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Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

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Wunderlieblich übersäet
Von viel tausend Blumenkelchen,
Blau und roth am Stengel nickend,
Goldiggelb die Köpflein hebend
Und in sammetweichen Flocken
Weiß wie Schnee im Winde wehend,
D'rüber hin fiel schräg die Sonne,
Und sie weckte ros'gen Schimmer
Auf dem üpp'gen Sauerampfer,
Daß es schien, als walle Nebel
Purpurn dampfend auf der Wiese.
Ach, welch' zauberhaftes Blitzen,
Wenn die hellen Strahlengarben
In dem Thau am Blattwerk spielen,
Wenn der Wind den Rothdorn schüttelt,
Daß er plötzlich, Funken sprühend,
Steht in diamant'nem Regen!
Gudula stand lange sinnend,
Blickte mit verklärtem Auge
In die Pracht, und durch die Seele
Zog es leis wie eine Ahnung
Vom verlornen Paradiese,
Plötzlich zuckt sie auf, es schärft sich
Jäh ihr Blick, und schnell sich bückend
Hinter junge Fichtenstämme,
Lugt sie sorglich durch die Zweige,
Recht voll mädchenhafter Neugier.
Langsam wandelt durch die Wiese
Ein Kartäusermönch. -- Das lange,
Priesterliche Kleid umweht ihn
Weit und düster, daß es aussieht,
Wunderlieblich überſäet
Von viel tauſend Blumenkelchen,
Blau und roth am Stengel nickend,
Goldiggelb die Köpflein hebend
Und in ſammetweichen Flocken
Weiß wie Schnee im Winde wehend,
D'rüber hin fiel ſchräg die Sonne,
Und ſie weckte roſ'gen Schimmer
Auf dem üpp'gen Sauerampfer,
Daß es ſchien, als walle Nebel
Purpurn dampfend auf der Wieſe.
Ach, welch' zauberhaftes Blitzen,
Wenn die hellen Strahlengarben
In dem Thau am Blattwerk ſpielen,
Wenn der Wind den Rothdorn ſchüttelt,
Daß er plötzlich, Funken ſprühend,
Steht in diamant'nem Regen!
Gudula ſtand lange ſinnend,
Blickte mit verklärtem Auge
In die Pracht, und durch die Seele
Zog es leis wie eine Ahnung
Vom verlornen Paradieſe,
Plötzlich zuckt ſie auf, es ſchärft ſich
Jäh ihr Blick, und ſchnell ſich bückend
Hinter junge Fichtenſtämme,
Lugt ſie ſorglich durch die Zweige,
Recht voll mädchenhafter Neugier.
Langſam wandelt durch die Wieſe
Ein Kartäuſermönch. — Das lange,
Prieſterliche Kleid umweht ihn
Weit und düſter, daß es ausſieht,
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[69/0083] Wunderlieblich überſäet Von viel tauſend Blumenkelchen, Blau und roth am Stengel nickend, Goldiggelb die Köpflein hebend Und in ſammetweichen Flocken Weiß wie Schnee im Winde wehend, D'rüber hin fiel ſchräg die Sonne, Und ſie weckte roſ'gen Schimmer Auf dem üpp'gen Sauerampfer, Daß es ſchien, als walle Nebel Purpurn dampfend auf der Wieſe. Ach, welch' zauberhaftes Blitzen, Wenn die hellen Strahlengarben In dem Thau am Blattwerk ſpielen, Wenn der Wind den Rothdorn ſchüttelt, Daß er plötzlich, Funken ſprühend, Steht in diamant'nem Regen! Gudula ſtand lange ſinnend, Blickte mit verklärtem Auge In die Pracht, und durch die Seele Zog es leis wie eine Ahnung Vom verlornen Paradieſe, Plötzlich zuckt ſie auf, es ſchärft ſich Jäh ihr Blick, und ſchnell ſich bückend Hinter junge Fichtenſtämme, Lugt ſie ſorglich durch die Zweige, Recht voll mädchenhafter Neugier. Langſam wandelt durch die Wieſe Ein Kartäuſermönch. — Das lange, Prieſterliche Kleid umweht ihn Weit und düſter, daß es ausſieht,

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Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/83>, abgerufen am 21.11.2024.