Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Zuweilen nur Syrenen Noch tauchen aus dem Grund, Und thun in irren Tönen Die tiefe Wehmuth kund. -- Sie selbst muß sinnend stehen So bleich im Frühlingsschein, Die Augen untergehen, Der schöne Leib wird Stein. -- Denn über Land und Wogen Erscheint, so still und mild, Hoch auf dem Regenbogen Ein andres Frauenbild. Ein Kindlein in den Armen Die Wunderbare hält, Und himmlisches Erbarmen Durchdringt die ganze Welt. Da in den lichten Räumen Erwacht das Menschenkind, Und schüttelt böses Träumen Von seinem Haupt geschwind. Und, wie die Lerche singend. Aus schwülen Zaubers Kluft Erhebt die Seele ringend Sich in die Morgenluft. Zuweilen nur Syrenen Noch tauchen aus dem Grund, Und thun in irren Toͤnen Die tiefe Wehmuth kund. — Sie ſelbſt muß ſinnend ſtehen So bleich im Fruͤhlingsſchein, Die Augen untergehen, Der ſchoͤne Leib wird Stein. — Denn uͤber Land und Wogen Erſcheint, ſo ſtill und mild, Hoch auf dem Regenbogen Ein andres Frauenbild. Ein Kindlein in den Armen Die Wunderbare haͤlt, Und himmliſches Erbarmen Durchdringt die ganze Welt. Da in den lichten Raͤumen Erwacht das Menſchenkind, Und ſchuͤttelt boͤſes Traͤumen Von ſeinem Haupt geſchwind. Und, wie die Lerche ſingend. Aus ſchwuͤlen Zaubers Kluft Erhebt die Seele ringend Sich in die Morgenluft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg> <pb facs="#f0358" n="340"/> <lg type="poem"> <l>Zuweilen nur Syrenen</l><lb/> <l>Noch tauchen aus dem Grund,</l><lb/> <l>Und thun in irren Toͤnen</l><lb/> <l>Die tiefe Wehmuth kund. —</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Sie ſelbſt muß ſinnend ſtehen</l><lb/> <l>So bleich im Fruͤhlingsſchein,</l><lb/> <l>Die Augen untergehen,</l><lb/> <l>Der ſchoͤne Leib wird Stein. —</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Denn uͤber Land und Wogen</l><lb/> <l>Erſcheint, ſo ſtill und mild,</l><lb/> <l>Hoch auf dem Regenbogen</l><lb/> <l>Ein andres Frauenbild.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ein Kindlein in den Armen</l><lb/> <l>Die Wunderbare haͤlt,</l><lb/> <l>Und himmliſches Erbarmen</l><lb/> <l>Durchdringt die ganze Welt.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Da in den lichten Raͤumen</l><lb/> <l>Erwacht das Menſchenkind,</l><lb/> <l>Und ſchuͤttelt boͤſes Traͤumen</l><lb/> <l>Von ſeinem Haupt geſchwind.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Und, wie die Lerche ſingend.</l><lb/> <l>Aus ſchwuͤlen Zaubers Kluft</l><lb/> <l>Erhebt die Seele ringend</l><lb/> <l>Sich in die Morgenluft.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [340/0358]
Zuweilen nur Syrenen
Noch tauchen aus dem Grund,
Und thun in irren Toͤnen
Die tiefe Wehmuth kund. —
Sie ſelbſt muß ſinnend ſtehen
So bleich im Fruͤhlingsſchein,
Die Augen untergehen,
Der ſchoͤne Leib wird Stein. —
Denn uͤber Land und Wogen
Erſcheint, ſo ſtill und mild,
Hoch auf dem Regenbogen
Ein andres Frauenbild.
Ein Kindlein in den Armen
Die Wunderbare haͤlt,
Und himmliſches Erbarmen
Durchdringt die ganze Welt.
Da in den lichten Raͤumen
Erwacht das Menſchenkind,
Und ſchuͤttelt boͤſes Traͤumen
Von ſeinem Haupt geſchwind.
Und, wie die Lerche ſingend.
Aus ſchwuͤlen Zaubers Kluft
Erhebt die Seele ringend
Sich in die Morgenluft.
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