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Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

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Locken hatte sie wie deine,
Bleiche Wangen, Lippen roth --
Ach, du bist ja doch nicht meine,
Und mein Lieb ist lange todt!
Hättest du nur nicht gesprochen
Und so frech geblickt nach mir,
Das hat ganz den Traum zerbrochen
Und nun grauet mir vor dir.
Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern,
Fort und lache nicht so wild!
O ich möchte dich zertrümmern,
Schönes, lügenhaftes Bild!
Spät von dem verlor'nen Kinde
Kam ich durch die Nacht daher,
Fahnen drehten sich im Winde,
Alle Gassen waren leer.
Oben lag noch meine Laute
Und mein Fenster stand noch auf,
Aus dem stillen Grunde graute
Wunderbar die Stadt herauf.
Draußen aber blitzt's von weiten,
Alter Zeiten ich gedacht',
Schauernd reiß' ich in den Saiten
Und ich sing' die halbe Nacht.
Die verschlaf'nen Nachbarn sprechen,
Daß ich nächtlich trunken sei --
O du mein Gott! und mir brechen
Herz und Saitenspiel entzwei!

Locken hatte ſie wie deine,
Bleiche Wangen, Lippen roth —
Ach, du biſt ja doch nicht meine,
Und mein Lieb iſt lange todt!
Haͤtteſt du nur nicht geſprochen
Und ſo frech geblickt nach mir,
Das hat ganz den Traum zerbrochen
Und nun grauet mir vor dir.
Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern,
Fort und lache nicht ſo wild!
O ich moͤchte dich zertruͤmmern,
Schoͤnes, luͤgenhaftes Bild!
Spaͤt von dem verlor'nen Kinde
Kam ich durch die Nacht daher,
Fahnen drehten ſich im Winde,
Alle Gaſſen waren leer.
Oben lag noch meine Laute
Und mein Fenſter ſtand noch auf,
Aus dem ſtillen Grunde graute
Wunderbar die Stadt herauf.
Draußen aber blitzt's von weiten,
Alter Zeiten ich gedacht',
Schauernd reiß' ich in den Saiten
Und ich ſing' die halbe Nacht.
Die verſchlaf'nen Nachbarn ſprechen,
Daß ich naͤchtlich trunken ſei —
O du mein Gott! und mir brechen
Herz und Saitenſpiel entzwei!

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[280/0298] Locken hatte ſie wie deine, Bleiche Wangen, Lippen roth — Ach, du biſt ja doch nicht meine, Und mein Lieb iſt lange todt! Haͤtteſt du nur nicht geſprochen Und ſo frech geblickt nach mir, Das hat ganz den Traum zerbrochen Und nun grauet mir vor dir. Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern, Fort und lache nicht ſo wild! O ich moͤchte dich zertruͤmmern, Schoͤnes, luͤgenhaftes Bild! Spaͤt von dem verlor'nen Kinde Kam ich durch die Nacht daher, Fahnen drehten ſich im Winde, Alle Gaſſen waren leer. Oben lag noch meine Laute Und mein Fenſter ſtand noch auf, Aus dem ſtillen Grunde graute Wunderbar die Stadt herauf. Draußen aber blitzt's von weiten, Alter Zeiten ich gedacht', Schauernd reiß' ich in den Saiten Und ich ſing' die halbe Nacht. Die verſchlaf'nen Nachbarn ſprechen, Daß ich naͤchtlich trunken ſei — O du mein Gott! und mir brechen Herz und Saitenſpiel entzwei!

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/298>, abgerufen am 21.11.2024.