Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Dör¬
fern aber ringsumher krähten die Hähne so frisch über
die leisewogenden Kornfelder herüber, und zwischen den
Morgenstreifen hoch am Himmel schweiften schon ein¬
zelne zu früh erwachte Lerchen, und der Postillon nahm
dann sein Posthorn und fuhr weiter und blies und
blies -- da stand ich lange und sah dem Wagen nach,
und es war mir nicht anders, als müßt' ich nur so¬
gleich mit fort, weit, weit in die Welt. --

Meine Blumensträuße legte ich indeß immer noch,
sobald die Sonne unterging, auf den steinernen Tisch
in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit
war es nun aus seit jenem Abend. -- Kein Mensch
kümmerte sich darum: so oft ich des Morgens frühzei¬
tig nachsah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬
stern, und sahen mich mit ihren verwelkten niederhän¬
genden Köpfchen und darauf stehenden Thautropfen
ordentlich betrübt an, als ob sie weinten. -- Das ver¬
droß mich sehr. Ich band gar keinen Strauß mehr.
In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut
treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig
stehn und wachsen bis der Wind die Blätter ver¬
wehte. War mir's doch eben so wild und bunt und
verstört im Herzen.

In diesen kritischen Zeitläuften geschah es denn,
daß einmal, als ich eben zu Hause im Fenster liege
und verdrüßlich in die leere Luft hinaus sehe, die
Kammerjungfer vom Schlosse über die Straße daher
getrippelt kommt. Sie lenkte, da sie mich erblickte,

bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Doͤr¬
fern aber ringsumher kraͤhten die Haͤhne ſo friſch uͤber
die leiſewogenden Kornfelder heruͤber, und zwiſchen den
Morgenſtreifen hoch am Himmel ſchweiften ſchon ein¬
zelne zu fruͤh erwachte Lerchen, und der Poſtillon nahm
dann ſein Poſthorn und fuhr weiter und blies und
blies — da ſtand ich lange und ſah dem Wagen nach,
und es war mir nicht anders, als muͤßt' ich nur ſo¬
gleich mit fort, weit, weit in die Welt. —

Meine Blumenſtraͤuße legte ich indeß immer noch,
ſobald die Sonne unterging, auf den ſteinernen Tiſch
in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit
war es nun aus ſeit jenem Abend. — Kein Menſch
kuͤmmerte ſich darum: ſo oft ich des Morgens fruͤhzei¬
tig nachſah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬
ſtern, und ſahen mich mit ihren verwelkten niederhaͤn¬
genden Koͤpfchen und darauf ſtehenden Thautropfen
ordentlich betruͤbt an, als ob ſie weinten. — Das ver¬
droß mich ſehr. Ich band gar keinen Strauß mehr.
In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut
treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig
ſtehn und wachſen bis der Wind die Blaͤtter ver¬
wehte. War mir's doch eben ſo wild und bunt und
verſtoͤrt im Herzen.

