Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Nachtbilder. I. Ich wandre durch die stille Nacht, Da schleicht der Mond so heimlich sacht Oft aus der dunklen Wolkenhülle, Und hin und her im Thal Erwacht die Nachtigall, Dann wieder alles grau und stille. O wunderbarer Nachtgesang: Von fern im Land der Ströme Gang, Leis Schauern in den dunklen Bäumen -- Wirr'st die Gedanken mir, Mein irres Singen hier Ist wie ein Rufen nur aus Träumen. II. Er reitet Nachts auf einem braunen Roß, Er reitet vorüber an manchem Schloß: Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erscheint, Die finstre Nacht ist des Menschen Feind! Er reitet vorüber an einem Teich, Da stehet ein schönes Mädchen bleich Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind, Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind! Er reitet vorüber an einem Fluß,
Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß, Taucht wieder unter dann mit Gesaus, Und stille wird's über dem kühlen Haus. Nachtbilder. I. Ich wandre durch die ſtille Nacht, Da ſchleicht der Mond ſo heimlich ſacht Oft aus der dunklen Wolkenhuͤlle, Und hin und her im Thal Erwacht die Nachtigall‚ Dann wieder alles grau und ſtille. O wunderbarer Nachtgeſang: Von fern im Land der Stroͤme Gang, Leis Schauern in den dunklen Baͤumen — Wirr'ſt die Gedanken mir, Mein irres Singen hier Iſt wie ein Rufen nur aus Traͤumen. II. Er reitet Nachts auf einem braunen Roß, Er reitet voruͤber an manchem Schloß: Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erſcheint, Die finſtre Nacht iſt des Menſchen Feind! Er reitet voruͤber an einem Teich, Da ſtehet ein ſchoͤnes Maͤdchen bleich Und ſingt, ihr Hemdlein flattert im Wind, Voruͤber, voruͤber, mir graut vor dem Kind! Er reitet voruͤber an einem Fluß,
Da ruft ihm der Waſſermann ſeinen Gruß, Taucht wieder unter dann mit Geſaus, Und ſtille wird's uͤber dem kuͤhlen Haus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0262" n="252"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Nachtbilder</hi>.<lb/></head> <div n="4"> <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ch wandre durch die ſtille Nacht,</l><lb/> <l>Da ſchleicht der Mond ſo heimlich ſacht</l><lb/> <l>Oft aus der dunklen Wolkenhuͤlle,</l><lb/> <l>Und hin und her im Thal</l><lb/> <l>Erwacht die Nachtigall‚</l><lb/> <l>Dann wieder alles grau und ſtille.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>O wunderbarer Nachtgeſang:</l><lb/> <l>Von fern im Land der Stroͤme Gang,</l><lb/> <l>Leis Schauern in den dunklen Baͤumen —</l><lb/> <l>Wirr'ſt die Gedanken mir,</l><lb/> <l>Mein irres Singen hier</l><lb/> <l>Iſt wie ein Rufen nur aus Traͤumen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> <div n="4"> <head><hi rendition="#aq">II</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,</l><lb/> <l>Er reitet voruͤber an manchem Schloß:</l><lb/> <l>Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erſcheint,</l><lb/> <l>Die finſtre Nacht iſt des Menſchen Feind!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Er reitet voruͤber an einem Teich,</l><lb/> <l>Da ſtehet ein ſchoͤnes Maͤdchen bleich</l><lb/> <l>Und ſingt, ihr Hemdlein flattert im Wind,</l><lb/> <l>Voruͤber, voruͤber, mir graut vor dem Kind!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Er reitet voruͤber an einem Fluß,</l><lb/> <l>Da ruft ihm der Waſſermann ſeinen Gruß,</l><lb/> <l>Taucht wieder unter dann mit Geſaus,</l><lb/> <l>Und ſtille wird's uͤber dem kuͤhlen Haus.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0262]
Nachtbilder.
I.
Ich wandre durch die ſtille Nacht,
Da ſchleicht der Mond ſo heimlich ſacht
Oft aus der dunklen Wolkenhuͤlle,
Und hin und her im Thal
Erwacht die Nachtigall‚
Dann wieder alles grau und ſtille.
O wunderbarer Nachtgeſang:
Von fern im Land der Stroͤme Gang,
Leis Schauern in den dunklen Baͤumen —
Wirr'ſt die Gedanken mir,
Mein irres Singen hier
Iſt wie ein Rufen nur aus Traͤumen.
II.
Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,
Er reitet voruͤber an manchem Schloß:
Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erſcheint,
Die finſtre Nacht iſt des Menſchen Feind!
Er reitet voruͤber an einem Teich,
Da ſtehet ein ſchoͤnes Maͤdchen bleich
Und ſingt, ihr Hemdlein flattert im Wind,
Voruͤber, voruͤber, mir graut vor dem Kind!
Er reitet voruͤber an einem Fluß,
Da ruft ihm der Waſſermann ſeinen Gruß,
Taucht wieder unter dann mit Geſaus,
Und ſtille wird's uͤber dem kuͤhlen Haus.
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