Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 2. Marburg, 1758.Erinnerung. einen seite in ihrer herrlichkeit sich dar: Ein gelehr-ter partei-gänger bricht zur seite ein. Er verunstal- tet das verehrungswürdigste, welches einen empfind- lichen und zugleich lächerlichen aufzug wirket. Nicht allein die gemeine höflichkeit gegen einander wird verlezet; sondern auch die sittenlehre, und gar die religion erleiden darüber merkliche stöße. Vernünf- tige männer werden dadurch gerüret. Es ist ge- wislich für den menschlichen geist etwas grausames und schändliches, daß die gelehrte welt mit so vilen krankheiten des persönlichen hasses der gelehrten un- ter sich angestecket ist. Was gewinnen denn die schriftsteller, wenn sie sich einander so entsezlich ver- unglimpfen? Sie stürzen nur dadurch die wissenschaf- ten in die gröste verachtung; die sie doch in die schul- dige verehrung stellen sollten. Jst es dann ratsam, daß die kunst zu denken, als die ädelste gemüts-gabe eines menschen, zur quelle des lächerlichen gemacht werde, und daß die grosen geister durch ihre zänke- reien sich zum spile der possen-reisser, und pickel- heringe, auch des öffentlichen darstellen, da sie doch die herren und meister abgeben könten? * §. II. Allermaßen es aber in allen ständen Nabalen genug * Le nouvelliste Suisse, 1753 s. 47 fg.
Erinnerung. einen ſeite in ihrer herrlichkeit ſich dar: Ein gelehr-ter partei-gaͤnger bricht zur ſeite ein. Er verunſtal- tet das verehrungswuͤrdigſte, welches einen empfind- lichen und zugleich laͤcherlichen aufzug wirket. Nicht allein die gemeine hoͤflichkeit gegen einander wird verlezet; ſondern auch die ſittenlehre, und gar die religion erleiden daruͤber merkliche ſtoͤße. Vernuͤnf- tige maͤnner werden dadurch geruͤret. Es iſt ge- wislich fuͤr den menſchlichen geiſt etwas grauſames und ſchaͤndliches, daß die gelehrte welt mit ſo vilen krankheiten des perſoͤnlichen haſſes der gelehrten un- ter ſich angeſtecket iſt. Was gewinnen denn die ſchriftſteller, wenn ſie ſich einander ſo entſezlich ver- unglimpfen? Sie ſtuͤrzen nur dadurch die wiſſenſchaf- ten in die groͤſte verachtung; die ſie doch in die ſchul- dige verehrung ſtellen ſollten. Jſt es dann ratſam, daß die kunſt zu denken, als die aͤdelſte gemuͤts-gabe eines menſchen, zur quelle des laͤcherlichen gemacht werde, und daß die groſen geiſter durch ihre zaͤnke- reien ſich zum ſpile der poſſen-reiſſer, und pickel- heringe, auch des oͤffentlichen darſtellen, da ſie doch die herren und meiſter abgeben koͤnten? * §. II. Allermaßen es aber in allen ſtaͤnden Nabalen genug * Le nouvelliſte Suiſſe, 1753 ſ. 47 fg.
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Erinnerung.
einen ſeite in ihrer herrlichkeit ſich dar: Ein gelehr-
ter partei-gaͤnger bricht zur ſeite ein. Er verunſtal-
tet das verehrungswuͤrdigſte, welches einen empfind-
lichen und zugleich laͤcherlichen aufzug wirket. Nicht
allein die gemeine hoͤflichkeit gegen einander wird
verlezet; ſondern auch die ſittenlehre, und gar die
religion erleiden daruͤber merkliche ſtoͤße. Vernuͤnf-
tige maͤnner werden dadurch geruͤret. Es iſt ge-
wislich fuͤr den menſchlichen geiſt etwas grauſames
und ſchaͤndliches, daß die gelehrte welt mit ſo vilen
krankheiten des perſoͤnlichen haſſes der gelehrten un-
ter ſich angeſtecket iſt. Was gewinnen denn die
ſchriftſteller, wenn ſie ſich einander ſo entſezlich ver-
unglimpfen? Sie ſtuͤrzen nur dadurch die wiſſenſchaf-
ten in die groͤſte verachtung; die ſie doch in die ſchul-
dige verehrung ſtellen ſollten. Jſt es dann ratſam,
daß die kunſt zu denken, als die aͤdelſte gemuͤts-gabe
eines menſchen, zur quelle des laͤcherlichen gemacht
werde, und daß die groſen geiſter durch ihre zaͤnke-
reien ſich zum ſpile der poſſen-reiſſer, und pickel-
heringe, auch des oͤffentlichen darſtellen, da ſie doch
die herren und meiſter abgeben koͤnten? *
§. II.
Allermaßen es aber in allen ſtaͤnden Nabalen
leider gibet! und die Abigail ſchon laͤngſt erblaſſet
iſt; ſo wundert es einen nicht; falls man die dorf-
ausdruͤcke zu hoͤren hat: die ſchamhaftigkeit, freund-
lichkeit und billigkeit muͤſſen entfernet bleiben: wer
beruͤmet werden will; muß unverſchaͤmt und frech
genug
* Le nouvelliſte Suiſſe, 1753 ſ. 47 fg.
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