Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Gebet.
Wen hat nicht einmal Angst befallen,
Wenn Trübniß ihn gefangen hält,
Als müßt' er ewig rastlos wallen
Nach einer wunderbaren Welt?
All' Freunde sind lang fortgezogen,
Der Frühling weint in einem fort,
Eine Brücke ist der Regenbogen
Zum friedlich sichern Heimathsport.
Hinauszuschlagen in die Töne,
Lockt Dich Natur mit wilder Lust,
Zieht Minne, holde Frauenschöne
Zum Abgrund süß die seel'ge Brust;
Den Tod siehst Du verhüllet gehen
Durch Lieb' und Leben himmelwärts,
Ein einzig Wunder nur bleibt stehen
Einsam über dem öden Schmerz. --
Du seltner Pilger, laß Dich warnen!
Aus ird'scher Lust und Zauberei,
Die freud- und leidvoll Dich umgarnen,
Strecke zu Gott die Arme frei!
Nichts mehr mußt Du hienieden haben,
Himmlisch betrübt, verlassen, arm,
Ein treues Kind, dem Vater klagen
Die ird'sche Lust, den ird'schen Harm.
Das Gebet.
Wen hat nicht einmal Angſt befallen,
Wenn Truͤbniß ihn gefangen haͤlt,
Als muͤßt' er ewig raſtlos wallen
Nach einer wunderbaren Welt?
All' Freunde ſind lang fortgezogen,
Der Fruͤhling weint in einem fort,
Eine Bruͤcke iſt der Regenbogen
Zum friedlich ſichern Heimathsport.
Hinauszuſchlagen in die Toͤne,
Lockt Dich Natur mit wilder Luſt,
Zieht Minne, holde Frauenſchoͤne
Zum Abgrund ſuͤß die ſeel'ge Bruſt;
Den Tod ſiehſt Du verhuͤllet gehen
Durch Lieb' und Leben himmelwaͤrts,
Ein einzig Wunder nur bleibt ſtehen
Einſam uͤber dem oͤden Schmerz. —
Du ſeltner Pilger, laß Dich warnen!
Aus ird'ſcher Luſt und Zauberei,
Die freud- und leidvoll Dich umgarnen,
Strecke zu Gott die Arme frei!
Nichts mehr mußt Du hienieden haben,
Himmliſch betruͤbt, verlaſſen, arm,
Ein treues Kind, dem Vater klagen
Die ird'ſche Luſt, den ird'ſchen Harm.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0402" n="384"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Das Gebet.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>en hat nicht einmal Ang&#x017F;t befallen,</l><lb/>
            <l>Wenn Tru&#x0364;bniß ihn gefangen ha&#x0364;lt,</l><lb/>
            <l>Als mu&#x0364;ßt' er ewig ra&#x017F;tlos wallen</l><lb/>
            <l>Nach einer wunderbaren Welt?</l><lb/>
            <l>All' Freunde &#x017F;ind lang fortgezogen,</l><lb/>
            <l>Der Fru&#x0364;hling weint in einem fort,</l><lb/>
            <l>Eine Bru&#x0364;cke i&#x017F;t der Regenbogen</l><lb/>
            <l>Zum friedlich &#x017F;ichern Heimathsport.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Hinauszu&#x017F;chlagen in die To&#x0364;ne,</l><lb/>
            <l>Lockt Dich Natur mit wilder Lu&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Zieht Minne, holde Frauen&#x017F;cho&#x0364;ne</l><lb/>
            <l>Zum Abgrund &#x017F;u&#x0364;ß die &#x017F;eel'ge Bru&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>Den Tod &#x017F;ieh&#x017F;t Du verhu&#x0364;llet gehen</l><lb/>
            <l>Durch Lieb' und Leben himmelwa&#x0364;rts,</l><lb/>
            <l>Ein einzig Wunder nur bleibt &#x017F;tehen</l><lb/>
            <l>Ein&#x017F;am u&#x0364;ber dem o&#x0364;den Schmerz. &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Du &#x017F;eltner Pilger, laß Dich warnen!</l><lb/>
            <l>Aus ird'&#x017F;cher Lu&#x017F;t und Zauberei,</l><lb/>
            <l>Die freud- und leidvoll Dich umgarnen,</l><lb/>
            <l>Strecke zu Gott die Arme frei!</l><lb/>
            <l>Nichts mehr mußt Du hienieden haben,</l><lb/>
            <l>Himmli&#x017F;ch betru&#x0364;bt, verla&#x017F;&#x017F;en, arm,</l><lb/>
            <l>Ein treues Kind, dem Vater klagen</l><lb/>
            <l>Die ird'&#x017F;che Lu&#x017F;t, den ird'&#x017F;chen Harm.</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0402] Das Gebet. Wen hat nicht einmal Angſt befallen, Wenn Truͤbniß ihn gefangen haͤlt, Als muͤßt' er ewig raſtlos wallen Nach einer wunderbaren Welt? All' Freunde ſind lang fortgezogen, Der Fruͤhling weint in einem fort, Eine Bruͤcke iſt der Regenbogen Zum friedlich ſichern Heimathsport. Hinauszuſchlagen in die Toͤne, Lockt Dich Natur mit wilder Luſt, Zieht Minne, holde Frauenſchoͤne Zum Abgrund ſuͤß die ſeel'ge Bruſt; Den Tod ſiehſt Du verhuͤllet gehen Durch Lieb' und Leben himmelwaͤrts, Ein einzig Wunder nur bleibt ſtehen Einſam uͤber dem oͤden Schmerz. — Du ſeltner Pilger, laß Dich warnen! Aus ird'ſcher Luſt und Zauberei, Die freud- und leidvoll Dich umgarnen, Strecke zu Gott die Arme frei! Nichts mehr mußt Du hienieden haben, Himmliſch betruͤbt, verlaſſen, arm, Ein treues Kind, dem Vater klagen Die ird'ſche Luſt, den ird'ſchen Harm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/402
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/402>, abgerufen am 24.11.2024.