Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der Unverbesserliche. Ihr habt den Vogel gefangen, Der war so frank und frei, Nun ist ihm's Fliegen vergangen, Der Sommer ist lange vorbei. Es liegen wohl Federn neben Und unter und über mir, Sie können mich alle nicht heben Aus diesem Meer von Papier. Papier! wie hör' ich Dich schreien, Da alles die Federn schwenkt In langen emsigen Reihen -- So wird der Staat nun gelenkt. Mein Fenster am Pulte steht offen, Der Sonnenschein schweift über's Dach, Da wird so uraltes Hoffen Und Wünschen im Herzen wach. Die lustigen Kameraden, Lerchen, Quellen und Wald, Sie rauschen schon wieder und laden: Geselle, kommst du nicht bald? Und wie ich durch die Gardinen
Hinaussah in keckem Muth, Da hört' ich lachen im Grünen, Ich kannte das Stimmlein recht gut. Der Unverbeſſerliche. Ihr habt den Vogel gefangen, Der war ſo frank und frei, Nun iſt ihm's Fliegen vergangen, Der Sommer iſt lange vorbei. Es liegen wohl Federn neben Und unter und uͤber mir, Sie koͤnnen mich alle nicht heben Aus dieſem Meer von Papier. Papier! wie hoͤr' ich Dich ſchreien, Da alles die Federn ſchwenkt In langen emſigen Reihen — So wird der Staat nun gelenkt. Mein Fenſter am Pulte ſteht offen, Der Sonnenſchein ſchweift uͤber's Dach, Da wird ſo uraltes Hoffen Und Wuͤnſchen im Herzen wach. Die luſtigen Kameraden, Lerchen, Quellen und Wald, Sie rauſchen ſchon wieder und laden: Geſelle, kommſt du nicht bald? Und wie ich durch die Gardinen
Hinausſah in keckem Muth, Da hoͤrt' ich lachen im Gruͤnen, Ich kannte das Stimmlein recht gut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0096" n="78"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Unverbeſſerliche.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>hr habt den Vogel gefangen,</l><lb/> <l>Der war ſo frank und frei,</l><lb/> <l>Nun iſt ihm's Fliegen vergangen,</l><lb/> <l>Der Sommer iſt lange vorbei.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Es liegen wohl Federn neben</l><lb/> <l>Und unter und uͤber mir,</l><lb/> <l>Sie koͤnnen mich alle nicht heben</l><lb/> <l>Aus dieſem Meer von Papier.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Papier! wie hoͤr' ich Dich ſchreien,</l><lb/> <l>Da alles die Federn ſchwenkt</l><lb/> <l>In langen emſigen Reihen —</l><lb/> <l>So wird der Staat nun gelenkt.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Mein Fenſter am Pulte ſteht offen,</l><lb/> <l>Der Sonnenſchein ſchweift uͤber's Dach,</l><lb/> <l>Da wird ſo uraltes Hoffen</l><lb/> <l>Und Wuͤnſchen im Herzen wach.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Die luſtigen Kameraden,</l><lb/> <l>Lerchen, Quellen und Wald,</l><lb/> <l>Sie rauſchen ſchon wieder und laden:</l><lb/> <l>Geſelle, kommſt du nicht bald?</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Und wie ich durch die Gardinen</l><lb/> <l>Hinausſah in keckem Muth,</l><lb/> <l>Da hoͤrt' ich lachen im Gruͤnen,</l><lb/> <l>Ich kannte das Stimmlein recht gut.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0096]
Der Unverbeſſerliche.
Ihr habt den Vogel gefangen,
Der war ſo frank und frei,
Nun iſt ihm's Fliegen vergangen,
Der Sommer iſt lange vorbei.
Es liegen wohl Federn neben
Und unter und uͤber mir,
Sie koͤnnen mich alle nicht heben
Aus dieſem Meer von Papier.
Papier! wie hoͤr' ich Dich ſchreien,
Da alles die Federn ſchwenkt
In langen emſigen Reihen —
So wird der Staat nun gelenkt.
Mein Fenſter am Pulte ſteht offen,
Der Sonnenſchein ſchweift uͤber's Dach,
Da wird ſo uraltes Hoffen
Und Wuͤnſchen im Herzen wach.
Die luſtigen Kameraden,
Lerchen, Quellen und Wald,
Sie rauſchen ſchon wieder und laden:
Geſelle, kommſt du nicht bald?
Und wie ich durch die Gardinen
Hinausſah in keckem Muth,
Da hoͤrt' ich lachen im Gruͤnen,
Ich kannte das Stimmlein recht gut.
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