Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
III b., XXII haubtst. vom leihen, etc.
Zwei und zwanzigstes haubtstück
vom leihen, lehnen, anlehn, darlehn,
borgen.

Das sprüchwort lautet: borgen macht sorgen.
Es bestehet entweder in der aufname an gel-
te, oder nemung der waaren auf glauben. Die
redlichkeit des Teutschen hilte den für unverschämt,
welcher borgete, und das geborgete nicht wider gab.
Dises borgen erstreckete sich entweder auf sachen,
die man verbrauchete, und solche in eben der güte
wider erstattete, oder da man eben die erborgete sa-
che einem wider gab. Borgete einer früchte, oder
getraide, so gab er davon aufmaß, welches auch
aufschutt genennet wurde.

Wegen erborgten geltes brachte das römische
recht die zinßen auf, welche sehr leidlich waren. Der
papst aber verbot solche als ein verbrechen. Des
endes fil der Teutsche auf den güldenkauf, oder das
interesse. Daher weigerte sich Philipp II, könig
in Spanien, dem state von Genua zinßen vom
darlehne zu bezalen. Gundling im Iure naturae.

Anmerkung.

Die kanzlei-schreibart nennet das mutuum ein
darlehn, ein anlehn, capital, haubtstul; von com-
modare
aber sagt man leihen, gelihen, vorleihen
(§ 3966 fgg. des 2ten th.); Joh. Frid. Weidlers
institutiones iuris nat. et gent. Witt. 1731, 8v,
vom commodato; auch heisset das mutuum vor-
strecken. Jn den aeltesten zeiten wußten die Teut-
sche nichts vom wucher, Tacitus de mor. Germ.
cap.
26; nach und nach wurde derselbe bekannt.

§ 3618
III b., XXII haubtſt. vom leihen, ꝛc.
Zwei und zwanzigſtes haubtſtuͤck
vom leihen, lehnen, anlehn, darlehn,
borgen.

Das ſpruͤchwort lautet: borgen macht ſorgen.
Es beſtehet entweder in der aufname an gel-
te, oder nemung der waaren auf glauben. Die
redlichkeit des Teutſchen hilte den fuͤr unverſchaͤmt,
welcher borgete, und das geborgete nicht wider gab.
Diſes borgen erſtreckete ſich entweder auf ſachen,
die man verbrauchete, und ſolche in eben der guͤte
wider erſtattete, oder da man eben die erborgete ſa-
che einem wider gab. Borgete einer fruͤchte, oder
getraide, ſo gab er davon aufmaß, welches auch
aufſchutt genennet wurde.

Wegen erborgten geltes brachte das roͤmiſche
recht die zinßen auf, welche ſehr leidlich waren. Der
papſt aber verbot ſolche als ein verbrechen. Des
endes fil der Teutſche auf den guͤldenkauf, oder das
intereſſe. Daher weigerte ſich Philipp II, koͤnig
in Spanien, dem ſtate von Genua zinßen vom
darlehne zu bezalen. Gundling im Iure naturae.

Anmerkung.

Die kanzlei-ſchreibart nennet das mutuum ein
darlehn, ein anlehn, capital, haubtſtul; von com-
modare
aber ſagt man leihen, gelihen, vorleihen
(§ 3966 fgg. des 2ten th.); Joh. Frid. Weidlers
inſtitutiones iuris nat. et gent. Witt. 1731, 8v,
vom commodato; auch heiſſet das mutuum vor-
ſtrecken. Jn den aelteſten zeiten wußten die Teut-
ſche nichts vom wucher, Tacitus de mor. Germ.
cap.
26; nach und nach wurde derſelbe bekannt.

