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Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Bemühung, und streichelte gleichgültig ihren Hund, der mich wegen des plötzlichen Aufspringens noch knurrend im Auge hatte. Diese äußere und die innere Betrachtung des gewaltigen Absprunges, den mein Urtheil in so kurzer Zeit hatte machen müssen, führte mich leise durch die Lächerlichkeit meines erschrockenen Zustandes zur Besonnenheit zurück, und indem ich für den Augenblick die Sache leichter nahm und herzhafter behandelte, als mir später möglich war, suchte ich alle Quellen des Gesprächs zu eröffnen, um der tief Beleidigten versöhnende Eindrücke zuzuströmen, was mir auch endlich in so weit gelang, daß sie, nach einigen heftigen und eifersüchtigen Ausbrüchen gegen ihre Nebenbuhlerin, meinen Verstand und mein Urtheil bitter angriff und sich in höhnendem Scherz auf eine Art ausließ, die den Streit wirklich erschöpfte. Mich traf das Alles aber keineswegs tief, und ich begreife nicht, wie so mich ihr Zürnen nicht mehr ängstigte, da mir doch an ihrer Gunst so unendlich gelegen war; aber sei es nun, daß das Launenhafte zu sichtbar darin vorwaltete, oder daß die Wahrheit dessen, was ich gesagt hatte, noch zu lebendig in mir war, genug, die ganze verdrießliche Wendung ertrug ich mit ziemlich munterer Standhaftigkeit und ließ mir die Zeichen ihrer ungerechten Feindschaft viel weniger zu Herzen gehen, als nachher in der Erinnerung geschah. Sie hatte hierüber aufs Neue Verdruß, verhehlte nicht den Grund ihres Aergers, warf mir Mangel an Theilnahme und Gefühllosigkeit in eben

Bemühung, und streichelte gleichgültig ihren Hund, der mich wegen des plötzlichen Aufspringens noch knurrend im Auge hatte. Diese äußere und die innere Betrachtung des gewaltigen Absprunges, den mein Urtheil in so kurzer Zeit hatte machen müssen, führte mich leise durch die Lächerlichkeit meines erschrockenen Zustandes zur Besonnenheit zurück, und indem ich für den Augenblick die Sache leichter nahm und herzhafter behandelte, als mir später möglich war, suchte ich alle Quellen des Gesprächs zu eröffnen, um der tief Beleidigten versöhnende Eindrücke zuzuströmen, was mir auch endlich in so weit gelang, daß sie, nach einigen heftigen und eifersüchtigen Ausbrüchen gegen ihre Nebenbuhlerin, meinen Verstand und mein Urtheil bitter angriff und sich in höhnendem Scherz auf eine Art ausließ, die den Streit wirklich erschöpfte. Mich traf das Alles aber keineswegs tief, und ich begreife nicht, wie so mich ihr Zürnen nicht mehr ängstigte, da mir doch an ihrer Gunst so unendlich gelegen war; aber sei es nun, daß das Launenhafte zu sichtbar darin vorwaltete, oder daß die Wahrheit dessen, was ich gesagt hatte, noch zu lebendig in mir war, genug, die ganze verdrießliche Wendung ertrug ich mit ziemlich munterer Standhaftigkeit und ließ mir die Zeichen ihrer ungerechten Feindschaft viel weniger zu Herzen gehen, als nachher in der Erinnerung geschah. Sie hatte hierüber aufs Neue Verdruß, verhehlte nicht den Grund ihres Aergers, warf mir Mangel an Theilnahme und Gefühllosigkeit in eben

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[0042] Bemühung, und streichelte gleichgültig ihren Hund, der mich wegen des plötzlichen Aufspringens noch knurrend im Auge hatte. Diese äußere und die innere Betrachtung des gewaltigen Absprunges, den mein Urtheil in so kurzer Zeit hatte machen müssen, führte mich leise durch die Lächerlichkeit meines erschrockenen Zustandes zur Besonnenheit zurück, und indem ich für den Augenblick die Sache leichter nahm und herzhafter behandelte, als mir später möglich war, suchte ich alle Quellen des Gesprächs zu eröffnen, um der tief Beleidigten versöhnende Eindrücke zuzuströmen, was mir auch endlich in so weit gelang, daß sie, nach einigen heftigen und eifersüchtigen Ausbrüchen gegen ihre Nebenbuhlerin, meinen Verstand und mein Urtheil bitter angriff und sich in höhnendem Scherz auf eine Art ausließ, die den Streit wirklich erschöpfte. Mich traf das Alles aber keineswegs tief, und ich begreife nicht, wie so mich ihr Zürnen nicht mehr ängstigte, da mir doch an ihrer Gunst so unendlich gelegen war; aber sei es nun, daß das Launenhafte zu sichtbar darin vorwaltete, oder daß die Wahrheit dessen, was ich gesagt hatte, noch zu lebendig in mir war, genug, die ganze verdrießliche Wendung ertrug ich mit ziemlich munterer Standhaftigkeit und ließ mir die Zeichen ihrer ungerechten Feindschaft viel weniger zu Herzen gehen, als nachher in der Erinnerung geschah. Sie hatte hierüber aufs Neue Verdruß, verhehlte nicht den Grund ihres Aergers, warf mir Mangel an Theilnahme und Gefühllosigkeit in eben

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:43:47Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:43:47Z)

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Reiz und Liebe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–79. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ense_liebe_1910/42>, abgerufen am 21.11.2024.