weil ich alle Religionen gleich hielt, erwählte ich mir einen eigenen Gottesdienst, den ich mir ein- bildete, mich am ersten zur ewigen Glückseelig- keit bringen würde. Dieweil aber die müßige Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch suchte ich den Wald, laß Kräuter, Wurtzeln und was mir wissend, das zu denen Kranck heiten dienlich wäre, zusammen, machte daraus allerhand Ar- tzeneyen, ich hatte kaum etwas zusammen berei- tet, funden sich unterschiedene Patienten ein, und endlich wurde die Menge derselben so groß, daß ich von einen Einsiedler wieder einen Me- dicum und Artzt abgeben muste; diese Unruh brachte mich aus meiner Ruh in einen solchen verwirrten Zustand und Hochmuth, daß ich je- dermann gegen mir verachtete. Einsmahls als ich des Nachts im Walde herumb gieng, hö- rete ich eine klagende Stimme, als ich derselben näherte, vernahm ich diese Worte: Ach elende Menschen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts seyd, bildet euch ein, die Himmel sollen sich vor euch biegen, und wann euere Wissenschafften, die in der großachtenden Hochmuth euch einige Glückseeligkeiten zeigen, die doch von Nieman- den anders als den höchsten Guthe herrühren/ so wollet ihr aus der Haut fahren, und fanget schon an denen Sternen zu gebiethen, und Sonn und Mond Fessel euer Dienstbarkeit anzulegen.
Ach
K k 5
weil ich alle Religionen gleich hielt, erwaͤhlte ich mir einen eigenen Gottesdienſt, den ich mir ein- bildete, mich am erſten zur ewigen Gluͤckſeelig- keit bringen wuͤrde. Dieweil aber die muͤßige Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch ſuchte ich den Wald, laß Kraͤuter, Wurtzeln und was mir wiſſend, das zu denen Kranck heiten dienlich waͤre, zuſammen, machte daraus allerhand Ar- tzeneyen, ich hatte kaum etwas zuſammen berei- tet, funden ſich unterſchiedene Patienten ein, und endlich wurde die Menge derſelben ſo groß, daß ich von einen Einſiedler wieder einen Me- dicum und Artzt abgeben muſte; dieſe Unruh brachte mich aus meiner Ruh in einen ſolchen verwirrten Zuſtand und Hochmuth, daß ich je- dermann gegen mir verachtete. Einsmahls als ich des Nachts im Walde herumb gieng, hoͤ- rete ich eine klagende Stimme, als ich derſelben naͤherte, vernahm ich dieſe Worte: Ach elende Menſchen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts ſeyd, bildet euch ein, die Himmel ſollen ſich vor euch biegen, und wann euere Wiſſenſchafften, die in der großachtenden Hochmuth euch einige Gluͤckſeeligkeiten zeigen, die doch von Nieman- den anders als den hoͤchſten Guthe herruͤhren/ ſo wollet ihr aus der Haut fahren, und fanget ſchon an denen Sternen zu gebiethen, und Soñ und Mond Feſſel euer Dienſtbarkeit anzulegen.
Ach
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weil ich alle Religionen gleich hielt, erwaͤhlte ich
mir einen eigenen Gottesdienſt, den ich mir ein-
bildete, mich am erſten zur ewigen Gluͤckſeelig-
keit bringen wuͤrde. Dieweil aber die muͤßige
Zeiten mir allzuverdrießlich fielen/ durch ſuchte
ich den Wald, laß Kraͤuter, Wurtzeln und was
mir wiſſend, das zu denen Kranck heiten dienlich
waͤre, zuſammen, machte daraus allerhand Ar-
tzeneyen, ich hatte kaum etwas zuſammen berei-
tet, funden ſich unterſchiedene Patienten ein,
und endlich wurde die Menge derſelben ſo groß,
daß ich von einen Einſiedler wieder einen Me-
dicum und Artzt abgeben muſte; dieſe Unruh
brachte mich aus meiner Ruh in einen ſolchen
verwirrten Zuſtand und Hochmuth, daß ich je-
dermann gegen mir verachtete. Einsmahls
als ich des Nachts im Walde herumb gieng, hoͤ-
rete ich eine klagende Stimme, als ich derſelben
naͤherte, vernahm ich dieſe Worte: Ach elende
Menſchen, die ihr mehr als nichts, ja gar nichts
ſeyd, bildet euch ein, die Himmel ſollen ſich vor
euch biegen, und wann euere Wiſſenſchafften,
die in der großachtenden Hochmuth euch einige
Gluͤckſeeligkeiten zeigen, die doch von Nieman-
den anders als den hoͤchſten Guthe herruͤhren/
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]
Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Eckharts Medicinischen Maul-Affens" von Johann Christoph Ettner von Eiteritz wurde 1694 veröffentlicht. Die verwendete Ausgabe von 1719 stellt eine überarbeitete Ausgabe der ersten Ausgabe dar. Da die Ausgabe von 1694 im Projektzeitraum nicht zur Verfügung stand, musste die Ausgabe von 1719 verwendet werden.
Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/537>, abgerufen am 22.11.2024.
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