§ 3618
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f1237" n="1213"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III</hi> b., <hi rendition="#aq">XXII</hi> haubt&#x017F;t. vom leihen, &#xA75B;c.</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Zwei und zwanzig&#x017F;tes haubt&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
vom leihen, lehnen, anlehn, darlehn,<lb/>
borgen.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>as &#x017F;pru&#x0364;chwort lautet: borgen macht &#x017F;orgen.<lb/>
Es be&#x017F;tehet entweder in der aufname an gel-<lb/>
te, oder nemung der waaren auf glauben. Die<lb/>
redlichkeit des Teut&#x017F;chen hilte den fu&#x0364;r unver&#x017F;cha&#x0364;mt,<lb/>
welcher borgete, und das geborgete nicht wider gab.<lb/>
Di&#x017F;es borgen er&#x017F;treckete &#x017F;ich entweder auf &#x017F;achen,<lb/>
die man verbrauchete, und &#x017F;olche in eben der gu&#x0364;te<lb/>
wider er&#x017F;tattete, oder da man eben die erborgete &#x017F;a-<lb/>
che einem wider gab. Borgete einer fru&#x0364;chte, oder<lb/>
getraide, &#x017F;o gab er davon aufmaß, welches auch<lb/>
auf&#x017F;chutt genennet wurde.</p><lb/>
        <p>Wegen erborgten geltes brachte das ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
recht die zinßen auf, welche &#x017F;ehr leidlich waren. Der<lb/>
pap&#x017F;t aber verbot &#x017F;olche als ein verbrechen. Des<lb/>
endes fil der Teut&#x017F;che auf den gu&#x0364;ldenkauf, oder das<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;e. Daher weigerte &#x017F;ich Philipp <hi rendition="#aq">II,</hi> ko&#x0364;nig<lb/>
in Spanien, dem &#x017F;tate von Genua zinßen vom<lb/>
darlehne zu bezalen. <hi rendition="#fr">Gundling</hi> im <hi rendition="#aq">Iure naturae.</hi></p><lb/>
        <div n="2">
          <head>Anmerkung.</head><lb/>
          <p>Die kanzlei-&#x017F;chreibart nennet das <hi rendition="#aq">mutuum</hi> ein<lb/>
darlehn, ein anlehn, capital, haubt&#x017F;tul; von <hi rendition="#aq">com-<lb/>
modare</hi> aber &#x017F;agt man leihen, gelihen, vorleihen<lb/>
(§ 3966 fgg. des 2ten th.); <hi rendition="#fr">Joh. Frid. Weidlers</hi><lb/><hi rendition="#aq">in&#x017F;titutiones iuris nat. et gent.</hi> Witt. 1731, 8v,<lb/>
vom commodato; auch hei&#x017F;&#x017F;et das <hi rendition="#aq">mutuum</hi> vor-<lb/>
&#x017F;trecken. Jn den aelte&#x017F;ten zeiten wußten die Teut-<lb/>
&#x017F;che nichts vom wucher, <hi rendition="#fr">Tacitus</hi> <hi rendition="#aq">de mor. Germ.<lb/>
cap.</hi> 26; nach und nach wurde der&#x017F;elbe bekannt.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§ 3618</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1213/1237] III b., XXII haubtſt. vom leihen, ꝛc. Zwei und zwanzigſtes haubtſtuͤck vom leihen, lehnen, anlehn, darlehn, borgen. Das ſpruͤchwort lautet: borgen macht ſorgen. Es beſtehet entweder in der aufname an gel- te, oder nemung der waaren auf glauben. Die redlichkeit des Teutſchen hilte den fuͤr unverſchaͤmt, welcher borgete, und das geborgete nicht wider gab. Diſes borgen erſtreckete ſich entweder auf ſachen, die man verbrauchete, und ſolche in eben der guͤte wider erſtattete, oder da man eben die erborgete ſa- che einem wider gab. Borgete einer fruͤchte, oder getraide, ſo gab er davon aufmaß, welches auch aufſchutt genennet wurde. Wegen erborgten geltes brachte das roͤmiſche recht die zinßen auf, welche ſehr leidlich waren. Der papſt aber verbot ſolche als ein verbrechen. Des endes fil der Teutſche auf den guͤldenkauf, oder das intereſſe. Daher weigerte ſich Philipp II, koͤnig in Spanien, dem ſtate von Genua zinßen vom darlehne zu bezalen. Gundling im Iure naturae. Anmerkung. Die kanzlei-ſchreibart nennet das mutuum ein darlehn, ein anlehn, capital, haubtſtul; von com- modare aber ſagt man leihen, gelihen, vorleihen (§ 3966 fgg. des 2ten th.); Joh. Frid. Weidlers inſtitutiones iuris nat. et gent. Witt. 1731, 8v, vom commodato; auch heiſſet das mutuum vor- ſtrecken. Jn den aelteſten zeiten wußten die Teut- ſche nichts vom wucher, Tacitus de mor. Germ. cap. 26; nach und nach wurde derſelbe bekannt. § 3618

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1237
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 1213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1237>, abgerufen am 22.11.2024.