Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.schliffenen Gläsern funkelte von dem blendendweißen Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur stehe hier alleine, Denn was früge wohl die Eine: Wen der Fremdling eben meine? Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle, Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle. ſchliffenen Glaͤſern funkelte von dem blendendweißen Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur ſtehe hier alleine, Denn was fruͤge wohl die Eine: Wen der Fremdling eben meine? Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle, Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0154" n="144"/> ſchliffenen Glaͤſern funkelte von dem blendendweißen<lb/> Gedeck, in ſilbernen Gefaͤßen dufteten große Blumen¬<lb/> ſtraͤuße, zwiſchen denen die huͤbſchen Maͤdchengeſichter<lb/> anmuthig hervorſahen; draußen ſpielten die letzten<lb/> Abendlichter golden auf dem Raſen und dem Fluſſe,<lb/> der ſpiegelglatt vor dem Zelte dahin glitt. Florio<lb/> hatte ſich faſt unwillkuͤhrlich zu der niedlichen Ball¬<lb/> ſpielerin geſellt. Sie erkannte ihn ſogleich wieder und<lb/> ſaß ſtill und ſchuͤchtern da, aber die langen furchtſamen<lb/> Augenwimper huͤteten nur ſchlecht die tiefen dunkel¬<lb/> gluͤhenden Blicke.</p><lb/> <p>Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde<lb/> ſeinem Liebchen mit einem kleinen improviſirten Lied¬<lb/> chen zutrinken ſolle. Der leichte Geſang, der nur gau¬<lb/> kelnd wie ein Fruͤhlingswind die Oberflaͤche des Lebens<lb/> beruͤhrte, ohne es in ſich ſelbſt zu verſenken, bewegte froͤh¬<lb/> lich den Kranz heiterer Bilder um die Tafel. Florio war<lb/> recht innerlichſt vergnuͤgt, alle bloͤde Bangigkeit war von<lb/> ſeiner Seele genommen, und er ſah faſt traͤumeriſch ſtill<lb/> vor froͤhlichen Gedanken zwiſchen den Lichtern und Blu¬<lb/> men in die wunderſchoͤne, langſam in die Abendgluthen<lb/> verſinkende Landſchaft vor ſich hinaus. Und als nun<lb/> auch an ihn die Reihe kam, ſeinen Trinkſpruch zu ſa¬<lb/> gen, hob er ſein Glas in die Hoͤh' und ſang:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Jeder nennet froh die Seine,</l><lb/> <l>Ich nur ſtehe hier alleine,</l><lb/> <l>Denn was fruͤge wohl die Eine:</l><lb/> <l>Wen der Fremdling eben meine?</l><lb/> <l>Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle,</l><lb/> <l>Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle.</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [144/0154]
ſchliffenen Glaͤſern funkelte von dem blendendweißen
Gedeck, in ſilbernen Gefaͤßen dufteten große Blumen¬
ſtraͤuße, zwiſchen denen die huͤbſchen Maͤdchengeſichter
anmuthig hervorſahen; draußen ſpielten die letzten
Abendlichter golden auf dem Raſen und dem Fluſſe,
der ſpiegelglatt vor dem Zelte dahin glitt. Florio
hatte ſich faſt unwillkuͤhrlich zu der niedlichen Ball¬
ſpielerin geſellt. Sie erkannte ihn ſogleich wieder und
ſaß ſtill und ſchuͤchtern da, aber die langen furchtſamen
Augenwimper huͤteten nur ſchlecht die tiefen dunkel¬
gluͤhenden Blicke.
Es war ausgemacht worden, daß jeder in die Runde
ſeinem Liebchen mit einem kleinen improviſirten Lied¬
chen zutrinken ſolle. Der leichte Geſang, der nur gau¬
kelnd wie ein Fruͤhlingswind die Oberflaͤche des Lebens
beruͤhrte, ohne es in ſich ſelbſt zu verſenken, bewegte froͤh¬
lich den Kranz heiterer Bilder um die Tafel. Florio war
recht innerlichſt vergnuͤgt, alle bloͤde Bangigkeit war von
ſeiner Seele genommen, und er ſah faſt traͤumeriſch ſtill
vor froͤhlichen Gedanken zwiſchen den Lichtern und Blu¬
men in die wunderſchoͤne, langſam in die Abendgluthen
verſinkende Landſchaft vor ſich hinaus. Und als nun
auch an ihn die Reihe kam, ſeinen Trinkſpruch zu ſa¬
gen, hob er ſein Glas in die Hoͤh' und ſang:
Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur ſtehe hier alleine,
Denn was fruͤge wohl die Eine:
Wen der Fremdling eben meine?
Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle,
Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeIm Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |