;tille Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;piegel wech&#x017F;elnd aus<lb/>
der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter<lb/>
&#x017F;ie kamen, &#x017F;chimmerte es bald da, bald dort zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Gru&#x0364;n herauf, durch die Wipfel aber leuchtete<lb/>
ein Gewitter, das &#x017F;ie im Walde nicht bemerkt hatten.<lb/>
Auf einmal &#x017F;chrieen die Frauenzimmer krei&#x017F;chend auf,<lb/>
denn grade u&#x0364;ber ihnen, wie aus den Lu&#x0364;ften, ließen<lb/>
&#x017F;ich plo&#x0364;tzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der,<lb/>
in viele Klu&#x0364;fte zer&#x017F;paltenen, fa&#x017F;t unzuga&#x0364;nglichen Fel¬<lb/>
&#x017F;enwand erblickte man zwei Schu&#x0364;tzen, die &#x017F;ich offenbar<lb/>
dort zwi&#x017F;chen den Steinen ver&#x017F;tiegen hatten. Der<lb/>
eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da,<lb/>
wo man ihn am wenig&#x017F;ten vermuthete, wie ein Ku&#x0364;rbis<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0090] die Wanderer, als dieſe durch die zierlichen Jaͤgerhaͤu¬ ſer und die im Walde ſich kreuzenden Alleen daran erinnert wurden, daß ſie dem Ziel ihrer Reiſe nicht mehr fern ſeyn konnten. Von weitem vernahm man nun auch Waldhorn-Signale, einzelne Schuͤſſe und Rufen dazwiſchen, wie das letzte Verhallen einer großen, weitverbreiteten Jagd. Die Geſellſchaft wurde nun nach und nach ſtiller, jeder ruͤckte ſorgſam ſeine Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor ſich in die Ferne hinaus. Fortunat aber fuͤhlte ſich unbehag¬ lich uͤberraſcht, da nun das bisherige froͤhliche Reiſe¬ leben ploͤtzlich zum foͤrmlichen Metier werden ſollte. Jetzt ſenkte ſich der Weg allmaͤlig in's Thal hinab, da ſahen ſie eine luftige Saͤulenhalle, rothe Ziegeldaͤcher und ſtille Waſſerſpiegel wechſelnd aus der Tiefe aufblicken, immer geheimnißvoller, je weiter ſie kamen, ſchimmerte es bald da, bald dort zwiſchen dem Gruͤn herauf, durch die Wipfel aber leuchtete ein Gewitter, das ſie im Walde nicht bemerkt hatten. Auf einmal ſchrieen die Frauenzimmer kreiſchend auf, denn grade uͤber ihnen, wie aus den Luͤften, ließen ſich ploͤtzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der, in viele Kluͤfte zerſpaltenen, faſt unzugaͤnglichen Fel¬ ſenwand erblickte man zwei Schuͤtzen, die ſich offenbar dort zwiſchen den Steinen verſtiegen hatten. Der eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da, wo man ihn am wenigſten vermuthete, wie ein Kuͤrbis 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/90
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/90>, abgerufen am 22.11.2024.