Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Wie die Massen hold zerfließen,
Wie ein wundervoller Bau sich D'raus erhebt, mit gold'nen Thürmen, Schlank und zierlich, kreuzgekrönet, Hallen wölben sich zum Langhaus, Und zwei Reihen Marmelsäulen Stützen seine breitgebogte, Lichtdurchstrahlte Münsterdecke, Und ich stehe, und ich starre Süß geblendet in die Helle, Hebe flehend meine Hände Zu dem gnadenreichen Trugbild: "Ach, verweil' Du stolzer Münster, Daß ich mir Dein Bildniß präge In die durst'ge, durst'ge Seele!" -- Gudula sah auf den Jüngling, Dessen glückverklärte Züge Wie in heil'gem Feuer brannten, Wie aus diesem bleichen Träumer Plötzlich ein Prophet geworden, Der mit stolzer, todesmuth'ger Hand ein Banner schwang, zur Ehre Seiner Kunst und seines Glaubens, Und es zog durch ihre Seele Wie ein ahnungsvolles Schauern: Jenes Blendwerk seiner Träume Wird er einst mit eig'nen Händen Sich zum ew'gen Denkmal bauen. Leise nickten alle Blumen, Und der Wind fuhr durch die Gräser, Daß sie zitternd sich ihm neigten, Wie die Maſſen hold zerfließen,
Wie ein wundervoller Bau ſich D'raus erhebt, mit gold'nen Thürmen, Schlank und zierlich, kreuzgekrönet, Hallen wölben ſich zum Langhaus, Und zwei Reihen Marmelſäulen Stützen ſeine breitgebogte, Lichtdurchſtrahlte Münſterdecke, Und ich ſtehe, und ich ſtarre Süß geblendet in die Helle, Hebe flehend meine Hände Zu dem gnadenreichen Trugbild: „Ach, verweil' Du ſtolzer Münſter, Daß ich mir Dein Bildniß präge In die durſt'ge, durſt'ge Seele!“ — Gudula ſah auf den Jüngling, Deſſen glückverklärte Züge Wie in heil'gem Feuer brannten, Wie aus dieſem bleichen Träumer Plötzlich ein Prophet geworden, Der mit ſtolzer, todesmuth'ger Hand ein Banner ſchwang, zur Ehre Seiner Kunſt und ſeines Glaubens, Und es zog durch ihre Seele Wie ein ahnungsvolles Schauern: Jenes Blendwerk ſeiner Träume Wird er einſt mit eig'nen Händen Sich zum ew'gen Denkmal bauen. Leiſe nickten alle Blumen, Und der Wind fuhr durch die Gräſer, Daß ſie zitternd ſich ihm neigten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0090" n="76"/> <lg n="16"> <l>Wie die Maſſen hold zerfließen,</l><lb/> <l>Wie ein wundervoller Bau ſich</l><lb/> <l>D'raus erhebt, mit gold'nen Thürmen,</l><lb/> <l>Schlank und zierlich, kreuzgekrönet,</l><lb/> <l>Hallen wölben ſich zum Langhaus,</l><lb/> <l>Und zwei Reihen Marmelſäulen</l><lb/> <l>Stützen ſeine breitgebogte,</l><lb/> <l>Lichtdurchſtrahlte Münſterdecke,</l><lb/> <l>Und ich ſtehe, und ich ſtarre</l><lb/> <l>Süß geblendet in die Helle,</l><lb/> <l>Hebe flehend meine Hände</l><lb/> <l>Zu dem gnadenreichen Trugbild:</l><lb/> <l>„Ach, verweil' Du ſtolzer Münſter,</l><lb/> <l>Daß ich mir Dein Bildniß präge</l><lb/> <l>In die durſt'ge, durſt'ge Seele!“ —</l><lb/> <l>Gudula ſah auf den Jüngling,</l><lb/> <l>Deſſen glückverklärte Züge</l><lb/> <l>Wie in heil'gem Feuer brannten,</l><lb/> <l>Wie aus dieſem bleichen Träumer</l><lb/> <l>Plötzlich ein Prophet geworden,</l><lb/> <l>Der mit ſtolzer, todesmuth'ger</l><lb/> <l>Hand ein Banner ſchwang, zur Ehre</l><lb/> <l>Seiner Kunſt und ſeines Glaubens,</l><lb/> <l>Und es zog durch ihre Seele</l><lb/> <l>Wie ein ahnungsvolles Schauern:</l><lb/> <l>Jenes Blendwerk ſeiner Träume</l><lb/> <l>Wird er einſt mit eig'nen Händen</l><lb/> <l>Sich zum ew'gen Denkmal bauen.</l><lb/> <l>Leiſe nickten alle Blumen,</l><lb/> <l>Und der Wind fuhr durch die Gräſer,</l><lb/> <l>Daß ſie zitternd ſich ihm neigten,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [76/0090]
Wie die Maſſen hold zerfließen,
Wie ein wundervoller Bau ſich
D'raus erhebt, mit gold'nen Thürmen,
Schlank und zierlich, kreuzgekrönet,
Hallen wölben ſich zum Langhaus,
Und zwei Reihen Marmelſäulen
Stützen ſeine breitgebogte,
Lichtdurchſtrahlte Münſterdecke,
Und ich ſtehe, und ich ſtarre
Süß geblendet in die Helle,
Hebe flehend meine Hände
Zu dem gnadenreichen Trugbild:
„Ach, verweil' Du ſtolzer Münſter,
Daß ich mir Dein Bildniß präge
In die durſt'ge, durſt'ge Seele!“ —
Gudula ſah auf den Jüngling,
Deſſen glückverklärte Züge
Wie in heil'gem Feuer brannten,
Wie aus dieſem bleichen Träumer
Plötzlich ein Prophet geworden,
Der mit ſtolzer, todesmuth'ger
Hand ein Banner ſchwang, zur Ehre
Seiner Kunſt und ſeines Glaubens,
Und es zog durch ihre Seele
Wie ein ahnungsvolles Schauern:
Jenes Blendwerk ſeiner Träume
Wird er einſt mit eig'nen Händen
Sich zum ew'gen Denkmal bauen.
Leiſe nickten alle Blumen,
Und der Wind fuhr durch die Gräſer,
Daß ſie zitternd ſich ihm neigten,
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