Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Erwartung. O schöne bunte Vögel Wie singt ihr gar so hell! O Wolken, luft'ge Seegel, Wohin so schnell, so schnell? Ihr alle, ach, gemeinsam Flieg't zu der Liebsten hin, Sag't Ihr, wie ich hier einsam Und voller Sorgen bin. Im Walde steh' und laur' ich, Verhallt ist jeder Laut, Die Wipfel nur weh'n schaurig, O komm, Du süße Braut! Schon sinkt die dunkelfeuchte Nacht rings auf Wald und Feld, Des Mondes hohe Leuchte Tritt in die stille Welt. Wie schauert nun im Grunde Der tiefsten Seele mich! Wie öde ist die Runde Und einsam ohne Dich! Was rauscht? -- Sie naht von ferne! -- Nun, Wald, rausch' von den Höh'n, Nun laß' Mond, Nacht und Sterne Nur auf und untergehn! Erwartung. O ſchoͤne bunte Voͤgel Wie ſingt ihr gar ſo hell! O Wolken, luft'ge Seegel, Wohin ſo ſchnell, ſo ſchnell? Ihr alle, ach, gemeinſam Flieg't zu der Liebſten hin, Sag't Ihr, wie ich hier einſam Und voller Sorgen bin. Im Walde ſteh' und laur' ich, Verhallt iſt jeder Laut, Die Wipfel nur weh'n ſchaurig, O komm, Du ſuͤße Braut! Schon ſinkt die dunkelfeuchte Nacht rings auf Wald und Feld, Des Mondes hohe Leuchte Tritt in die ſtille Welt. Wie ſchauert nun im Grunde Der tiefſten Seele mich! Wie oͤde iſt die Runde Und einſam ohne Dich! Was rauſcht? — Sie naht von ferne! — Nun, Wald, rauſch' von den Hoͤh'n, Nun laß' Mond, Nacht und Sterne Nur auf und untergehn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="3"> <pb facs="#f0229" n="219"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Erwartung</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">O</hi> ſchoͤne bunte Voͤgel</l><lb/> <l>Wie ſingt ihr gar ſo hell!</l><lb/> <l>O Wolken, luft'ge Seegel,</l><lb/> <l>Wohin ſo ſchnell, ſo ſchnell?</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ihr alle, ach, gemeinſam</l><lb/> <l>Flieg't zu der Liebſten hin,</l><lb/> <l>Sag't Ihr, wie ich hier einſam</l><lb/> <l>Und voller Sorgen bin.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Im Walde ſteh' und laur' ich,</l><lb/> <l>Verhallt iſt jeder Laut,</l><lb/> <l>Die Wipfel nur weh'n ſchaurig,</l><lb/> <l>O komm, Du ſuͤße Braut!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Schon ſinkt die dunkelfeuchte</l><lb/> <l>Nacht rings auf Wald und Feld,</l><lb/> <l>Des Mondes hohe Leuchte</l><lb/> <l>Tritt in die ſtille Welt.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Wie ſchauert nun im Grunde</l><lb/> <l>Der tiefſten Seele mich!</l><lb/> <l>Wie oͤde iſt die Runde</l><lb/> <l>Und einſam ohne Dich!</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Was rauſcht? — <hi rendition="#g">Sie</hi> naht von ferne! —</l><lb/> <l>Nun, Wald, rauſch' von den Hoͤh'n,</l><lb/> <l>Nun laß' Mond, Nacht und Sterne</l><lb/> <l>Nur auf und untergehn!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0229]
Erwartung.
O ſchoͤne bunte Voͤgel
Wie ſingt ihr gar ſo hell!
O Wolken, luft'ge Seegel,
Wohin ſo ſchnell, ſo ſchnell?
Ihr alle, ach, gemeinſam
Flieg't zu der Liebſten hin,
Sag't Ihr, wie ich hier einſam
Und voller Sorgen bin.
Im Walde ſteh' und laur' ich,
Verhallt iſt jeder Laut,
Die Wipfel nur weh'n ſchaurig,
O komm, Du ſuͤße Braut!
Schon ſinkt die dunkelfeuchte
Nacht rings auf Wald und Feld,
Des Mondes hohe Leuchte
Tritt in die ſtille Welt.
Wie ſchauert nun im Grunde
Der tiefſten Seele mich!
Wie oͤde iſt die Runde
Und einſam ohne Dich!
Was rauſcht? — Sie naht von ferne! —
Nun, Wald, rauſch' von den Hoͤh'n,
Nun laß' Mond, Nacht und Sterne
Nur auf und untergehn!
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