Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

CXXIV h. von den erlosen, anrücht.
war schimpflich. Du hast eine wunde an dem hin-
rern bekommen,
war eine der schmähelichsten
sch[r]mpfceden. Von vorne erhaltene wunden gerei-
che[re]n dem krigesmanne zur ere; von hinten aber
zeigete ein ergriffenes haasenpanier an. Wer von
rittersart geschimpfet war, der musste sich nach sol-
dartenart schlagen. Die ganze ere stand, nach
dem teutschen begriffe, auf der spize des tegens. Ein
leibeigener durfte keinen tegen tragen. Solchem-
nach gehörete auch das tegentragen eigentlich den
soldaten. Heute zu tage hat sich die sache geändert,
da gar vile zum state tegen tragen; darnebst der
ehemalige krigerische zustand sich im teutschen Rei-
che verwandelt hat; so ist die ursache, warum heu-
te zu tage das duelliren verboten, daraus leicht
abzunemen. Worzu noch kömmt: daß einer, wel-
cher sich schläget, da er im bürgerlichen zustande le-
bet; aus disem aber sich in den natürlichen verse-
zet, den landesfürsten beleidige. Jnzwischen ist
ein officier, und im soldatenstande befindlicher
mensch übel daran. Denn schläget er sich; so wird
er gestrafet; tut er es nicht; so wird er verachtet.
Allein einem gelehrten, welcher wie ein geistlicher
betrachtet wird, stehet das schlagen nicht zu; er kan
seine sachen mit der feder in schriften ausmachen.

§ 991
vom erlichen
raube.

Die Teutsche hatten ehedem einen erlichen raub
(rapinam honestam oder rationalem), Haltaus
sp. 1404; allein der dibstal war bei inen verhas-
set; daher den diben zur strafe auch wohl die bren-
nung des schlüssels an den kinbacken widerfur;
mithin sie gebrandmarket wurden, Haltaus
sp. 1636.

§ 992

CXXIV h. von den erloſen, anruͤcht.
war ſchimpflich. Du haſt eine wunde an dem hin-
rern bekommen,
war eine der ſchmaͤhelichſten
ſch[r]mpfceden. Von vorne erhaltene wunden gerei-
che[re]n dem krigesmanne zur ere; von hinten aber
zeigete ein ergriffenes haaſenpanier an. Wer von
rittersart geſchimpfet war, der muſſte ſich nach ſol-
dartenart ſchlagen. Die ganze ere ſtand, nach
dem teutſchen begriffe, auf der ſpize des tegens. Ein
leibeigener durfte keinen tegen tragen. Solchem-
nach gehoͤrete auch das tegentragen eigentlich den
ſoldaten. Heute zu tage hat ſich die ſache geaͤndert,
da gar vile zum ſtate tegen tragen; darnebſt der
ehemalige krigeriſche zuſtand ſich im teutſchen Rei-
che verwandelt hat; ſo iſt die urſache, warum heu-
te zu tage das duelliren verboten, daraus leicht
abzunemen. Worzu noch koͤmmt: daß einer, wel-
cher ſich ſchlaͤget, da er im buͤrgerlichen zuſtande le-
bet; aus diſem aber ſich in den natuͤrlichen verſe-
zet, den landesfuͤrſten beleidige. Jnzwiſchen iſt
ein officier, und im ſoldatenſtande befindlicher
menſch uͤbel daran. Denn ſchlaͤget er ſich; ſo wird
er geſtrafet; tut er es nicht; ſo wird er verachtet.
Allein einem gelehrten, welcher wie ein geiſtlicher
betrachtet wird, ſtehet das ſchlagen nicht zu; er kan
ſeine ſachen mit der feder in ſchriften ausmachen.

§ 991
vom erlichen
raube.

Die Teutſche hatten ehedem einen erlichen raub
(rapinam honeſtam oder rationalem), Haltaus
ſp. 1404; allein der dibſtal war bei inen verhaſ-
ſet; daher den diben zur ſtrafe auch wohl die bren-
nung des ſchluͤſſels an den kinbacken widerfur;
mithin ſie gebrandmarket wurden, Haltaus
ſp. 1636.

