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Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

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-- Sanct Johannes mög's verhüten --
Wer vermöchte eh'r denn Wunfried
Eure Seel' zu absolviren?
Drum erzählt mir ohne Zaudern
Und genau, daß jeglich Wörtlein
Auf das Kreuz Ihr könnt beschwören,
Wie Ihr Streit bekamt zu Kreuzburg!"
Heftig an der Lippe nagend,
Starrt der Junker auf den Boden,
Wo auf weiß gefegten Dielen
Sich die langen Schatten malten;
Dann erhob er jach das Antlitz,
Dieses freie, finster kühne,
Wetterbraune Männerantlitz,
Und so hob er an zu sprechen:
"Hab' gesündigt, Abt Wunfriedus,
Doch so schwer nicht, als Ihr meinet;
Wißt ja, heißes, ungestümes,
Trotz'ges Blut der Frankensteiner
Schäumet hinter meinen Schläfen,
Und so kommt es -- weiß der Satan! --
Gar zu leicht, daß mir die Adern
Zornhoch auf der Stirne schwellen.
Bös gemeint ist's niemals, Wunfried,
Ist nur so, wie's unser Herrgott
Auch dem jungen Most beschieden,
Der erst gährt und schäumt und dränget,
Eh' er sich, zu Gold geläutert,
In den besten Wein verwandelt!
Wißt, ich habe keine Mutter,
Keine Schwester, keine Base,
1*
— Sanct Johannes mög's verhüten —
Wer vermöchte eh'r denn Wunfried
Eure Seel' zu abſolviren?
Drum erzählt mir ohne Zaudern
Und genau, daß jeglich Wörtlein
Auf das Kreuz Ihr könnt beſchwören,
Wie Ihr Streit bekamt zu Kreuzburg!“
Heftig an der Lippe nagend,
Starrt der Junker auf den Boden,
Wo auf weiß gefegten Dielen
Sich die langen Schatten malten;
Dann erhob er jach das Antlitz,
Dieſes freie, finſter kühne,
Wetterbraune Männerantlitz,
Und ſo hob er an zu ſprechen:
„Hab' geſündigt, Abt Wunfriedus,
Doch ſo ſchwer nicht, als Ihr meinet;
Wißt ja, heißes, ungeſtümes,
Trotz'ges Blut der Frankenſteiner
Schäumet hinter meinen Schläfen,
Und ſo kommt es — weiß der Satan! —
Gar zu leicht, daß mir die Adern
Zornhoch auf der Stirne ſchwellen.
Bös gemeint iſt's niemals, Wunfried,
Iſt nur ſo, wie's unſer Herrgott
Auch dem jungen Moſt beſchieden,
Der erſt gährt und ſchäumt und dränget,
Eh' er ſich, zu Gold geläutert,
In den beſten Wein verwandelt!
Wißt, ich habe keine Mutter,
Keine Schweſter, keine Baſe,
1*
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[3/0017] — Sanct Johannes mög's verhüten — Wer vermöchte eh'r denn Wunfried Eure Seel' zu abſolviren? Drum erzählt mir ohne Zaudern Und genau, daß jeglich Wörtlein Auf das Kreuz Ihr könnt beſchwören, Wie Ihr Streit bekamt zu Kreuzburg!“ Heftig an der Lippe nagend, Starrt der Junker auf den Boden, Wo auf weiß gefegten Dielen Sich die langen Schatten malten; Dann erhob er jach das Antlitz, Dieſes freie, finſter kühne, Wetterbraune Männerantlitz, Und ſo hob er an zu ſprechen: „Hab' geſündigt, Abt Wunfriedus, Doch ſo ſchwer nicht, als Ihr meinet; Wißt ja, heißes, ungeſtümes, Trotz'ges Blut der Frankenſteiner Schäumet hinter meinen Schläfen, Und ſo kommt es — weiß der Satan! — Gar zu leicht, daß mir die Adern Zornhoch auf der Stirne ſchwellen. Bös gemeint iſt's niemals, Wunfried, Iſt nur ſo, wie's unſer Herrgott Auch dem jungen Moſt beſchieden, Der erſt gährt und ſchäumt und dränget, Eh' er ſich, zu Gold geläutert, In den beſten Wein verwandelt! Wißt, ich habe keine Mutter, Keine Schweſter, keine Baſe, 1*

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Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/17>, abgerufen am 21.11.2024.