Locken hatte sie wie deine, Bleiche Wangen, Lippen roth -- Ach, du bist ja doch nicht meine, Und mein Lieb ist lange todt! Hättest du nur nicht gesprochen Und so frech geblickt nach mir, Das hat ganz den Traum zerbrochen Und nun grauet mir vor dir. Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern, Fort und lache nicht so wild! O ich möchte dich zertrümmern, Schönes, lügenhaftes Bild!
Spät von dem verlor'nen Kinde Kam ich durch die Nacht daher, Fahnen drehten sich im Winde, Alle Gassen waren leer. Oben lag noch meine Laute Und mein Fenster stand noch auf, Aus dem stillen Grunde graute Wunderbar die Stadt herauf. Draußen aber blitzt's von weiten, Alter Zeiten ich gedacht', Schauernd reiß' ich in den Saiten Und ich sing' die halbe Nacht. Die verschlaf'nen Nachbarn sprechen, Daß ich nächtlich trunken sei -- O du mein Gott! und mir brechen Herz und Saitenspiel entzwei!
Locken hatte ſie wie deine, Bleiche Wangen, Lippen roth — Ach, du biſt ja doch nicht meine, Und mein Lieb iſt lange todt! Haͤtteſt du nur nicht geſprochen Und ſo frech geblickt nach mir, Das hat ganz den Traum zerbrochen Und nun grauet mir vor dir. Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern, Fort und lache nicht ſo wild! O ich moͤchte dich zertruͤmmern, Schoͤnes, luͤgenhaftes Bild!
Spaͤt von dem verlor'nen Kinde Kam ich durch die Nacht daher, Fahnen drehten ſich im Winde, Alle Gaſſen waren leer. Oben lag noch meine Laute Und mein Fenſter ſtand noch auf, Aus dem ſtillen Grunde graute Wunderbar die Stadt herauf. Draußen aber blitzt's von weiten, Alter Zeiten ich gedacht', Schauernd reiß' ich in den Saiten Und ich ſing' die halbe Nacht. Die verſchlaf'nen Nachbarn ſprechen, Daß ich naͤchtlich trunken ſei — O du mein Gott! und mir brechen Herz und Saitenſpiel entzwei!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0298"n="280"/><lgtype="poem"><l>Locken hatte ſie wie deine,</l><lb/><l>Bleiche Wangen, Lippen roth —</l><lb/><l>Ach, du biſt ja doch nicht meine,</l><lb/><l>Und <hirendition="#g">mein</hi> Lieb iſt lange todt!</l><lb/><l>Haͤtteſt du nur nicht geſprochen</l><lb/><l>Und ſo frech geblickt nach mir,</l><lb/><l>Das hat ganz den Traum zerbrochen</l><lb/><l>Und nun grauet mir vor dir.</l><lb/><l>Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern,</l><lb/><l>Fort und lache nicht ſo wild!</l><lb/><l>O ich moͤchte dich zertruͤmmern,</l><lb/><l>Schoͤnes, luͤgenhaftes Bild!</l><lb/></lg><lgtype="poem"><l>Spaͤt von dem verlor'nen Kinde</l><lb/><l>Kam ich durch die Nacht daher,</l><lb/><l>Fahnen drehten ſich im Winde,</l><lb/><l>Alle Gaſſen waren leer.</l><lb/><l>Oben lag noch meine Laute</l><lb/><l>Und mein Fenſter ſtand noch auf,</l><lb/><l>Aus dem ſtillen Grunde graute</l><lb/><l>Wunderbar die Stadt herauf.</l><lb/><l>Draußen aber blitzt's von weiten,</l><lb/><l>Alter Zeiten ich gedacht',</l><lb/><l>Schauernd reiß' ich in den Saiten</l><lb/><l>Und ich ſing' die halbe Nacht.</l><lb/><l>Die verſchlaf'nen Nachbarn ſprechen,</l><lb/><l>Daß ich naͤchtlich trunken ſei —</l><lb/><l>O du mein Gott! und mir brechen</l><lb/><l>Herz und Saitenſpiel entzwei!</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[280/0298]
Locken hatte ſie wie deine,
Bleiche Wangen, Lippen roth —
Ach, du biſt ja doch nicht meine,
Und mein Lieb iſt lange todt!
Haͤtteſt du nur nicht geſprochen
Und ſo frech geblickt nach mir,
Das hat ganz den Traum zerbrochen
Und nun grauet mir vor dir.
Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern,
Fort und lache nicht ſo wild!
O ich moͤchte dich zertruͤmmern,
Schoͤnes, luͤgenhaftes Bild!
Spaͤt von dem verlor'nen Kinde
Kam ich durch die Nacht daher,
Fahnen drehten ſich im Winde,
Alle Gaſſen waren leer.
Oben lag noch meine Laute
Und mein Fenſter ſtand noch auf,
Aus dem ſtillen Grunde graute
Wunderbar die Stadt herauf.
Draußen aber blitzt's von weiten,
Alter Zeiten ich gedacht',
Schauernd reiß' ich in den Saiten
Und ich ſing' die halbe Nacht.
Die verſchlaf'nen Nachbarn ſprechen,
Daß ich naͤchtlich trunken ſei —
O du mein Gott! und mir brechen
Herz und Saitenſpiel entzwei!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/298>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.