die Wurzel der an feuchten Stellen in der Wiese häufig sich findenden Serpentaria; sie blühet roth, gleich unserm Fuchsschwanz. Auch hält man es für gut, wenn es möglich ist, das Thier zu tödten, ihm den Kopf abzuschneiden, und den abgeschnit- tenen Theil des Rumpfes sofort auf die Wunde zu halten, wodurch das Gift ausgezogen wird. Die Indianer wenden folgendes Mittel an: So- bald Jemand von einer Klapperschlange gebissen worden ist, ergreifen ihn die Uebrigen, binden ihn an Pfähle neben einer Quelle dergestalt fest, daß der verwundete Theil von fließendem Wasser über- strömt wird. Der Patient empfindet alsobald die fürchterlichsten Schmerzen, bricht in die jäm- merlichsten Klagen aus und bittet die Umstehen- den, ihn lieber zu tödten, als ihn so fürchterlichen Qualen auszusetzen; diese aber, des glücklichen Erfolgs gewiß, lassen sich dadurch nicht beschwichti- gen. Nach Verlauf einer halben Stunde fällt der arme Gequälte in einen sanften Schlaf, aus welchem ihn die Indianer nach einer halben Stun- de erwecken und losbinden. Nun ist er so wohl, als ob ihm nichts widerfahren sey. Diese Curart war im letzten Kriege an einem Amerikaner mit glücklichem Erfolg angewendet worden, wie mir von einem Augenzeugen erzählt wurde. Auch habe ich auf meiner ganzen Reise von keinem Todes-
die Wurzel der an feuchten Stellen in der Wieſe haͤufig ſich findenden Serpentaria; ſie bluͤhet roth, gleich unſerm Fuchsſchwanz. Auch haͤlt man es fuͤr gut, wenn es moͤglich iſt, das Thier zu toͤdten, ihm den Kopf abzuſchneiden, und den abgeſchnit- tenen Theil des Rumpfes ſofort auf die Wunde zu halten, wodurch das Gift ausgezogen wird. Die Indianer wenden folgendes Mittel an: So- bald Jemand von einer Klapperſchlange gebiſſen worden iſt, ergreifen ihn die Uebrigen, binden ihn an Pfaͤhle neben einer Quelle dergeſtalt feſt, daß der verwundete Theil von fließendem Waſſer uͤber- ſtroͤmt wird. Der Patient empfindet alſobald die fuͤrchterlichſten Schmerzen, bricht in die jaͤm- merlichſten Klagen aus und bittet die Umſtehen- den, ihn lieber zu toͤdten, als ihn ſo fuͤrchterlichen Qualen auszuſetzen; dieſe aber, des gluͤcklichen Erfolgs gewiß, laſſen ſich dadurch nicht beſchwichti- gen. Nach Verlauf einer halben Stunde faͤllt der arme Gequaͤlte in einen ſanften Schlaf, aus welchem ihn die Indianer nach einer halben Stun- de erwecken und losbinden. Nun iſt er ſo wohl, als ob ihm nichts widerfahren ſey. Dieſe Curart war im letzten Kriege an einem Amerikaner mit gluͤcklichem Erfolg angewendet worden, wie mir von einem Augenzeugen erzaͤhlt wurde. Auch habe ich auf meiner ganzen Reiſe von keinem Todes-
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die Wurzel der an feuchten Stellen in der Wieſe
haͤufig ſich findenden Serpentaria; ſie bluͤhet roth,
gleich unſerm Fuchsſchwanz. Auch haͤlt man es
fuͤr gut, wenn es moͤglich iſt, das Thier zu toͤdten,
ihm den Kopf abzuſchneiden, und den abgeſchnit-
tenen Theil des Rumpfes ſofort auf die Wunde
zu halten, wodurch das Gift ausgezogen wird.
Die Indianer wenden folgendes Mittel an: So-
bald Jemand von einer Klapperſchlange gebiſſen
worden iſt, ergreifen ihn die Uebrigen, binden ihn
an Pfaͤhle neben einer Quelle dergeſtalt feſt, daß
der verwundete Theil von fließendem Waſſer uͤber-
ſtroͤmt wird. Der Patient empfindet alſobald
die fuͤrchterlichſten Schmerzen, bricht in die jaͤm-
merlichſten Klagen aus und bittet die Umſtehen-
den, ihn lieber zu toͤdten, als ihn ſo fuͤrchterlichen
Qualen auszuſetzen; dieſe aber, des gluͤcklichen
Erfolgs gewiß, laſſen ſich dadurch nicht beſchwichti-
gen. Nach Verlauf einer halben Stunde faͤllt
der arme Gequaͤlte in einen ſanften Schlaf, aus
welchem ihn die Indianer nach einer halben Stun-
de erwecken und losbinden. Nun iſt er ſo wohl,
als ob ihm nichts widerfahren ſey. Dieſe Curart
war im letzten Kriege an einem Amerikaner mit
gluͤcklichem Erfolg angewendet worden, wie mir
von einem Augenzeugen erzaͤhlt wurde. Auch habe
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Ernst, Ferdinand: Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Hildesheim, 1820, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ernst_nordamerika_1820/115>, abgerufen am 16.02.2025.
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