Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Doch was seh' ich! wüst, verfallen
Zimmer, Hof und Bogen sind,
Einsam meine Tritte hallen,
Durch die Fenster pfeift der Wind.
Alle Ahnenbilder lagen
Glanzlos in den Schutt verwühlt,
Und die Zitter drauf zerschlagen,
Auf der ich als Kind gespielt.
Und ich nahm die alte Zitter,
Trat an's Fenster voller Gras,
Wo so ofte hinter'm Gitter
Sonst die Mutter bei mir saß:
Gern mit Mährlein mich erbaute,
Daß ich still saß, Abendroth,
Strom und Wälder fromm beschaute --
Mutter, bist du auch schon todt?
So war ich in' Hof gekommen, --
Was ich da auf einmal sah,
Hat den Athem mir benommen,
Bleibt mir bis zum Tode nah:
Aufrecht saßen meine Ahnen,
Und kein Laut im Hofe ging,
Eingehüllt in ihre Fahnen,
Da im ewig stillen Ring.
Und den Vater unter ihnen
Sah ich sitzen an der Wand,
Streng und steinern seine Mienen,
Doch in tiefster Brust bekannt;
Doch was ſeh' ich! wuͤſt, verfallen
Zimmer, Hof und Bogen ſind,
Einſam meine Tritte hallen,
Durch die Fenſter pfeift der Wind.
Alle Ahnenbilder lagen
Glanzlos in den Schutt verwuͤhlt,
Und die Zitter drauf zerſchlagen,
Auf der ich als Kind geſpielt.
Und ich nahm die alte Zitter,
Trat an's Fenſter voller Gras,
Wo ſo ofte hinter'm Gitter
Sonſt die Mutter bei mir ſaß:
Gern mit Maͤhrlein mich erbaute,
Daß ich ſtill ſaß, Abendroth,
Strom und Waͤlder fromm beſchaute —
Mutter, biſt du auch ſchon todt?
So war ich in' Hof gekommen, —
Was ich da auf einmal ſah,
Hat den Athem mir benommen,
Bleibt mir bis zum Tode nah:
Aufrecht ſaßen meine Ahnen,
Und kein Laut im Hofe ging,
Eingehuͤllt in ihre Fahnen,
Da im ewig ſtillen Ring.
Und den Vater unter ihnen
Sah ich ſitzen an der Wand,
Streng und ſteinern ſeine Mienen,
Doch in tiefſter Bruſt bekannt;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0170" n="152"/>
          <lg type="poem">
            <l>Doch was &#x017F;eh' ich! wu&#x0364;&#x017F;t, verfallen</l><lb/>
            <l>Zimmer, Hof und Bogen &#x017F;ind,</l><lb/>
            <l>Ein&#x017F;am meine Tritte hallen,</l><lb/>
            <l>Durch die Fen&#x017F;ter pfeift der Wind.</l><lb/>
            <l>Alle Ahnenbilder lagen</l><lb/>
            <l>Glanzlos in den Schutt verwu&#x0364;hlt,</l><lb/>
            <l>Und die Zitter drauf zer&#x017F;chlagen,</l><lb/>
            <l>Auf der ich als Kind ge&#x017F;pielt.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und ich nahm die alte Zitter,</l><lb/>
            <l>Trat an's Fen&#x017F;ter voller Gras,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;o ofte hinter'm Gitter</l><lb/>
            <l>Son&#x017F;t die Mutter bei mir &#x017F;aß:</l><lb/>
            <l>Gern mit Ma&#x0364;hrlein mich erbaute,</l><lb/>
            <l>Daß ich &#x017F;till &#x017F;aß, Abendroth,</l><lb/>
            <l>Strom und Wa&#x0364;lder fromm be&#x017F;chaute &#x2014;</l><lb/>
            <l>Mutter, bi&#x017F;t du auch &#x017F;chon todt?</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>So war ich in' Hof gekommen, &#x2014;</l><lb/>
            <l>Was ich da auf einmal &#x017F;ah,</l><lb/>
            <l>Hat den Athem mir benommen,</l><lb/>
            <l>Bleibt mir bis zum Tode nah:</l><lb/>
            <l>Aufrecht &#x017F;aßen meine Ahnen,</l><lb/>
            <l>Und kein Laut im Hofe ging,</l><lb/>
            <l>Eingehu&#x0364;llt in ihre Fahnen,</l><lb/>
            <l>Da im ewig &#x017F;tillen Ring.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und den Vater unter ihnen</l><lb/>
            <l>Sah ich &#x017F;itzen an der Wand,</l><lb/>
            <l>Streng und &#x017F;teinern &#x017F;eine Mienen,</l><lb/>
            <l>Doch in tief&#x017F;ter Bru&#x017F;t bekannt;</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0170] Doch was ſeh' ich! wuͤſt, verfallen Zimmer, Hof und Bogen ſind, Einſam meine Tritte hallen, Durch die Fenſter pfeift der Wind. Alle Ahnenbilder lagen Glanzlos in den Schutt verwuͤhlt, Und die Zitter drauf zerſchlagen, Auf der ich als Kind geſpielt. Und ich nahm die alte Zitter, Trat an's Fenſter voller Gras, Wo ſo ofte hinter'm Gitter Sonſt die Mutter bei mir ſaß: Gern mit Maͤhrlein mich erbaute, Daß ich ſtill ſaß, Abendroth, Strom und Waͤlder fromm beſchaute — Mutter, biſt du auch ſchon todt? So war ich in' Hof gekommen, — Was ich da auf einmal ſah, Hat den Athem mir benommen, Bleibt mir bis zum Tode nah: Aufrecht ſaßen meine Ahnen, Und kein Laut im Hofe ging, Eingehuͤllt in ihre Fahnen, Da im ewig ſtillen Ring. Und den Vater unter ihnen Sah ich ſitzen an der Wand, Streng und ſteinern ſeine Mienen, Doch in tiefſter Bruſt bekannt;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/170
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/170>, abgerufen am 18.05.2024.