Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der letzte Gruß. Ich kam vom Walde hernieder, Da stand noch das alte Haus, Mein Liebchen sie schaute wieder Wie sonst zum Fenster hinaus. Sie hat einen andern genommen, Ich war draußen in Schlacht und Sieg, Nun ist alles anders gekommen, Ich wollt', 's wär wieder erst Krieg; Am Wege dort spielte ihr Kindlein, Das glich ihr recht auf ein Haar, Ich küßt's auf sein rothes Mündlein: "Gott seg'ne dich immerdar!" Sie aber schaute erschrocken Noch lange Zeit nach mir hin, Und schüttelte sinnend die Locken Und wußte nicht, wer ich bin. -- Da droben hoch stand ich am Baume, Da rauschen die Wälder so sacht, Mein Waldhorn das klang wie im Traume Hinüber die ganze Nacht. Und als die Vögelein sangen Frühmorgens, sie weinte so sehr, Ich aber war weit schon gegangen, Nun sieht sie mich nimmermehr! Der letzte Gruß. Ich kam vom Walde hernieder, Da ſtand noch das alte Haus, Mein Liebchen ſie ſchaute wieder Wie ſonſt zum Fenſter hinaus. Sie hat einen andern genommen, Ich war draußen in Schlacht und Sieg, Nun iſt alles anders gekommen, Ich wollt', 's waͤr wieder erſt Krieg; Am Wege dort ſpielte ihr Kindlein, Das glich ihr recht auf ein Haar, Ich kuͤßt's auf ſein rothes Muͤndlein: „Gott ſeg'ne dich immerdar!“ Sie aber ſchaute erſchrocken Noch lange Zeit nach mir hin, Und ſchuͤttelte ſinnend die Locken Und wußte nicht, wer ich bin. — Da droben hoch ſtand ich am Baume, Da rauſchen die Waͤlder ſo ſacht, Mein Waldhorn das klang wie im Traume Hinuͤber die ganze Nacht. Und als die Voͤgelein ſangen Fruͤhmorgens, ſie weinte ſo ſehr, Ich aber war weit ſchon gegangen, Nun ſieht ſie mich nimmermehr! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0294" n="276"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Der letzte Gruß</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ch kam vom Walde hernieder,</l><lb/> <l>Da ſtand noch das alte Haus,</l><lb/> <l>Mein Liebchen ſie ſchaute wieder</l><lb/> <l>Wie ſonſt zum Fenſter hinaus.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Sie hat einen andern genommen,</l><lb/> <l>Ich war draußen in Schlacht und Sieg,</l><lb/> <l>Nun iſt alles anders gekommen,</l><lb/> <l>Ich wollt', 's waͤr wieder erſt Krieg;</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Am Wege dort ſpielte ihr Kindlein,</l><lb/> <l>Das glich ihr recht auf ein Haar,</l><lb/> <l>Ich kuͤßt's auf ſein rothes Muͤndlein:</l><lb/> <l>„Gott ſeg'ne dich immerdar!“</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Sie aber ſchaute erſchrocken</l><lb/> <l>Noch lange Zeit nach mir hin,</l><lb/> <l>Und ſchuͤttelte ſinnend die Locken</l><lb/> <l>Und wußte nicht, wer ich bin. —</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Da droben hoch ſtand ich am Baume,</l><lb/> <l>Da rauſchen die Waͤlder ſo ſacht,</l><lb/> <l>Mein Waldhorn das klang wie im Traume</l><lb/> <l>Hinuͤber die ganze Nacht.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Und als die Voͤgelein ſangen</l><lb/> <l>Fruͤhmorgens, ſie weinte ſo ſehr,</l><lb/> <l>Ich aber war weit ſchon gegangen,</l><lb/> <l>Nun ſieht ſie mich nimmermehr!</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0294]
Der letzte Gruß.
Ich kam vom Walde hernieder,
Da ſtand noch das alte Haus,
Mein Liebchen ſie ſchaute wieder
Wie ſonſt zum Fenſter hinaus.
Sie hat einen andern genommen,
Ich war draußen in Schlacht und Sieg,
Nun iſt alles anders gekommen,
Ich wollt', 's waͤr wieder erſt Krieg;
Am Wege dort ſpielte ihr Kindlein,
Das glich ihr recht auf ein Haar,
Ich kuͤßt's auf ſein rothes Muͤndlein:
„Gott ſeg'ne dich immerdar!“
Sie aber ſchaute erſchrocken
Noch lange Zeit nach mir hin,
Und ſchuͤttelte ſinnend die Locken
Und wußte nicht, wer ich bin. —
Da droben hoch ſtand ich am Baume,
Da rauſchen die Waͤlder ſo ſacht,
Mein Waldhorn das klang wie im Traume
Hinuͤber die ganze Nacht.
Und als die Voͤgelein ſangen
Fruͤhmorgens, ſie weinte ſo ſehr,
Ich aber war weit ſchon gegangen,
Nun ſieht ſie mich nimmermehr!
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