Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

weil ich alle Religionen gleich hielt, erwählte ich
mir einen eigenen Gottesdienst, den ich mir ein-
bildete, mich am ersten zur ewigen Glückseelig-
keit bringen würde. Dieweil aber die müßige
Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch suchte
ich den Wald, laß Kräuter, Wurtzeln und was
mir wissend, das zu denen Kranck heiten dienlich
wäre, zusammen, machte daraus allerhand Ar-
tzeneyen, ich hatte kaum etwas zusammen berei-
tet, funden sich unterschiedene Patienten ein,
und endlich wurde die Menge derselben so groß,
daß ich von einen Einsiedler wieder einen Me-
dicum
und Artzt abgeben muste; diese Unruh
brachte mich aus meiner Ruh in einen solchen
verwirrten Zustand und Hochmuth, daß ich je-
dermann gegen mir verachtete. Einsmahls
als ich des Nachts im Walde herumb gieng, hö-
rete ich eine klagende Stimme, als ich derselben
näherte, vernahm ich diese Worte: Ach elende
Menschen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts
seyd, bildet euch ein, die Himmel sollen sich vor
euch biegen, und wann euere Wissenschafften,
die in der großachtenden Hochmuth euch einige
Glückseeligkeiten zeigen, die doch von Nieman-
den anders als den höchsten Guthe herrühren/
so wollet ihr aus der Haut fahren, und fanget
schon an denen Sternen zu gebiethen, und Sonn
und Mond Fessel euer Dienstbarkeit anzulegen.

Ach
K k 5

weil ich alle Religionen gleich hielt, erwaͤhlte ich
mir einen eigenen Gottesdienſt, den ich mir ein-
bildete, mich am erſten zur ewigen Gluͤckſeelig-
keit bringen wuͤrde. Dieweil aber die muͤßige
Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch ſuchte
ich den Wald, laß Kraͤuter, Wurtzeln und was
mir wiſſend, das zu denen Kranck heiten dienlich
waͤre, zuſammen, machte daraus allerhand Ar-
tzeneyen, ich hatte kaum etwas zuſammen berei-
tet, funden ſich unterſchiedene Patienten ein,
und endlich wurde die Menge derſelben ſo groß,
daß ich von einen Einſiedler wieder einen Me-
dicum
und Artzt abgeben muſte; dieſe Unruh
brachte mich aus meiner Ruh in einen ſolchen
verwirrten Zuſtand und Hochmuth, daß ich je-
dermann gegen mir verachtete. Einsmahls
als ich des Nachts im Walde herumb gieng, hoͤ-
rete ich eine klagende Stimme, als ich derſelben
naͤherte, vernahm ich dieſe Worte: Ach elende
Menſchen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts
ſeyd, bildet euch ein, die Himmel ſollen ſich vor
euch biegen, und wann euere Wiſſenſchafften,
die in der großachtenden Hochmuth euch einige
Gluͤckſeeligkeiten zeigen, die doch von Nieman-
den anders als den hoͤchſten Guthe herruͤhren/
ſo wollet ihr aus der Haut fahren, und fanget
ſchon an denen Sternen zu gebiethen, und Soñ
und Mond Feſſel euer Dienſtbarkeit anzulegen.

Ach
K k 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0537" n="521"/>
weil ich alle <hi rendition="#aq">Religionen</hi> gleich hielt, erwa&#x0364;hlte ich<lb/>
mir einen eigenen Gottesdien&#x017F;t, den ich mir ein-<lb/>
bildete, mich am er&#x017F;ten zur ewigen Glu&#x0364;ck&#x017F;eelig-<lb/>
keit bringen wu&#x0364;rde. Dieweil aber die mu&#x0364;ßige<lb/>
Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch &#x017F;uchte<lb/>
ich den Wald, laß Kra&#x0364;uter, Wurtzeln und was<lb/>
mir wi&#x017F;&#x017F;end, das zu denen Kranck heiten dienlich<lb/>
wa&#x0364;re, zu&#x017F;ammen, machte daraus allerhand Ar-<lb/>
tzeneyen, ich hatte kaum etwas zu&#x017F;ammen berei-<lb/>
tet, funden &#x017F;ich unter&#x017F;chiedene Patienten ein,<lb/>
und endlich wurde die Menge der&#x017F;elben &#x017F;o groß,<lb/>
daß ich von einen Ein&#x017F;iedler wieder einen <hi rendition="#aq">Me-<lb/>
dicum</hi> und Artzt abgeben mu&#x017F;te; die&#x017F;e Unruh<lb/>
brachte mich aus meiner Ruh in einen &#x017F;olchen<lb/>
verwirrten Zu&#x017F;tand und Hochmuth, daß ich je-<lb/>
dermann gegen mir verachtete. Einsmahls<lb/>
als ich des Nachts im Walde herumb gieng, ho&#x0364;-<lb/>
rete ich eine klagende Stimme, als ich der&#x017F;elben<lb/>
na&#x0364;herte, vernahm ich die&#x017F;e Worte: Ach elende<lb/>
Men&#x017F;chen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts<lb/>
&#x017F;eyd, bildet euch ein, die Himmel &#x017F;ollen &#x017F;ich vor<lb/>
euch biegen, und wann euere Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften,<lb/>
die in der großachtenden Hochmuth euch einige<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeiten zeigen, die doch von Nieman-<lb/>
den anders als den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Guthe herru&#x0364;hren/<lb/>
&#x017F;o wollet ihr aus der Haut fahren, und fanget<lb/>
&#x017F;chon an denen Sternen zu gebiethen, und Son&#x0303;<lb/>
und Mond Fe&#x017F;&#x017F;el euer Dien&#x017F;tbarkeit anzulegen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Ach</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0537] weil ich alle Religionen gleich hielt, erwaͤhlte ich mir einen eigenen Gottesdienſt, den ich mir ein- bildete, mich am erſten zur ewigen Gluͤckſeelig- keit bringen wuͤrde. Dieweil aber die muͤßige Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch ſuchte ich den Wald, laß Kraͤuter, Wurtzeln und was mir wiſſend, das zu denen Kranck heiten dienlich waͤre, zuſammen, machte daraus allerhand Ar- tzeneyen, ich hatte kaum etwas zuſammen berei- tet, funden ſich unterſchiedene Patienten ein, und endlich wurde die Menge derſelben ſo groß, daß ich von einen Einſiedler wieder einen Me- dicum und Artzt abgeben muſte; dieſe Unruh brachte mich aus meiner Ruh in einen ſolchen verwirrten Zuſtand und Hochmuth, daß ich je- dermann gegen mir verachtete. Einsmahls als ich des Nachts im Walde herumb gieng, hoͤ- rete ich eine klagende Stimme, als ich derſelben naͤherte, vernahm ich dieſe Worte: Ach elende Menſchen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts ſeyd, bildet euch ein, die Himmel ſollen ſich vor euch biegen, und wann euere Wiſſenſchafften, die in der großachtenden Hochmuth euch einige Gluͤckſeeligkeiten zeigen, die doch von Nieman- den anders als den hoͤchſten Guthe herruͤhren/ ſo wollet ihr aus der Haut fahren, und fanget ſchon an denen Sternen zu gebiethen, und Soñ und Mond Feſſel euer Dienſtbarkeit anzulegen. Ach K k 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/537
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/537>, abgerufen am 22.11.2024.