Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Und die Wellen buhlend klingen, Ringend in geheimer Lust Kommt das wunderbare Singen An die süß verträumte Brust. "Warum weckst Du das Verlangen, Das ich kaum zur Ruh gebracht? Siehst Du hoch die Lilien prangen? Böser Sänger, gute Nacht! Sieh', die Blumen steh'n voll Thränen, Einsam die Viole wacht, Als wollt' sie sich schmachtend dehnen In die warme Sommernacht. Wohl von süßem rothen Munde Kommt so holden Sanges Macht -- Bleibst Du ewig dort im Grunde, Unerkannt in stiller Nacht? Ach, im Wind' verfliegt mein Grüßen! Einmal, eh' der Tag erwacht, Möcht' ich Deinen Mund nur küssen, Sterbend so in süßer Nacht! Nachtigall, verliebte, klage
Nicht so schmeichelnd durch die Nacht! -- Ach! ich weiß nicht was ich sage, Krank bin ich und überwacht." Und die Wellen buhlend klingen, Ringend in geheimer Luſt Kommt das wunderbare Singen An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt. „Warum weckſt Du das Verlangen, Das ich kaum zur Ruh gebracht? Siehſt Du hoch die Lilien prangen? Boͤſer Saͤnger, gute Nacht! Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen, Einſam die Viole wacht, Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen In die warme Sommernacht. Wohl von ſuͤßem rothen Munde Kommt ſo holden Sanges Macht — Bleibſt Du ewig dort im Grunde, Unerkannt in ſtiller Nacht? Ach, im Wind' verfliegt mein Gruͤßen! Einmal, eh' der Tag erwacht, Moͤcht' ich Deinen Mund nur kuͤſſen, Sterbend ſo in ſuͤßer Nacht! Nachtigall, verliebte, klage
Nicht ſo ſchmeichelnd durch die Nacht! — Ach! ich weiß nicht was ich ſage, Krank bin ich und uͤberwacht.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0278" n="268"/> <lg n="4"> <l>Und die Wellen buhlend klingen,</l><lb/> <l>Ringend in geheimer Luſt</l><lb/> <l>Kommt das wunderbare Singen</l><lb/> <l>An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>„Warum weckſt Du das Verlangen,</l><lb/> <l>Das ich kaum zur Ruh gebracht?</l><lb/> <l>Siehſt Du hoch die Lilien prangen?</l><lb/> <l>Boͤſer Saͤnger, gute Nacht!</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen,</l><lb/> <l>Einſam die Viole wacht,</l><lb/> <l>Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen</l><lb/> <l>In die warme Sommernacht.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Wohl von ſuͤßem rothen Munde</l><lb/> <l>Kommt ſo holden Sanges Macht —</l><lb/> <l>Bleibſt Du ewig dort im Grunde,</l><lb/> <l>Unerkannt in ſtiller Nacht?</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Ach, im Wind' verfliegt mein Gruͤßen!</l><lb/> <l>Einmal, eh' der Tag erwacht,</l><lb/> <l>Moͤcht' ich Deinen Mund nur kuͤſſen,</l><lb/> <l>Sterbend ſo in ſuͤßer Nacht!</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Nachtigall, verliebte, klage</l><lb/> <l>Nicht ſo ſchmeichelnd durch die Nacht! —</l><lb/> <l>Ach! ich weiß nicht was ich ſage,</l><lb/> <l>Krank bin ich und uͤberwacht.“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0278]
Und die Wellen buhlend klingen,
Ringend in geheimer Luſt
Kommt das wunderbare Singen
An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt.
„Warum weckſt Du das Verlangen,
Das ich kaum zur Ruh gebracht?
Siehſt Du hoch die Lilien prangen?
Boͤſer Saͤnger, gute Nacht!
Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen,
Einſam die Viole wacht,
Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen
In die warme Sommernacht.
Wohl von ſuͤßem rothen Munde
Kommt ſo holden Sanges Macht —
Bleibſt Du ewig dort im Grunde,
Unerkannt in ſtiller Nacht?
Ach, im Wind' verfliegt mein Gruͤßen!
Einmal, eh' der Tag erwacht,
Moͤcht' ich Deinen Mund nur kuͤſſen,
Sterbend ſo in ſuͤßer Nacht!
Nachtigall, verliebte, klage
Nicht ſo ſchmeichelnd durch die Nacht! —
Ach! ich weiß nicht was ich ſage,
Krank bin ich und uͤberwacht.“
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