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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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Ueber die beglänzten Gipfel
Fernder kommt es wie ein Grüßen,
Flüsternd neigen sich die Wipfel
Als ob sie sich wollten küssen.
Ist er doch so schön und milde!
Stimmen gehen durch die Nacht,
Singen heimlich von dem Bilde --
Ach, ich bin so froh verwacht!
Plaudert nicht so laut, ihr Quellen!
Wissen darf es nicht der Morgen!
In der Mondnacht linde Wellen,
Senk' ich stille Glück und Sorgen. --

Florio folgte dem Gesange und kam auf einen
offnen runden Rasenplatz, in dessen Mitte ein Spring¬
brunnen lustig mit den Funken des Mondlichts spielte.
Die Griechin saß, wie eine schöne Najade, auf dem
steinernen Becken. Sie hatte die Larve abgenommen
und spielte gedankenvoll mit einer Rose in dem schim¬
mernden Wasserspiegel. Schmeichlerisch schweifte der
Mondschein über den blendendweißen Nacken auf und
nieder, ihr Gesicht konnte er nicht sehen, denn sie hatte
ihm den Rücken zugekehrt. -- Als sie die Zweige hin¬
ter sich rauschen hörte, sprang das schöne Bildchen
rasch auf, steckte die Larve vor und floh, schnell wie ein
aufgescheuchtes Reh, wieder zur Gesellschaft zurück.

Florio mischte sich nun auch wieder in die bunten
Reihen der Spaziergehenden. Manch zierliches Liebes¬
wort schallte da leise durch die laue Luft, der Mond¬
schein hatte mit seinen unsichtbaren Fäden alle die Bil¬

Ueber die beglänzten Gipfel
Fernder kommt es wie ein Grüßen,
Flüſternd neigen ſich die Wipfel
Als ob ſie ſich wollten küſſen.
Iſt er doch ſo ſchoͤn und milde!
Stimmen gehen durch die Nacht,
Singen heimlich von dem Bilde —
Ach, ich bin ſo froh verwacht!
Plaudert nicht ſo laut, ihr Quellen!
Wiſſen darf es nicht der Morgen!
In der Mondnacht linde Wellen,
Senk' ich ſtille Gluͤck und Sorgen. —

Florio folgte dem Geſange und kam auf einen
offnen runden Raſenplatz, in deſſen Mitte ein Spring¬
brunnen luſtig mit den Funken des Mondlichts ſpielte.
Die Griechin ſaß, wie eine ſchoͤne Najade, auf dem
ſteinernen Becken. Sie hatte die Larve abgenommen
und ſpielte gedankenvoll mit einer Roſe in dem ſchim¬
mernden Waſſerſpiegel. Schmeichleriſch ſchweifte der
Mondſchein uͤber den blendendweißen Nacken auf und
nieder, ihr Geſicht konnte er nicht ſehen, denn ſie hatte
ihm den Ruͤcken zugekehrt. — Als ſie die Zweige hin¬
ter ſich rauſchen hoͤrte, ſprang das ſchoͤne Bildchen
raſch auf, ſteckte die Larve vor und floh, ſchnell wie ein
aufgeſcheuchtes Reh, wieder zur Geſellſchaft zuruͤck.

Florio miſchte ſich nun auch wieder in die bunten
Reihen der Spaziergehenden. Manch zierliches Liebes¬
wort ſchallte da leiſe durch die laue Luft, der Mond¬
ſchein hatte mit ſeinen unſichtbaren Faͤden alle die Bil¬

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[172/0182] Ueber die beglänzten Gipfel Fernder kommt es wie ein Grüßen, Flüſternd neigen ſich die Wipfel Als ob ſie ſich wollten küſſen. Iſt er doch ſo ſchoͤn und milde! Stimmen gehen durch die Nacht, Singen heimlich von dem Bilde — Ach, ich bin ſo froh verwacht! Plaudert nicht ſo laut, ihr Quellen! Wiſſen darf es nicht der Morgen! In der Mondnacht linde Wellen, Senk' ich ſtille Gluͤck und Sorgen. — Florio folgte dem Geſange und kam auf einen offnen runden Raſenplatz, in deſſen Mitte ein Spring¬ brunnen luſtig mit den Funken des Mondlichts ſpielte. Die Griechin ſaß, wie eine ſchoͤne Najade, auf dem ſteinernen Becken. Sie hatte die Larve abgenommen und ſpielte gedankenvoll mit einer Roſe in dem ſchim¬ mernden Waſſerſpiegel. Schmeichleriſch ſchweifte der Mondſchein uͤber den blendendweißen Nacken auf und nieder, ihr Geſicht konnte er nicht ſehen, denn ſie hatte ihm den Ruͤcken zugekehrt. — Als ſie die Zweige hin¬ ter ſich rauſchen hoͤrte, ſprang das ſchoͤne Bildchen raſch auf, ſteckte die Larve vor und floh, ſchnell wie ein aufgeſcheuchtes Reh, wieder zur Geſellſchaft zuruͤck. Florio miſchte ſich nun auch wieder in die bunten Reihen der Spaziergehenden. Manch zierliches Liebes¬ wort ſchallte da leiſe durch die laue Luft, der Mond¬ ſchein hatte mit ſeinen unſichtbaren Faͤden alle die Bil¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/182>, abgerufen am 23.11.2024.