Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

ken, über mir jubilirten unzählige Lerchen hoch in der
Luft; so zog ich zwischen den grünen Bergen und an
lustigen Städten und Dörfern vorbei gen Italien hin¬
unter.


Drittes Kapitel.

Aber das war nun schlimm! Ich hatte noch gar
nicht daran gedacht, daß ich eigentlich den rechten Weg
nicht wußte. Auch war rings umher kein Mensch
zu sehen in der stillen Morgenstunde, den ich hätte
fragen können, und nicht weit von mir theilte sich die
Landstraße in viele neue Landstraßen, die gingen weit,
weit über die höchsten Berge fort, als führten sie aus
der Welt hinaus, so daß mir ordentlich schwindelte,
wenn ich recht hinsah.

Endlich kam ein Bauer des Weges daher, der,
glaub ich, nach der Kirche ging, da es heut eben Sonn¬
tag war, in einem altmodischen Ueberrocke mit großen
silbernen Knöpfen und einem langen spanischen Rohr
mit einem sehr massiven silbernen Stockknopf darauf,
der schon von weiten in der Sonne funkelte. Ich frug
ihn sogleich mit vieler Höflichkeit: "Können Sie mir
nicht sagen, wo der Weg nach Italien geht?" -- Der
Bauer blieb stehen, sah mich an, besann sich dann mit
weit vorgeschobner Unterlippe, und sah mich wieder
an. Ich sagte noch einmal: "nach Italien, wo die

ken, uͤber mir jubilirten unzaͤhlige Lerchen hoch in der
Luft; ſo zog ich zwiſchen den gruͤnen Bergen und an
luſtigen Staͤdten und Doͤrfern vorbei gen Italien hin¬
unter.


Drittes Kapitel.

Aber das war nun ſchlimm! Ich hatte noch gar
nicht daran gedacht, daß ich eigentlich den rechten Weg
nicht wußte. Auch war rings umher kein Menſch
zu ſehen in der ſtillen Morgenſtunde, den ich haͤtte
fragen koͤnnen, und nicht weit von mir theilte ſich die
Landſtraße in viele neue Landſtraßen, die gingen weit,
weit uͤber die hoͤchſten Berge fort, als fuͤhrten ſie aus
der Welt hinaus, ſo daß mir ordentlich ſchwindelte,
wenn ich recht hinſah.

Endlich kam ein Bauer des Weges daher, der,
glaub ich, nach der Kirche ging, da es heut eben Sonn¬
tag war, in einem altmodiſchen Ueberrocke mit großen
ſilbernen Knoͤpfen und einem langen ſpaniſchen Rohr
mit einem ſehr maſſiven ſilbernen Stockknopf darauf,
der ſchon von weiten in der Sonne funkelte. Ich frug
ihn ſogleich mit vieler Hoͤflichkeit: „Koͤnnen Sie mir
nicht ſagen, wo der Weg nach Italien geht?“ — Der
Bauer blieb ſtehen, ſah mich an, beſann ſich dann mit
weit vorgeſchobner Unterlippe, und ſah mich wieder
an. Ich ſagte noch einmal: „nach Italien, wo die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
ken, u&#x0364;ber mir jubilirten unza&#x0364;hlige Lerchen hoch in der<lb/>
Luft; &#x017F;o zog ich zwi&#x017F;chen den gru&#x0364;nen Bergen und an<lb/>
lu&#x017F;tigen Sta&#x0364;dten und Do&#x0364;rfern vorbei gen Italien hin¬<lb/>
unter.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Drittes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Aber das war nun &#x017F;chlimm! Ich hatte noch gar<lb/>
nicht daran gedacht, daß ich eigentlich den rechten Weg<lb/>
nicht wußte. Auch war rings umher kein Men&#x017F;ch<lb/>
zu &#x017F;ehen in der &#x017F;tillen Morgen&#x017F;tunde, den ich ha&#x0364;tte<lb/>
fragen ko&#x0364;nnen, und nicht weit von mir theilte &#x017F;ich die<lb/>
Land&#x017F;traße in viele neue Land&#x017F;traßen, die gingen weit,<lb/>
weit u&#x0364;ber die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Berge fort, als fu&#x0364;hrten &#x017F;ie aus<lb/>
der Welt hinaus, &#x017F;o daß mir ordentlich &#x017F;chwindelte,<lb/>
wenn ich recht hin&#x017F;ah.</p><lb/>
          <p>Endlich kam ein Bauer des Weges daher, der,<lb/>
glaub ich, nach der Kirche ging, da es heut eben Sonn¬<lb/>
tag war, in einem altmodi&#x017F;chen Ueberrocke mit großen<lb/>
&#x017F;ilbernen Kno&#x0364;pfen und einem langen &#x017F;pani&#x017F;chen Rohr<lb/>
mit einem &#x017F;ehr ma&#x017F;&#x017F;iven &#x017F;ilbernen Stockknopf darauf,<lb/>
der &#x017F;chon von weiten in der Sonne funkelte. Ich frug<lb/>
ihn &#x017F;ogleich mit vieler Ho&#x0364;flichkeit: &#x201E;Ko&#x0364;nnen Sie mir<lb/>
nicht &#x017F;agen, wo der Weg nach Italien geht?&#x201C; &#x2014; Der<lb/>
Bauer blieb &#x017F;tehen, &#x017F;ah mich an, be&#x017F;ann &#x017F;ich dann mit<lb/>
weit vorge&#x017F;chobner Unterlippe, und &#x017F;ah mich wieder<lb/>
an. Ich &#x017F;agte noch einmal: &#x201E;nach Italien, wo die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] ken, uͤber mir jubilirten unzaͤhlige Lerchen hoch in der Luft; ſo zog ich zwiſchen den gruͤnen Bergen und an luſtigen Staͤdten und Doͤrfern vorbei gen Italien hin¬ unter. Drittes Kapitel. Aber das war nun ſchlimm! Ich hatte noch gar nicht daran gedacht, daß ich eigentlich den rechten Weg nicht wußte. Auch war rings umher kein Menſch zu ſehen in der ſtillen Morgenſtunde, den ich haͤtte fragen koͤnnen, und nicht weit von mir theilte ſich die Landſtraße in viele neue Landſtraßen, die gingen weit, weit uͤber die hoͤchſten Berge fort, als fuͤhrten ſie aus der Welt hinaus, ſo daß mir ordentlich ſchwindelte, wenn ich recht hinſah. Endlich kam ein Bauer des Weges daher, der, glaub ich, nach der Kirche ging, da es heut eben Sonn¬ tag war, in einem altmodiſchen Ueberrocke mit großen ſilbernen Knoͤpfen und einem langen ſpaniſchen Rohr mit einem ſehr maſſiven ſilbernen Stockknopf darauf, der ſchon von weiten in der Sonne funkelte. Ich frug ihn ſogleich mit vieler Hoͤflichkeit: „Koͤnnen Sie mir nicht ſagen, wo der Weg nach Italien geht?“ — Der Bauer blieb ſtehen, ſah mich an, beſann ſich dann mit weit vorgeſchobner Unterlippe, und ſah mich wieder an. Ich ſagte noch einmal: „nach Italien, wo die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/44
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/44>, abgerufen am 03.12.2024.