Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Halb erfroren, matt zum sterben,
Und sie betten ihn fürsorglich
Auf des Ritters nied'res Lager,
Lassen ihn den Glühwein schlürfen,
Reiben die erstarrten Glieder.
Und der Mönch erholt sich langsam,
Oeffnet weit die blauen Augen
Und reicht Robert beide Hände.
"Gott vergelt's Euch, Freunde!" sagt er,
"Kamet just zur rechten Stunde."
Und er richtet halb empor sich,
Schaut sich um in dem Gemache,
Blicket lang' auf Junker Robert
Und sagt leis: "Dies ist die Klause,
Drinnen eine Katze hauset?"
Und da Robert jach empor schrickt,
Zieht ein glückdurchstrahlet Lächeln
Ueber seines Gastes Züge:
"Wohl mir, daß ich nun am Ziele!
Ritter Robert Frankensteiner,
'S ist zu Euch, daß mich der Weg führt,
Denn ich komm' von Sanct Johannis,
Trage einen Brief vom Abte,
Und ich heiß' Gerhardus Rochus." --
Und er reicht den Pergamentstreif,
Sinkt erschöpft zurück zum Lager
Und schließt abermals die Augen.
Robert aber hält das Schriftstück,
Starrt darauf und kann's nicht lesen,
Und so setzt er sich geduldig
An des jungen Mönches Seite,
Halb erfroren, matt zum ſterben,
Und ſie betten ihn fürſorglich
Auf des Ritters nied'res Lager,
Laſſen ihn den Glühwein ſchlürfen,
Reiben die erſtarrten Glieder.
Und der Mönch erholt ſich langſam,
Oeffnet weit die blauen Augen
Und reicht Robert beide Hände.
„Gott vergelt's Euch, Freunde!“ ſagt er,
„Kamet juſt zur rechten Stunde.“
Und er richtet halb empor ſich,
Schaut ſich um in dem Gemache,
Blicket lang' auf Junker Robert
Und ſagt leis: „Dies iſt die Klauſe,
Drinnen eine Katze hauſet?“
Und da Robert jach empor ſchrickt,
Zieht ein glückdurchſtrahlet Lächeln
Ueber ſeines Gaſtes Züge:
„Wohl mir, daß ich nun am Ziele!
Ritter Robert Frankenſteiner,
'S iſt zu Euch, daß mich der Weg führt,
Denn ich komm' von Sanct Johannis,
Trage einen Brief vom Abte,
Und ich heiß' Gerhardus Rochus.“ —
Und er reicht den Pergamentſtreif,
Sinkt erſchöpft zurück zum Lager
Und ſchließt abermals die Augen.
Robert aber hält das Schriftſtück,
Starrt darauf und kann's nicht leſen,
Und ſo ſetzt er ſich geduldig
An des jungen Mönches Seite,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0190" n="176"/>
          <lg n="4">
            <l>Halb erfroren, matt zum &#x017F;terben,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie betten ihn für&#x017F;orglich</l><lb/>
            <l>Auf des Ritters nied'res Lager,</l><lb/>
            <l>La&#x017F;&#x017F;en ihn den Glühwein &#x017F;chlürfen,</l><lb/>
            <l>Reiben die er&#x017F;tarrten Glieder.</l><lb/>
            <l>Und der Mönch erholt &#x017F;ich lang&#x017F;am,</l><lb/>
            <l>Oeffnet weit die blauen Augen</l><lb/>
            <l>Und reicht Robert beide Hände.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Gott vergelt's Euch, Freunde!&#x201C; &#x017F;agt er,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Kamet ju&#x017F;t zur rechten Stunde.&#x201C;</l><lb/>
            <l>Und er richtet halb empor &#x017F;ich,</l><lb/>
            <l>Schaut &#x017F;ich um in dem Gemache,</l><lb/>
            <l>Blicket lang' auf Junker Robert</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;agt leis: &#x201E;Dies i&#x017F;t die Klau&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Drinnen eine Katze hau&#x017F;et?&#x201C;</l><lb/>
            <l>Und da Robert jach empor &#x017F;chrickt,</l><lb/>
            <l>Zieht ein glückdurch&#x017F;trahlet Lächeln</l><lb/>
            <l>Ueber &#x017F;eines Ga&#x017F;tes Züge:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wohl mir, daß ich nun am Ziele!</l><lb/>
            <l>Ritter Robert Franken&#x017F;teiner,</l><lb/>
            <l>'S i&#x017F;t zu Euch, daß mich der Weg führt,</l><lb/>
            <l>Denn ich komm' von Sanct Johannis,</l><lb/>
            <l>Trage einen Brief vom Abte,</l><lb/>
            <l>Und ich heiß' Gerhardus Rochus.&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
            <l>Und er reicht den Pergament&#x017F;treif,</l><lb/>
            <l>Sinkt er&#x017F;chöpft zurück zum Lager</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chließt abermals die Augen.</l><lb/>
            <l>Robert aber hält das Schrift&#x017F;tück,</l><lb/>
            <l>Starrt darauf und kann's nicht le&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;o &#x017F;etzt er &#x017F;ich geduldig</l><lb/>
            <l>An des jungen Mönches Seite,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0190] Halb erfroren, matt zum ſterben, Und ſie betten ihn fürſorglich Auf des Ritters nied'res Lager, Laſſen ihn den Glühwein ſchlürfen, Reiben die erſtarrten Glieder. Und der Mönch erholt ſich langſam, Oeffnet weit die blauen Augen Und reicht Robert beide Hände. „Gott vergelt's Euch, Freunde!“ ſagt er, „Kamet juſt zur rechten Stunde.“ Und er richtet halb empor ſich, Schaut ſich um in dem Gemache, Blicket lang' auf Junker Robert Und ſagt leis: „Dies iſt die Klauſe, Drinnen eine Katze hauſet?“ Und da Robert jach empor ſchrickt, Zieht ein glückdurchſtrahlet Lächeln Ueber ſeines Gaſtes Züge: „Wohl mir, daß ich nun am Ziele! Ritter Robert Frankenſteiner, 'S iſt zu Euch, daß mich der Weg führt, Denn ich komm' von Sanct Johannis, Trage einen Brief vom Abte, Und ich heiß' Gerhardus Rochus.“ — Und er reicht den Pergamentſtreif, Sinkt erſchöpft zurück zum Lager Und ſchließt abermals die Augen. Robert aber hält das Schriftſtück, Starrt darauf und kann's nicht leſen, Und ſo ſetzt er ſich geduldig An des jungen Mönches Seite,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/190
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/190>, abgerufen am 15.05.2024.