In dieſen kritiſchen Zeitlaͤuften geſchah es denn,
daß einmal, als ich eben zu Hauſe im Fenſter liege
und verdruͤßlich in die leere Luft hinaus ſehe, die
Kammerjungfer vom Schloſſe uͤber die Straße daher
getrippelt kommt. Sie lenkte, da ſie mich erblickte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="23"/>
bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Do&#x0364;<lb/>
fern aber ringsumher kra&#x0364;hten die Ha&#x0364;hne &#x017F;o fri&#x017F;ch u&#x0364;ber<lb/>
die lei&#x017F;ewogenden Kornfelder heru&#x0364;ber, und zwi&#x017F;chen den<lb/>
Morgen&#x017F;treifen hoch am Himmel &#x017F;chweiften &#x017F;chon ein¬<lb/>
zelne zu fru&#x0364;h erwachte Lerchen, und der Po&#x017F;tillon nahm<lb/>
dann &#x017F;ein Po&#x017F;thorn und fuhr weiter und blies und<lb/>
blies &#x2014; da &#x017F;tand ich lange und &#x017F;ah dem Wagen nach,<lb/>
und es war mir nicht anders, als mu&#x0364;ßt' ich nur &#x017F;<lb/>
gleich mit fort, weit, weit in die Welt. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Meine Blumen&#x017F;tra&#x0364;uße legte ich indeß immer noch,<lb/>
&#x017F;obald die Sonne unterging, auf den &#x017F;teinernen Ti&#x017F;ch<lb/>
in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit<lb/>
war es nun aus &#x017F;eit jenem Abend. &#x2014; Kein Men&#x017F;ch<lb/>
ku&#x0364;mmerte &#x017F;ich darum: &#x017F;o oft ich des Morgens fru&#x0364;hzei¬<lb/>
tig nach&#x017F;ah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬<lb/>
&#x017F;tern, und &#x017F;ahen mich mit ihren verwelkten niederha&#x0364;<lb/>
genden Ko&#x0364;pfchen und darauf &#x017F;tehenden Thautropfen<lb/>
ordentlich betru&#x0364;bt an, als ob &#x017F;ie weinten. &#x2014; Das ver¬<lb/>
droß mich &#x017F;ehr. Ich band gar keinen Strauß mehr.<lb/>
In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut<lb/>
treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig<lb/>
&#x017F;tehn und wach&#x017F;en bis der Wind die Bla&#x0364;tter ver¬<lb/>
wehte. War mir's doch eben &#x017F;o wild und bunt und<lb/>
ver&#x017F;to&#x0364;rt im Herzen.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;en kriti&#x017F;chen Zeitla&#x0364;uften ge&#x017F;chah es denn,<lb/>
daß einmal, als ich eben zu Hau&#x017F;e im Fen&#x017F;ter liege<lb/>
und verdru&#x0364;ßlich in die leere Luft hinaus &#x017F;ehe, die<lb/>
Kammerjungfer vom Schlo&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;ber die Straße daher<lb/>
getrippelt kommt. Sie lenkte, da &#x017F;ie mich erblickte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0033] bot mir freundlich einen guten Morgen, in den Doͤr¬ fern aber ringsumher kraͤhten die Haͤhne ſo friſch uͤber die leiſewogenden Kornfelder heruͤber, und zwiſchen den Morgenſtreifen hoch am Himmel ſchweiften ſchon ein¬ zelne zu fruͤh erwachte Lerchen, und der Poſtillon nahm dann ſein Poſthorn und fuhr weiter und blies und blies — da ſtand ich lange und ſah dem Wagen nach, und es war mir nicht anders, als muͤßt' ich nur ſo¬ gleich mit fort, weit, weit in die Welt. — Meine Blumenſtraͤuße legte ich indeß immer noch, ſobald die Sonne unterging, auf den ſteinernen Tiſch in der dunkeln Laube. Aber das war es eben: damit war es nun aus ſeit jenem Abend. — Kein Menſch kuͤmmerte ſich darum: ſo oft ich des Morgens fruͤhzei¬ tig nachſah, lagen die Blumen noch immer da wie ge¬ ſtern, und ſahen mich mit ihren verwelkten niederhaͤn¬ genden Koͤpfchen und darauf ſtehenden Thautropfen ordentlich betruͤbt an, als ob ſie weinten. — Das ver¬ droß mich ſehr. Ich band gar keinen Strauß mehr. In meinem Garten mochte nun auch das Unkraut treiben wie es wollte, und die Blumen ließ ich ruhig ſtehn und wachſen bis der Wind die Blaͤtter ver¬ wehte. War mir's doch eben ſo wild und bunt und verſtoͤrt im Herzen. In dieſen kritiſchen Zeitlaͤuften geſchah es denn, daß einmal, als ich eben zu Hauſe im Fenſter liege und verdruͤßlich in die leere Luft hinaus ſehe, die Kammerjungfer vom Schloſſe uͤber die Straße daher getrippelt kommt. Sie lenkte, da ſie mich erblickte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/33
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/33>, abgerufen am 09.11.2024.