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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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deß die losen Wellen, schmeichlerisch neckend, den Ge¬
dankenvollen und tauschten ihm unmerklich die Gedan¬
ken aus. Wohl kommt die Tanzmusik, wenn sie auch
nicht unser Innerstes erschüttert und umkehrt, recht
wie ein Frühling leise und gewaltig über uns, die
Töne tasten zauberisch wie die ersten Sommerblicke nach
der Tiefe und wecken alle die Lieder, die unten gebun¬
den schliefen, und Quellen und Blumen und uralte
Erinnerungen und das ganze eingefrorne, schwere, sto¬
ckende Leben wird ein leichter klarer Strom, auf dem
das Herz mit rauschenden Wimpeln den lange aufge¬
gebenen Wünschen fröhlich wieder zufährt. So hatte
die allgemeine Lust auch Florio'n gar bald angesteckt,
ihm war recht leicht zu Muthe, als müßten sich alle
Räthsel, die so schwül auf ihm lasteten, lösen.

Neugierig suchte er nun die niedliche Griechin
wieder auf. Er fand sie in einem lebhaften Gespräch
mit andern Masken, aber er bemerkte wohl, daß auch
ihre Augen mitten im Gespräch suchend abseits schweif¬
ten und ihn schon von Ferne wahrgenommen hatten.
Er forderte sie zum Tanze. Sie verneigte sich freund¬
lich, aber ihre bewegliche Lebhaftigkeit schien wie ge¬
brochen, als er ihre Hand berührte und festhielt. Sie
folgte ihm still und mit gesenktem Köpfchen, man
wußte nicht, ob schelmisch, oder traurig. Die Musik
begann, und er konnte keinen Blick verwenden von der
reitzenden Gauklerin, die ihn gleich den Zaubergestal¬
ten auf den alten fabelhaften Schildereien umschwebte.
"Du kennst mich," flüsterte sie kaum hörbar ihm zu,

deß die loſen Wellen, ſchmeichleriſch neckend, den Ge¬
dankenvollen und tauſchten ihm unmerklich die Gedan¬
ken aus. Wohl kommt die Tanzmuſik, wenn ſie auch
nicht unſer Innerſtes erſchuͤttert und umkehrt, recht
wie ein Fruͤhling leiſe und gewaltig uͤber uns, die
Toͤne taſten zauberiſch wie die erſten Sommerblicke nach
der Tiefe und wecken alle die Lieder, die unten gebun¬
den ſchliefen, und Quellen und Blumen und uralte
Erinnerungen und das ganze eingefrorne, ſchwere, ſto¬
ckende Leben wird ein leichter klarer Strom, auf dem
das Herz mit rauſchenden Wimpeln den lange aufge¬
gebenen Wuͤnſchen froͤhlich wieder zufaͤhrt. So hatte
die allgemeine Luſt auch Florio'n gar bald angeſteckt,
ihm war recht leicht zu Muthe, als muͤßten ſich alle
Raͤthſel, die ſo ſchwuͤl auf ihm laſteten, loͤſen.

Neugierig ſuchte er nun die niedliche Griechin
wieder auf. Er fand ſie in einem lebhaften Geſpraͤch
mit andern Masken, aber er bemerkte wohl, daß auch
ihre Augen mitten im Geſpraͤch ſuchend abſeits ſchweif¬
ten und ihn ſchon von Ferne wahrgenommen hatten.
Er forderte ſie zum Tanze. Sie verneigte ſich freund¬
lich, aber ihre bewegliche Lebhaftigkeit ſchien wie ge¬
brochen, als er ihre Hand beruͤhrte und feſthielt. Sie
folgte ihm ſtill und mit geſenktem Koͤpfchen, man
wußte nicht, ob ſchelmiſch, oder traurig. Die Muſik
begann, und er konnte keinen Blick verwenden von der
reitzenden Gauklerin, die ihn gleich den Zaubergeſtal¬
ten auf den alten fabelhaften Schildereien umſchwebte.
„Du kennſt mich,“ fluͤſterte ſie kaum hoͤrbar ihm zu,

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[170/0180] deß die loſen Wellen, ſchmeichleriſch neckend, den Ge¬ dankenvollen und tauſchten ihm unmerklich die Gedan¬ ken aus. Wohl kommt die Tanzmuſik, wenn ſie auch nicht unſer Innerſtes erſchuͤttert und umkehrt, recht wie ein Fruͤhling leiſe und gewaltig uͤber uns, die Toͤne taſten zauberiſch wie die erſten Sommerblicke nach der Tiefe und wecken alle die Lieder, die unten gebun¬ den ſchliefen, und Quellen und Blumen und uralte Erinnerungen und das ganze eingefrorne, ſchwere, ſto¬ ckende Leben wird ein leichter klarer Strom, auf dem das Herz mit rauſchenden Wimpeln den lange aufge¬ gebenen Wuͤnſchen froͤhlich wieder zufaͤhrt. So hatte die allgemeine Luſt auch Florio'n gar bald angeſteckt, ihm war recht leicht zu Muthe, als muͤßten ſich alle Raͤthſel, die ſo ſchwuͤl auf ihm laſteten, loͤſen. Neugierig ſuchte er nun die niedliche Griechin wieder auf. Er fand ſie in einem lebhaften Geſpraͤch mit andern Masken, aber er bemerkte wohl, daß auch ihre Augen mitten im Geſpraͤch ſuchend abſeits ſchweif¬ ten und ihn ſchon von Ferne wahrgenommen hatten. Er forderte ſie zum Tanze. Sie verneigte ſich freund¬ lich, aber ihre bewegliche Lebhaftigkeit ſchien wie ge¬ brochen, als er ihre Hand beruͤhrte und feſthielt. Sie folgte ihm ſtill und mit geſenktem Koͤpfchen, man wußte nicht, ob ſchelmiſch, oder traurig. Die Muſik begann, und er konnte keinen Blick verwenden von der reitzenden Gauklerin, die ihn gleich den Zaubergeſtal¬ ten auf den alten fabelhaften Schildereien umſchwebte. „Du kennſt mich,“ fluͤſterte ſie kaum hoͤrbar ihm zu,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/180>, abgerufen am 23.11.2024.