Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Weltlauf.
Was Du gestern frisch gesungen,
Ist doch heute schon verklungen
Und beim letzten Klange schreit
Alle Welt nach Neuigkeit.
War ein Held, der legt verwegen
Einstmals seinen blut'gen Degen
Als wie Gottes schwere Hand
Ueber das erschrock'ne Land.
Mußt's doch blüh'n und rauschen lassen,
Und den todten Löwen fassen
Knaben nun nach Jungen-Art
Ungestraft an Mähn' und Bart.
So viel Gipfel als da funkeln,
Sah'n wir abendlich verdunkeln,
Und es hat die alte Nacht
Alles wieder gleich gemacht.
Wie im Thurm der Uhr Gewichte
Rucket fort die Weltgeschichte,
Und der Zeiger schweigend kreist,
Keiner räth, wohin er weist.
Aber wenn die eh'rnen Zungen
Nun zum letztenmal erklungen,
Auf den Thurm der Herr sich stellt
Um zu richten diese Welt.
Weltlauf.
Was Du geſtern friſch geſungen,
Iſt doch heute ſchon verklungen
Und beim letzten Klange ſchreit
Alle Welt nach Neuigkeit.
War ein Held, der legt verwegen
Einſtmals ſeinen blut'gen Degen
Als wie Gottes ſchwere Hand
Ueber das erſchrock'ne Land.
Mußt's doch bluͤh'n und rauſchen laſſen,
Und den todten Loͤwen faſſen
Knaben nun nach Jungen-Art
Ungeſtraft an Maͤhn' und Bart.
So viel Gipfel als da funkeln,
Sah'n wir abendlich verdunkeln,
Und es hat die alte Nacht
Alles wieder gleich gemacht.
Wie im Thurm der Uhr Gewichte
Rucket fort die Weltgeſchichte,
Und der Zeiger ſchweigend kreiſt,
Keiner raͤth, wohin er weiſt.
Aber wenn die eh'rnen Zungen
Nun zum letztenmal erklungen,
Auf den Thurm der Herr ſich ſtellt
Um zu richten dieſe Welt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0230" n="212"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Weltlauf</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>as Du ge&#x017F;tern fri&#x017F;ch ge&#x017F;ungen,</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t doch heute &#x017F;chon verklungen</l><lb/>
            <l>Und beim letzten Klange &#x017F;chreit</l><lb/>
            <l>Alle Welt nach Neuigkeit.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>War ein Held, der legt verwegen</l><lb/>
            <l>Ein&#x017F;tmals &#x017F;einen blut'gen Degen</l><lb/>
            <l>Als wie Gottes &#x017F;chwere Hand</l><lb/>
            <l>Ueber das er&#x017F;chrock'ne Land.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Mußt's doch blu&#x0364;h'n und rau&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und den todten Lo&#x0364;wen fa&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Knaben nun nach Jungen-Art</l><lb/>
            <l>Unge&#x017F;traft an Ma&#x0364;hn' und Bart.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>So viel Gipfel als da funkeln,</l><lb/>
            <l>Sah'n wir abendlich verdunkeln,</l><lb/>
            <l>Und es hat die alte Nacht</l><lb/>
            <l>Alles wieder gleich gemacht.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Wie im Thurm der Uhr Gewichte</l><lb/>
            <l>Rucket fort die Weltge&#x017F;chichte,</l><lb/>
            <l>Und der Zeiger &#x017F;chweigend krei&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Keiner ra&#x0364;th, wohin er wei&#x017F;t.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Aber wenn die eh'rnen Zungen</l><lb/>
            <l>Nun zum letztenmal erklungen,</l><lb/>
            <l>Auf den Thurm der Herr &#x017F;ich &#x017F;tellt</l><lb/>
            <l>Um zu richten die&#x017F;e Welt.</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0230] Weltlauf. Was Du geſtern friſch geſungen, Iſt doch heute ſchon verklungen Und beim letzten Klange ſchreit Alle Welt nach Neuigkeit. War ein Held, der legt verwegen Einſtmals ſeinen blut'gen Degen Als wie Gottes ſchwere Hand Ueber das erſchrock'ne Land. Mußt's doch bluͤh'n und rauſchen laſſen, Und den todten Loͤwen faſſen Knaben nun nach Jungen-Art Ungeſtraft an Maͤhn' und Bart. So viel Gipfel als da funkeln, Sah'n wir abendlich verdunkeln, Und es hat die alte Nacht Alles wieder gleich gemacht. Wie im Thurm der Uhr Gewichte Rucket fort die Weltgeſchichte, Und der Zeiger ſchweigend kreiſt, Keiner raͤth, wohin er weiſt. Aber wenn die eh'rnen Zungen Nun zum letztenmal erklungen, Auf den Thurm der Herr ſich ſtellt Um zu richten dieſe Welt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/230
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/230>, abgerufen am 21.11.2024.