Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Unverbesserliche.
Ihr habt den Vogel gefangen,
Der war so frank und frei,
Nun ist ihm's Fliegen vergangen,
Der Sommer ist lange vorbei.
Es liegen wohl Federn neben
Und unter und über mir,
Sie können mich alle nicht heben
Aus diesem Meer von Papier.
Papier! wie hör' ich Dich schreien,
Da alles die Federn schwenkt
In langen emsigen Reihen --
So wird der Staat nun gelenkt.
Mein Fenster am Pulte steht offen,
Der Sonnenschein schweift über's Dach,
Da wird so uraltes Hoffen
Und Wünschen im Herzen wach.
Die lustigen Kameraden,
Lerchen, Quellen und Wald,
Sie rauschen schon wieder und laden:
Geselle, kommst du nicht bald?
Und wie ich durch die Gardinen
Hinaussah in keckem Muth,
Da hört' ich lachen im Grünen,
Ich kannte das Stimmlein recht gut.
Der Unverbeſſerliche.
Ihr habt den Vogel gefangen,
Der war ſo frank und frei,
Nun iſt ihm's Fliegen vergangen,
Der Sommer iſt lange vorbei.
Es liegen wohl Federn neben
Und unter und uͤber mir,
Sie koͤnnen mich alle nicht heben
Aus dieſem Meer von Papier.
Papier! wie hoͤr' ich Dich ſchreien,
Da alles die Federn ſchwenkt
In langen emſigen Reihen —
So wird der Staat nun gelenkt.
Mein Fenſter am Pulte ſteht offen,
Der Sonnenſchein ſchweift uͤber's Dach,
Da wird ſo uraltes Hoffen
Und Wuͤnſchen im Herzen wach.
Die luſtigen Kameraden,
Lerchen, Quellen und Wald,
Sie rauſchen ſchon wieder und laden:
Geſelle, kommſt du nicht bald?
Und wie ich durch die Gardinen
Hinausſah in keckem Muth,
Da hoͤrt' ich lachen im Gruͤnen,
Ich kannte das Stimmlein recht gut.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0096" n="78"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Unverbe&#x017F;&#x017F;erliche.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">I</hi>hr habt den Vogel gefangen,</l><lb/>
              <l>Der war &#x017F;o frank und frei,</l><lb/>
              <l>Nun i&#x017F;t ihm's Fliegen vergangen,</l><lb/>
              <l>Der Sommer i&#x017F;t lange vorbei.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Es liegen wohl Federn neben</l><lb/>
              <l>Und unter und u&#x0364;ber mir,</l><lb/>
              <l>Sie ko&#x0364;nnen mich alle nicht heben</l><lb/>
              <l>Aus die&#x017F;em Meer von Papier.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Papier! wie ho&#x0364;r' ich Dich &#x017F;chreien,</l><lb/>
              <l>Da alles die Federn &#x017F;chwenkt</l><lb/>
              <l>In langen em&#x017F;igen Reihen &#x2014;</l><lb/>
              <l>So wird der Staat nun gelenkt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Mein Fen&#x017F;ter am Pulte &#x017F;teht offen,</l><lb/>
              <l>Der Sonnen&#x017F;chein &#x017F;chweift u&#x0364;ber's Dach,</l><lb/>
              <l>Da wird &#x017F;o uraltes Hoffen</l><lb/>
              <l>Und Wu&#x0364;n&#x017F;chen im Herzen wach.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Die lu&#x017F;tigen Kameraden,</l><lb/>
              <l>Lerchen, Quellen und Wald,</l><lb/>
              <l>Sie rau&#x017F;chen &#x017F;chon wieder und laden:</l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;elle, komm&#x017F;t du nicht bald?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Und wie ich durch die Gardinen</l><lb/>
              <l>Hinaus&#x017F;ah in keckem Muth,</l><lb/>
              <l>Da ho&#x0364;rt' ich lachen im Gru&#x0364;nen,</l><lb/>
              <l>Ich kannte das Stimmlein recht gut.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0096] Der Unverbeſſerliche. Ihr habt den Vogel gefangen, Der war ſo frank und frei, Nun iſt ihm's Fliegen vergangen, Der Sommer iſt lange vorbei. Es liegen wohl Federn neben Und unter und uͤber mir, Sie koͤnnen mich alle nicht heben Aus dieſem Meer von Papier. Papier! wie hoͤr' ich Dich ſchreien, Da alles die Federn ſchwenkt In langen emſigen Reihen — So wird der Staat nun gelenkt. Mein Fenſter am Pulte ſteht offen, Der Sonnenſchein ſchweift uͤber's Dach, Da wird ſo uraltes Hoffen Und Wuͤnſchen im Herzen wach. Die luſtigen Kameraden, Lerchen, Quellen und Wald, Sie rauſchen ſchon wieder und laden: Geſelle, kommſt du nicht bald? Und wie ich durch die Gardinen Hinausſah in keckem Muth, Da hoͤrt' ich lachen im Gruͤnen, Ich kannte das Stimmlein recht gut.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/96
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/96>, abgerufen am 18.05.2024.