Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.während ich hinter mir wieder schloß und verriegelte, Draußen ließ sich noch kein Laut vernehmen. Nur Als ich vor das Schloß heraus trat, kam ich in waͤhrend ich hinter mir wieder ſchloß und verriegelte, Draußen ließ ſich noch kein Laut vernehmen. Nur Als ich vor das Schloß heraus trat, kam ich in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="68"/> waͤhrend ich hinter mir wieder ſchloß und verriegelte,<lb/> damit das Maͤdchen nicht erſchrecken und ſich ſchaͤmen<lb/> ſollte, wenn ſie erwachte.</p><lb/> <p>Draußen ließ ſich noch kein Laut vernehmen. Nur<lb/> ein fruͤherwachtes Waldvoͤglein ſaß vor meinem Fen¬<lb/> ſter auf einem Strauch, der aus der Mauer heraus<lb/> wuchs, und ſang ſchon ſein Morgenlied. „Nein,“<lb/> ſagte ich, „Du ſollſt mich nicht beſchaͤmen und allein<lb/> ſo fruͤh und fleißig Gott loben!“ — Ich nahm ſchnell<lb/> meine Geige, die ich geſtern auf das Tiſchchen gelegt<lb/> hatte, und ging hinaus. Im Schloſſe war noch alles<lb/> todtenſtill, und es dauerte lange, ehe ich mich aus den<lb/> dunklen Gaͤngen ins Freie heraus fand.</p><lb/> <p>Als ich vor das Schloß heraus trat, kam ich in<lb/> einen großen Garten, der auf breiten Terraſſen, wovon<lb/> die eine immer tiefer war als die andere, bis auf den<lb/> halben Berg herunter ging. Aber das war eine<lb/> luͤderliche Gaͤrtnerei. Die Gaͤnge waren alle mit ho¬<lb/> hem Graſe bewachſen, die kuͤnſtlichen Figuren von<lb/> Buchsbaum waren nicht beſchnitten und ſtreckten, wie<lb/> Geſpenſter, lange Naſen oder ellenhohe ſpitzige Muͤtzen<lb/> in die Luft hinaus, daß man ſich in der Daͤmmerung<lb/> ordentlich davor haͤtte fuͤrchten moͤgen. Auf einige zer¬<lb/> brochene Statuen uͤber einer vertrockneten Waſſerkunſt<lb/> war gar Waͤſche aufgehaͤngt, hin und wieder hatten ſie<lb/> mitten im Garten Kohl gebaut, dann kamen wieder<lb/> ein paar ordinaire Blumen, alles unordentlich durch¬<lb/> einander, und von hohem wilden Unkraut uͤberwachſen,<lb/> zwiſchen dem ſich bunte Eidechſen ſchlaͤngelten. Zwi¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0078]
waͤhrend ich hinter mir wieder ſchloß und verriegelte,
damit das Maͤdchen nicht erſchrecken und ſich ſchaͤmen
ſollte, wenn ſie erwachte.
Draußen ließ ſich noch kein Laut vernehmen. Nur
ein fruͤherwachtes Waldvoͤglein ſaß vor meinem Fen¬
ſter auf einem Strauch, der aus der Mauer heraus
wuchs, und ſang ſchon ſein Morgenlied. „Nein,“
ſagte ich, „Du ſollſt mich nicht beſchaͤmen und allein
ſo fruͤh und fleißig Gott loben!“ — Ich nahm ſchnell
meine Geige, die ich geſtern auf das Tiſchchen gelegt
hatte, und ging hinaus. Im Schloſſe war noch alles
todtenſtill, und es dauerte lange, ehe ich mich aus den
dunklen Gaͤngen ins Freie heraus fand.
Als ich vor das Schloß heraus trat, kam ich in
einen großen Garten, der auf breiten Terraſſen, wovon
die eine immer tiefer war als die andere, bis auf den
halben Berg herunter ging. Aber das war eine
luͤderliche Gaͤrtnerei. Die Gaͤnge waren alle mit ho¬
hem Graſe bewachſen, die kuͤnſtlichen Figuren von
Buchsbaum waren nicht beſchnitten und ſtreckten, wie
Geſpenſter, lange Naſen oder ellenhohe ſpitzige Muͤtzen
in die Luft hinaus, daß man ſich in der Daͤmmerung
ordentlich davor haͤtte fuͤrchten moͤgen. Auf einige zer¬
brochene Statuen uͤber einer vertrockneten Waſſerkunſt
war gar Waͤſche aufgehaͤngt, hin und wieder hatten ſie
mitten im Garten Kohl gebaut, dann kamen wieder
ein paar ordinaire Blumen, alles unordentlich durch¬
einander, und von hohem wilden Unkraut uͤberwachſen,
zwiſchen dem ſich bunte Eidechſen ſchlaͤngelten. Zwi¬
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