Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Sieh, da hebt er Felsenspitzen Langsam aus der Wasser Grund, Und erschrocken aus den Ritzen Schießen schupp'ge Schlangen bunt; Ringelnd Ungethüm der Tiefen, Die im öden Wogen-Haus In der grünen Dämm'rung schliefen, Stürzen sich in's Meer hinaus. Doch der Vater hebt auf's neue, Und Gebirge, Thal und Strand Taucht allmälig auf in's Freie; Und es grünt das junge Land, Irrend farb'ge Lichter schweifen Und von Blumen glänzt die Flur, Wo des Vaters Blick' sie streifen -- Da zerreißt die Angelschnur. Wie 'ne liebliche Syrene Halb nun über'm Wellenglanz, Staunend ob der eig'nen Schöne, Schwebt es mit dem Blütenkranz, Bei der Lüfte lindem Fächeln Sich im Meer, das rosig brennt, Spiegelnd mit verschämtem Lächeln -- Erde sie der Vater nennt. Sieh, da hebt er Felſenſpitzen Langſam aus der Waſſer Grund, Und erſchrocken aus den Ritzen Schießen ſchupp'ge Schlangen bunt; Ringelnd Ungethuͤm der Tiefen, Die im oͤden Wogen-Haus In der gruͤnen Daͤmm'rung ſchliefen, Stuͤrzen ſich in's Meer hinaus. Doch der Vater hebt auf's neue, Und Gebirge, Thal und Strand Taucht allmaͤlig auf in's Freie; Und es gruͤnt das junge Land, Irrend farb'ge Lichter ſchweifen Und von Blumen glaͤnzt die Flur, Wo des Vaters Blick' ſie ſtreifen — Da zerreißt die Angelſchnur. Wie 'ne liebliche Syrene Halb nun uͤber'm Wellenglanz, Staunend ob der eig'nen Schoͤne, Schwebt es mit dem Bluͤtenkranz, Bei der Luͤfte lindem Faͤcheln Sich im Meer, das roſig brennt, Spiegelnd mit verſchaͤmtem Laͤcheln — Erde ſie der Vater nennt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg> <pb facs="#f0422" n="404"/> <lg type="poem"> <l>Sieh, da hebt er Felſenſpitzen</l><lb/> <l>Langſam aus der Waſſer Grund,</l><lb/> <l>Und erſchrocken aus den Ritzen</l><lb/> <l>Schießen ſchupp'ge Schlangen bunt;</l><lb/> <l>Ringelnd Ungethuͤm der Tiefen,</l><lb/> <l>Die im oͤden Wogen-Haus</l><lb/> <l>In der gruͤnen Daͤmm'rung ſchliefen,</l><lb/> <l>Stuͤrzen ſich in's Meer hinaus.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Doch der Vater hebt auf's neue,</l><lb/> <l>Und Gebirge, Thal und Strand</l><lb/> <l>Taucht allmaͤlig auf in's Freie;</l><lb/> <l>Und es gruͤnt das junge Land,</l><lb/> <l>Irrend farb'ge Lichter ſchweifen</l><lb/> <l>Und von Blumen glaͤnzt die Flur,</l><lb/> <l>Wo des Vaters Blick' ſie ſtreifen —</l><lb/> <l>Da zerreißt die Angelſchnur.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Wie 'ne liebliche Syrene</l><lb/> <l>Halb nun uͤber'm Wellenglanz,</l><lb/> <l>Staunend ob der eig'nen Schoͤne,</l><lb/> <l>Schwebt es mit dem Bluͤtenkranz,</l><lb/> <l>Bei der Luͤfte lindem Faͤcheln</l><lb/> <l>Sich im Meer, das roſig brennt,</l><lb/> <l>Spiegelnd mit verſchaͤmtem Laͤcheln —</l><lb/> <l>Erde ſie der Vater nennt.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [404/0422]
Sieh, da hebt er Felſenſpitzen
Langſam aus der Waſſer Grund,
Und erſchrocken aus den Ritzen
Schießen ſchupp'ge Schlangen bunt;
Ringelnd Ungethuͤm der Tiefen,
Die im oͤden Wogen-Haus
In der gruͤnen Daͤmm'rung ſchliefen,
Stuͤrzen ſich in's Meer hinaus.
Doch der Vater hebt auf's neue,
Und Gebirge, Thal und Strand
Taucht allmaͤlig auf in's Freie;
Und es gruͤnt das junge Land,
Irrend farb'ge Lichter ſchweifen
Und von Blumen glaͤnzt die Flur,
Wo des Vaters Blick' ſie ſtreifen —
Da zerreißt die Angelſchnur.
Wie 'ne liebliche Syrene
Halb nun uͤber'm Wellenglanz,
Staunend ob der eig'nen Schoͤne,
Schwebt es mit dem Bluͤtenkranz,
Bei der Luͤfte lindem Faͤcheln
Sich im Meer, das roſig brennt,
Spiegelnd mit verſchaͤmtem Laͤcheln —
Erde ſie der Vater nennt.
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