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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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CIIII h. vom insize, auszuge,
lassung ehelicher leibes-erben verstirbt (§ 4195 des
2ten th.), und nichts anders verordnet. Wozu
noch insbesondere kömmt: wenn nach besonderen
landes- oder stadtrechten der anschlag als eine
schenkung von todes wegen angesehen, und gehal-
ten wird. Jn disem falle hat die widerrufung,
wie bei einem lezten willen, statt. Z. e. im Nas-
sauischen landrechte ist den aeltern erlaubet: so lan-
ge sie leben, die übergaben, welche sie an ire kin-
der getan haben, zu widerrufen. Zu Pracht, im
oberfürstentume Hessen-Marburg, gerichtes
Schoenstätt, verehelichte im jare 1752 Christoph
Kühn seinen einigen son, den Toblas Kühn, mit
Annen Catharinen Faupelin, daselbst. Der vater
des bräutigams behilt sich die halbe herrschaft be-
vor. Beide sezeten, inhalts des § 6 der ehebere-
dung, hut bei schleier etc., mit dem zusaze: daß so-
dann das leztlebende alles erben sollte. Es ging
aber indeß der Tobias Kühn vor seinem vater mit
tode ab, und sein erziletes kind folgete ihm in die
ewigkeit nach. Jndeß kam der krig in die hisigen
lande. Disemnach entschlug sich die junge Küh-
nische witbe eine Faupelin, irer halben herrschaft;
mithin verrichtete der schwiger-vater die ganze herr-
schaft in dem größten kriges-ungemache. Nichts
desto weniger vermeinete sie: daß ihr nunmehr ires
noch lebenden schwiger-vaters (Christoph Kühns)
vermögen anerstorben wäre, und sie einen lezten
willen darüber, nebst der irigen haabseligkeit, stif-
ten, auch ire pate (Gothe) zur erbin einsezen könn-
te; in betracht der § 4 des eheliches ihr hirzu die
macht gebe welchen sie auch vor irem im jare 1760
erfelgeten absterben ins werk sezete; allein der al-
te Kühn wollte sein gut in fremden händen nicht
sehen. Kein auszug war ausgeworfen; sondern
dises sollte erst geschehen, wenn es den alten gele-

gen

CIIII h. vom inſize, auszuge,
laſſung ehelicher leibes-erben verſtirbt (§ 4195 des
2ten th.), und nichts anders verordnet. Wozu
noch insbeſondere koͤmmt: wenn nach beſonderen
landes- oder ſtadtrechten der anſchlag als eine
ſchenkung von todes wegen angeſehen, und gehal-
ten wird. Jn diſem falle hat die widerrufung,
wie bei einem lezten willen, ſtatt. Z. e. im Naſ-
ſauiſchen landrechte iſt den aeltern erlaubet: ſo lan-
ge ſie leben, die uͤbergaben, welche ſie an ire kin-
der getan haben, zu widerrufen. Zu Pracht, im
oberfuͤrſtentume Heſſen-Marburg, gerichtes
Schoenſtaͤtt, verehelichte im jare 1752 Chriſtoph
Kuͤhn ſeinen einigen ſon, den Toblas Kuͤhn, mit
Annen Catharinen Faupelin, daſelbſt. Der vater
des braͤutigams behilt ſich die halbe herrſchaft be-
vor. Beide ſezeten, inhalts des § 6 der ehebere-
dung, hut bei ſchleier ꝛc., mit dem zuſaze: daß ſo-
dann das leztlebende alles erben ſollte. Es ging
aber indeß der Tobias Kuͤhn vor ſeinem vater mit
tode ab, und ſein erziletes kind folgete ihm in die
ewigkeit nach. Jndeß kam der krig in die hiſigen
lande. Diſemnach entſchlug ſich die junge Kuͤh-
niſche witbe eine Faupelin, irer halben herrſchaft;
mithin verrichtete der ſchwiger-vater die ganze herr-
ſchaft in dem groͤßten kriges-ungemache. Nichts
deſto weniger vermeinete ſie: daß ihr nunmehr ires
noch lebenden ſchwiger-vaters (Chriſtoph Kuͤhns)
vermoͤgen anerſtorben waͤre, und ſie einen lezten
willen daruͤber, nebſt der irigen haabſeligkeit, ſtif-
ten, auch ire pate (Gothe) zur erbin einſezen koͤnn-
te; in betracht der § 4 des eheliches ihr hirzu die
macht gebe welchen ſie auch vor irem im jare 1760
erfelgeten abſterben ins werk ſezete; allein der al-
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[454/0478] CIIII h. vom inſize, auszuge, laſſung ehelicher leibes-erben verſtirbt (§ 4195 des 2ten th.), und nichts anders verordnet. Wozu noch insbeſondere koͤmmt: wenn nach beſonderen landes- oder ſtadtrechten der anſchlag als eine ſchenkung von todes wegen angeſehen, und gehal- ten wird. Jn diſem falle hat die widerrufung, wie bei einem lezten willen, ſtatt. Z. e. im Naſ- ſauiſchen landrechte iſt den aeltern erlaubet: ſo lan- ge ſie leben, die uͤbergaben, welche ſie an ire kin- der getan haben, zu widerrufen. Zu Pracht, im oberfuͤrſtentume Heſſen-Marburg, gerichtes Schoenſtaͤtt, verehelichte im jare 1752 Chriſtoph Kuͤhn ſeinen einigen ſon, den Toblas Kuͤhn, mit Annen Catharinen Faupelin, daſelbſt. Der vater des braͤutigams behilt ſich die halbe herrſchaft be- vor. Beide ſezeten, inhalts des § 6 der ehebere- dung, hut bei ſchleier ꝛc., mit dem zuſaze: daß ſo- dann das leztlebende alles erben ſollte. Es ging aber indeß der Tobias Kuͤhn vor ſeinem vater mit tode ab, und ſein erziletes kind folgete ihm in die ewigkeit nach. Jndeß kam der krig in die hiſigen lande. Diſemnach entſchlug ſich die junge Kuͤh- niſche witbe eine Faupelin, irer halben herrſchaft; mithin verrichtete der ſchwiger-vater die ganze herr- ſchaft in dem groͤßten kriges-ungemache. Nichts deſto weniger vermeinete ſie: daß ihr nunmehr ires noch lebenden ſchwiger-vaters (Chriſtoph Kuͤhns) vermoͤgen anerſtorben waͤre, und ſie einen lezten willen daruͤber, nebſt der irigen haabſeligkeit, ſtif- ten, auch ire pate (Gothe) zur erbin einſezen koͤnn- te; in betracht der § 4 des eheliches ihr hirzu die macht gebe welchen ſie auch vor irem im jare 1760 erfelgeten abſterben ins werk ſezete; allein der al- te Kuͤhn wollte ſein gut in fremden haͤnden nicht ſehen. Kein auszug war ausgeworfen; ſondern diſes ſollte erſt geſchehen, wenn es den alten gele- gen

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/478>, abgerufen am 22.11.2024.