Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
pen_070.001

In Pech und Schwefel halb verkappt! pen_070.002
Und vor ihm stand ein Stück von Kannibalen; pen_070.003
Der schlug ein Loch in seine Stirn, pen_070.004
Und fraß ihm das Gehirn pen_070.005
So rein heraus, als aus den Schalen pen_070.006
Ein Domherr baß die ersten Austern frißt.

pen_070.007

Eine zweite Hauptregel für die Geschichte pen_070.008
ist Wahrscheinlichkeit. Ohne diese pen_070.009
verfehlt die Fabel ganz ihres Endzwecks; pen_070.010
denn der Verstand nimmt schlechterdings pen_070.011
nichts Widersprechendes und Ungegründetes pen_070.012
an. Vor allen Dingen muß also pen_070.013
der Dichter nichts vortragen, was mit pen_070.014
seinen eigenen Voraussetzungen der Charaktere, pen_070.015
der Verhältnisse, der Zeit, des pen_070.016
Orts, einen innern Widerspruch macht. pen_070.017
Aber auch, das was er voraussetzt, muß pen_070.018
nicht den einmal festgesetzten Begriffen, pen_070.019
die wir von den Dingen haben, zuwiderlaufen. pen_070.020
Man beurtheile hienach die obige pen_070.021
Fabel von Holberg: die Ziegen. Oder

pen_070.001

In Pech und Schwefel halb verkappt! pen_070.002
Und vor ihm stand ein Stück von Kannibalen; pen_070.003
Der schlug ein Loch in seine Stirn, pen_070.004
Und fraß ihm das Gehirn pen_070.005
So rein heraus, als aus den Schalen pen_070.006
Ein Domherr baß die ersten Austern frißt.

pen_070.007

  Eine zweite Hauptregel für die Geschichte pen_070.008
ist Wahrscheinlichkeit. Ohne diese pen_070.009
verfehlt die Fabel ganz ihres Endzwecks; pen_070.010
denn der Verstand nimmt schlechterdings pen_070.011
nichts Widersprechendes und Ungegründetes pen_070.012
an. Vor allen Dingen muß also pen_070.013
der Dichter nichts vortragen, was mit pen_070.014
seinen eigenen Voraussetzungen der Charaktere, pen_070.015
der Verhältnisse, der Zeit, des pen_070.016
Orts, einen innern Widerspruch macht. pen_070.017
Aber auch, das was er voraussetzt, muß pen_070.018
nicht den einmal festgesetzten Begriffen, pen_070.019
die wir von den Dingen haben, zuwiderlaufen. pen_070.020
Man beurtheile hienach die obige pen_070.021
Fabel von Holberg: die Ziegen. Oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0111" n="70"/>
        <lb n="pen_070.001"/>
        <p> <hi rendition="#aq">
            <lg>
              <l>In Pech und Schwefel halb verkappt!</l>
              <lb n="pen_070.002"/>
              <l>Und vor ihm stand ein Stück von Kannibalen;</l>
              <lb n="pen_070.003"/>
              <l>Der schlug ein Loch in seine Stirn,</l>
              <lb n="pen_070.004"/>
              <l>Und fraß ihm das Gehirn</l>
              <lb n="pen_070.005"/>
              <l>So rein heraus, als aus den Schalen</l>
              <lb n="pen_070.006"/>
              <l>Ein Domherr baß die ersten Austern frißt.</l>
            </lg>
          </hi> </p>
        <lb n="pen_070.007"/>
        <p>  Eine zweite Hauptregel für die Geschichte <lb n="pen_070.008"/>
ist Wahrscheinlichkeit. Ohne diese <lb n="pen_070.009"/>
verfehlt die Fabel ganz ihres Endzwecks; <lb n="pen_070.010"/>
denn der Verstand nimmt schlechterdings <lb n="pen_070.011"/>
nichts Widersprechendes und Ungegründetes <lb n="pen_070.012"/>
an. Vor allen Dingen muß also <lb n="pen_070.013"/>
der Dichter nichts vortragen, was mit <lb n="pen_070.014"/>
seinen eigenen Voraussetzungen der Charaktere, <lb n="pen_070.015"/>
der Verhältnisse, der Zeit, des <lb n="pen_070.016"/>
Orts, einen innern Widerspruch macht. <lb n="pen_070.017"/>
Aber auch, das was er voraussetzt, muß <lb n="pen_070.018"/>
nicht den einmal festgesetzten Begriffen, <lb n="pen_070.019"/>
die wir von den Dingen haben, zuwiderlaufen. <lb n="pen_070.020"/>
Man beurtheile hienach die obige <lb n="pen_070.021"/>
Fabel von Holberg: die Ziegen. Oder
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0111] pen_070.001 In Pech und Schwefel halb verkappt! pen_070.002 Und vor ihm stand ein Stück von Kannibalen; pen_070.003 Der schlug ein Loch in seine Stirn, pen_070.004 Und fraß ihm das Gehirn pen_070.005 So rein heraus, als aus den Schalen pen_070.006 Ein Domherr baß die ersten Austern frißt. pen_070.007   Eine zweite Hauptregel für die Geschichte pen_070.008 ist Wahrscheinlichkeit. Ohne diese pen_070.009 verfehlt die Fabel ganz ihres Endzwecks; pen_070.010 denn der Verstand nimmt schlechterdings pen_070.011 nichts Widersprechendes und Ungegründetes pen_070.012 an. Vor allen Dingen muß also pen_070.013 der Dichter nichts vortragen, was mit pen_070.014 seinen eigenen Voraussetzungen der Charaktere, pen_070.015 der Verhältnisse, der Zeit, des pen_070.016 Orts, einen innern Widerspruch macht. pen_070.017 Aber auch, das was er voraussetzt, muß pen_070.018 nicht den einmal festgesetzten Begriffen, pen_070.019 die wir von den Dingen haben, zuwiderlaufen. pen_070.020 Man beurtheile hienach die obige pen_070.021 Fabel von Holberg: die Ziegen. Oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/111
Zitationshilfe: Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/111>, abgerufen am 21.11.2024.