§ 992
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0640" n="616"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">CXXIV</hi> h. von den erlo&#x017F;en, anru&#x0364;cht.</hi></fw><lb/>
war &#x017F;chimpflich. <hi rendition="#fr">Du ha&#x017F;t eine wunde an dem hin-<lb/>
rern bekommen,</hi> war eine der &#x017F;chma&#x0364;helich&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ch<supplied>r</supplied>mpfceden. Von vorne erhaltene wunden gerei-<lb/>
che<supplied>re</supplied>n dem krigesmanne zur ere; von hinten aber<lb/>
zeigete ein ergriffenes haa&#x017F;enpanier an. Wer von<lb/>
rittersart ge&#x017F;chimpfet war, der mu&#x017F;&#x017F;te &#x017F;ich nach &#x017F;ol-<lb/>
dartenart &#x017F;chlagen. Die ganze ere &#x017F;tand, nach<lb/>
dem teut&#x017F;chen begriffe, auf der &#x017F;pize des tegens. Ein<lb/>
leibeigener durfte keinen tegen tragen. Solchem-<lb/>
nach geho&#x0364;rete auch das tegentragen eigentlich den<lb/>
&#x017F;oldaten. Heute zu tage hat &#x017F;ich die &#x017F;ache gea&#x0364;ndert,<lb/>
da gar vile zum &#x017F;tate tegen tragen; darneb&#x017F;t der<lb/>
ehemalige krigeri&#x017F;che zu&#x017F;tand &#x017F;ich im teut&#x017F;chen Rei-<lb/>
che verwandelt hat; &#x017F;o i&#x017F;t die ur&#x017F;ache, warum heu-<lb/>
te zu tage das duelliren verboten, daraus leicht<lb/>
abzunemen. Worzu noch ko&#x0364;mmt: daß einer, wel-<lb/>
cher &#x017F;ich &#x017F;chla&#x0364;get, da er im bu&#x0364;rgerlichen zu&#x017F;tande le-<lb/>
bet; aus di&#x017F;em aber &#x017F;ich in den natu&#x0364;rlichen ver&#x017F;e-<lb/>
zet, den landesfu&#x0364;r&#x017F;ten beleidige. Jnzwi&#x017F;chen i&#x017F;t<lb/>
ein officier, und im &#x017F;oldaten&#x017F;tande befindlicher<lb/>
men&#x017F;ch u&#x0364;bel daran. Denn &#x017F;chla&#x0364;get er &#x017F;ich; &#x017F;o wird<lb/>
er ge&#x017F;trafet; tut er es nicht; &#x017F;o wird er verachtet.<lb/>
Allein einem gelehrten, welcher wie ein gei&#x017F;tlicher<lb/>
betrachtet wird, &#x017F;tehet das &#x017F;chlagen nicht zu; er kan<lb/>
&#x017F;eine &#x017F;achen mit der feder in &#x017F;chriften ausmachen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 991</head><lb/>
          <note place="left">vom erlichen<lb/>
raube.</note>
          <p>Die Teut&#x017F;che hatten ehedem einen erlichen raub<lb/>
(rapinam hone&#x017F;tam oder rationalem), <hi rendition="#fr">Haltaus</hi><lb/>
&#x017F;p. 1404; allein der dib&#x017F;tal war bei inen verha&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et; daher den diben zur &#x017F;trafe auch wohl die bren-<lb/>
nung des &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;els an den kinbacken widerfur;<lb/>
mithin &#x017F;ie gebrandmarket wurden, <hi rendition="#fr">Haltaus</hi><lb/>
&#x017F;p. 1636.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§ 992</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[616/0640] CXXIV h. von den erloſen, anruͤcht. war ſchimpflich. Du haſt eine wunde an dem hin- rern bekommen, war eine der ſchmaͤhelichſten ſchrmpfceden. Von vorne erhaltene wunden gerei- cheren dem krigesmanne zur ere; von hinten aber zeigete ein ergriffenes haaſenpanier an. Wer von rittersart geſchimpfet war, der muſſte ſich nach ſol- dartenart ſchlagen. Die ganze ere ſtand, nach dem teutſchen begriffe, auf der ſpize des tegens. Ein leibeigener durfte keinen tegen tragen. Solchem- nach gehoͤrete auch das tegentragen eigentlich den ſoldaten. Heute zu tage hat ſich die ſache geaͤndert, da gar vile zum ſtate tegen tragen; darnebſt der ehemalige krigeriſche zuſtand ſich im teutſchen Rei- che verwandelt hat; ſo iſt die urſache, warum heu- te zu tage das duelliren verboten, daraus leicht abzunemen. Worzu noch koͤmmt: daß einer, wel- cher ſich ſchlaͤget, da er im buͤrgerlichen zuſtande le- bet; aus diſem aber ſich in den natuͤrlichen verſe- zet, den landesfuͤrſten beleidige. Jnzwiſchen iſt ein officier, und im ſoldatenſtande befindlicher menſch uͤbel daran. Denn ſchlaͤget er ſich; ſo wird er geſtrafet; tut er es nicht; ſo wird er verachtet. Allein einem gelehrten, welcher wie ein geiſtlicher betrachtet wird, ſtehet das ſchlagen nicht zu; er kan ſeine ſachen mit der feder in ſchriften ausmachen. § 991 Die Teutſche hatten ehedem einen erlichen raub (rapinam honeſtam oder rationalem), Haltaus ſp. 1404; allein der dibſtal war bei inen verhaſ- ſet; daher den diben zur ſtrafe auch wohl die bren- nung des ſchluͤſſels an den kinbacken widerfur; mithin ſie gebrandmarket wurden, Haltaus ſp. 1636. § 992

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/640
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/640>, abgerufen am 22.11.2024.