Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

die Thüre hinter mir zu, der Postillon knallt und so
ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.


Fünftes Kapitel.

Wir fuhren nun über Berg und Thal Tag und
Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu
besinnen, denn wo wir hinkamen, standen die Pferde
angeschirrt, ich konnte mit den Leuten nicht sprechen,
mein Demonstriren half also nichts; oft, wenn ich im
Wirthshause eben beim besten Essen war, bließ der Po¬
stillon, ich mußte Messer und Gabel wegwerfen und
wieder in den Wagen springen, und wußte doch eigent¬
lich gar nicht, wohin und weswegen ich just mit so
ausnehmender Geschwindigkeit fortreisen sollte.

Sonst war die Lebensart gar nicht so übel. Ich
legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine,
bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬
schen und Länder kennen, und wenn wir durch Städte
fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬
fenster heraus und dankte den Leuten, die höflich vor
mir den Hut abnahmen oder ich grüßte die Mädchen
an den Fenstern wie ein alter Bekannter, die sich dann
immer sehr verwunderten, und mir noch lange neu¬
gierig nachguckten.

Aber zuletzt erschrak ich sehr. Ich hatte das Geld
in dem gefundenen Beutel niemals gezählt, den Post¬
meistern und Gastwirthen mußte ich überall viel be¬

die Thuͤre hinter mir zu, der Poſtillon knallt und ſo
ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.


Fuͤnftes Kapitel.

Wir fuhren nun uͤber Berg und Thal Tag und
Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu
beſinnen, denn wo wir hinkamen, ſtanden die Pferde
angeſchirrt, ich konnte mit den Leuten nicht ſprechen,
mein Demonſtriren half alſo nichts; oft, wenn ich im
Wirthshauſe eben beim beſten Eſſen war, bließ der Po¬
ſtillon, ich mußte Meſſer und Gabel wegwerfen und
wieder in den Wagen ſpringen, und wußte doch eigent¬
lich gar nicht, wohin und weswegen ich juſt mit ſo
ausnehmender Geſchwindigkeit fortreiſen ſollte.

Sonſt war die Lebensart gar nicht ſo uͤbel. Ich
legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine,
bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬
ſchen und Laͤnder kennen, und wenn wir durch Staͤdte
fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬
fenſter heraus und dankte den Leuten, die hoͤflich vor
mir den Hut abnahmen oder ich gruͤßte die Maͤdchen
an den Fenſtern wie ein alter Bekannter, die ſich dann
immer ſehr verwunderten, und mir noch lange neu¬
gierig nachguckten.

Aber zuletzt erſchrak ich ſehr. Ich hatte das Geld
in dem gefundenen Beutel niemals gezaͤhlt, den Poſt¬
meiſtern und Gaſtwirthen mußte ich uͤberall viel be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="60"/>
die Thu&#x0364;re hinter mir zu, der Po&#x017F;tillon knallt und &#x017F;o<lb/>
ging's mit mir fort in die weite Welt hinein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Wir fuhren nun u&#x0364;ber Berg und Thal Tag und<lb/>
Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu<lb/>
be&#x017F;innen, denn wo wir hinkamen, &#x017F;tanden die Pferde<lb/>
ange&#x017F;chirrt, ich konnte mit den Leuten nicht &#x017F;prechen,<lb/>
mein Demon&#x017F;triren half al&#x017F;o nichts; oft, wenn ich im<lb/>
Wirthshau&#x017F;e eben beim be&#x017F;ten E&#x017F;&#x017F;en war, bließ der Po¬<lb/>
&#x017F;tillon, ich mußte Me&#x017F;&#x017F;er und Gabel wegwerfen und<lb/>
wieder in den Wagen &#x017F;pringen, und wußte doch eigent¬<lb/>
lich gar nicht, wohin und weswegen ich ju&#x017F;t mit &#x017F;o<lb/>
ausnehmender Ge&#x017F;chwindigkeit fortrei&#x017F;en &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Son&#x017F;t war die Lebensart gar nicht &#x017F;o u&#x0364;bel. Ich<lb/>
legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine,<lb/>
bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬<lb/>
&#x017F;chen und La&#x0364;nder kennen, und wenn wir durch Sta&#x0364;dte<lb/>
fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬<lb/>
fen&#x017F;ter heraus und dankte den Leuten, die ho&#x0364;flich vor<lb/>
mir den Hut abnahmen oder ich gru&#x0364;ßte die Ma&#x0364;dchen<lb/>
an den Fen&#x017F;tern wie ein alter Bekannter, die &#x017F;ich dann<lb/>
immer &#x017F;ehr verwunderten, und mir noch lange neu¬<lb/>
gierig nachguckten.</p><lb/>
          <p>Aber zuletzt er&#x017F;chrak ich &#x017F;ehr. Ich hatte das Geld<lb/>
in dem gefundenen Beutel niemals geza&#x0364;hlt, den Po&#x017F;<lb/>
mei&#x017F;tern und Ga&#x017F;twirthen mußte ich u&#x0364;berall viel be¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0070] die Thuͤre hinter mir zu, der Poſtillon knallt und ſo ging's mit mir fort in die weite Welt hinein. Fuͤnftes Kapitel. Wir fuhren nun uͤber Berg und Thal Tag und Nacht immer fort. Ich hatte gar nicht Zeit, mich zu beſinnen, denn wo wir hinkamen, ſtanden die Pferde angeſchirrt, ich konnte mit den Leuten nicht ſprechen, mein Demonſtriren half alſo nichts; oft, wenn ich im Wirthshauſe eben beim beſten Eſſen war, bließ der Po¬ ſtillon, ich mußte Meſſer und Gabel wegwerfen und wieder in den Wagen ſpringen, und wußte doch eigent¬ lich gar nicht, wohin und weswegen ich juſt mit ſo ausnehmender Geſchwindigkeit fortreiſen ſollte. Sonſt war die Lebensart gar nicht ſo uͤbel. Ich legte mich, wie auf einem Kanapee, bald in die eine, bald in die andere Ecke des Wagens, und lernte Men¬ ſchen und Laͤnder kennen, und wenn wir durch Staͤdte fuhren, lehnte ich mich auf beide Arme zum Wagen¬ fenſter heraus und dankte den Leuten, die hoͤflich vor mir den Hut abnahmen oder ich gruͤßte die Maͤdchen an den Fenſtern wie ein alter Bekannter, die ſich dann immer ſehr verwunderten, und mir noch lange neu¬ gierig nachguckten. Aber zuletzt erſchrak ich ſehr. Ich hatte das Geld in dem gefundenen Beutel niemals gezaͤhlt, den Poſt¬ meiſtern und Gaſtwirthen mußte ich uͤberall viel be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/70
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/70>, abgerufen am 24.11.2024.