Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der verirrte Jäger. "Ich hab' geseh'n ein Hirschlein schlank Im Waldesgrunde steh'n, Nun ist mir draußen weh' und bang, Muß ewig nach ihm geh'n. Frischauf, ihr Waldgesellen mein! In's Horn, in's Horn frischauf! Das lockt so hell, das lockt so fein, Aurora thut sich auf!" Das Hirschlein führt den Jägersmann In grüner Waldesnacht, Thalunter schwindelnd und bergan, Zu niegeseh'ner Pracht. "Wie rauscht schon abendlich der Wald, Die Brust mir schaurig schwellt! Die Freunde fern, der Wind so kalt, So tief und weit die Welt!" Es lockt so tief, es lockt so fein Durch's dunkelgrüne Haus, Der Jäger irrt und irrt allein, Find't nimmermehr heraus. -- Der verirrte Jaͤger. „Ich hab' geſeh'n ein Hirſchlein ſchlank Im Waldesgrunde ſteh'n, Nun iſt mir draußen weh' und bang, Muß ewig nach ihm geh'n. Friſchauf, ihr Waldgeſellen mein! In's Horn, in's Horn friſchauf! Das lockt ſo hell, das lockt ſo fein, Aurora thut ſich auf!“ Das Hirſchlein fuͤhrt den Jaͤgersmann In gruͤner Waldesnacht, Thalunter ſchwindelnd und bergan, Zu niegeſeh'ner Pracht. „Wie rauſcht ſchon abendlich der Wald, Die Bruſt mir ſchaurig ſchwellt! Die Freunde fern, der Wind ſo kalt, So tief und weit die Welt!“ Es lockt ſo tief, es lockt ſo fein Durch's dunkelgruͤne Haus, Der Jaͤger irrt und irrt allein, Find't nimmermehr heraus. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0470" n="452"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der verirrte Jaͤger.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>„<hi rendition="#in">I</hi>ch hab' geſeh'n ein Hirſchlein ſchlank</l><lb/> <l>Im Waldesgrunde ſteh'n,</l><lb/> <l>Nun iſt mir draußen weh' und bang,</l><lb/> <l>Muß ewig nach <hi rendition="#g">ihm</hi> geh'n.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Friſchauf, ihr Waldgeſellen mein!</l><lb/> <l>In's Horn, in's Horn friſchauf!</l><lb/> <l>Das lockt ſo hell, das lockt ſo fein,</l><lb/> <l>Aurora thut ſich auf!“</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Das Hirſchlein fuͤhrt den Jaͤgersmann</l><lb/> <l>In gruͤner Waldesnacht,</l><lb/> <l>Thalunter ſchwindelnd und bergan,</l><lb/> <l>Zu niegeſeh'ner Pracht.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>„Wie rauſcht ſchon abendlich der Wald,</l><lb/> <l>Die Bruſt mir ſchaurig ſchwellt!</l><lb/> <l>Die Freunde fern, der Wind ſo kalt,</l><lb/> <l>So tief und weit die Welt!“</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Es lockt ſo tief, es lockt ſo fein</l><lb/> <l>Durch's dunkelgruͤne Haus,</l><lb/> <l>Der Jaͤger irrt und irrt allein,</l><lb/> <l>Find't nimmermehr heraus. —</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [452/0470]
Der verirrte Jaͤger.
„Ich hab' geſeh'n ein Hirſchlein ſchlank
Im Waldesgrunde ſteh'n,
Nun iſt mir draußen weh' und bang,
Muß ewig nach ihm geh'n.
Friſchauf, ihr Waldgeſellen mein!
In's Horn, in's Horn friſchauf!
Das lockt ſo hell, das lockt ſo fein,
Aurora thut ſich auf!“
Das Hirſchlein fuͤhrt den Jaͤgersmann
In gruͤner Waldesnacht,
Thalunter ſchwindelnd und bergan,
Zu niegeſeh'ner Pracht.
„Wie rauſcht ſchon abendlich der Wald,
Die Bruſt mir ſchaurig ſchwellt!
Die Freunde fern, der Wind ſo kalt,
So tief und weit die Welt!“
Es lockt ſo tief, es lockt ſo fein
Durch's dunkelgruͤne Haus,
Der Jaͤger irrt und irrt allein,
Find't nimmermehr heraus. —
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