Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite
des stili insonderheit
Furchtsame gemüther, welchen ihre eigene gute
beschaffenheiten so gering scheinen, daß sie de-
nenselben alles glück absprechen, können sich
auch keine vergnügende hülfe von dieser blin-
den göttin in ihren beförderungen versprechen;
wann sie schon vorurtheile und unwissenheit
durch eine gründliche gelehrsamkeit und reiche
wissenschaft besieget. Denn der geschmack der
heutigen welt und die umstände bey denen staf-
feln, darauf man zur glücklichen beförderung
gelanget, erfordern von einem ieden, der sie be-
treten will, daß er seine gute eigenschasten etwas
grösser mache, als sie in der that sind, sie etwas
hoch hebe, damit sie desto besser gesehen werden,
und wohl gar für gülden ausgebe, wenn sie
gleichsam nur bleyern sind.

§. 22. Endlich zeiget sich der stilus Laconi-
cus, concisus, sententiosus, in einer gantz kur-
tzen verfassung, mit kurtzen periodis, lässet
weitläuftige beschreibungen und einschränckun-
gen aus, redet gerne mit sententzen und sprich-
wörtern, (weil diese immer reicher an gedan-
cken als worten, und da sie auf etwas anders
zielen, als der eigentliche wort-verstand mit
sich bringet, allezeit ein gedoppeltes nachden-
cken bey einem kurtzem ausdruck verursachen)
verbindet meist realiter, sucht aber desto nach-
drücklichere worte auf, und ist meistentheils
mit dem arguto verbunden, setzt doch niemahls
die guten beschaffenheiten des stili bey seite.

Siehe Hederich, Heineccium, l. c. oben §. 11.
Kem-
des ſtili inſonderheit
Furchtſame gemuͤther, welchen ihre eigene gute
beſchaffenheiten ſo gering ſcheinen, daß ſie de-
nenſelben alles gluͤck abſprechen, koͤnnen ſich
auch keine vergnuͤgende huͤlfe von dieſer blin-
den goͤttin in ihren befoͤrderungen verſprechen;
wann ſie ſchon vorurtheile und unwiſſenheit
durch eine gruͤndliche gelehrſamkeit und reiche
wiſſenſchaft beſieget. Denn der geſchmack der
heutigen welt und die umſtaͤnde bey denen ſtaf-
feln, darauf man zur gluͤcklichen befoͤrderung
gelanget, erfordern von einem ieden, der ſie be-
treten will, daß er ſeine gute eigenſchaſten etwas
groͤſſer mache, als ſie in der that ſind, ſie etwas
hoch hebe, damit ſie deſto beſſer geſehen werden,
und wohl gar fuͤr guͤlden ausgebe, wenn ſie
gleichſam nur bleyern ſind.

§. 22. Endlich zeiget ſich der ſtilus Laconi-
cus, conciſus, ſententioſus, in einer gantz kur-
tzen verfaſſung, mit kurtzen periodis, laͤſſet
weitlaͤuftige beſchreibungen und einſchraͤnckun-
gen aus, redet gerne mit ſententzen und ſprich-
woͤrtern, (weil dieſe immer reicher an gedan-
cken als worten, und da ſie auf etwas anders
zielen, als der eigentliche wort-verſtand mit
ſich bringet, allezeit ein gedoppeltes nachden-
cken bey einem kurtzem ausdruck verurſachen)
verbindet meiſt realiter, ſucht aber deſto nach-
druͤcklichere worte auf, und iſt meiſtentheils
mit dem arguto verbunden, ſetzt doch niemahls
die guten beſchaffenheiten des ſtili bey ſeite.

Siehe Hederich, Heineccium, l. c. oben §. 11.
Kem-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0365" n="347"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">des &#x017F;tili                                     in&#x017F;onderheit</hi> </fw><lb/>
              <list>
                <item>Furcht&#x017F;ame gemu&#x0364;ther, welchen ihre eigene                                     gute<lb/>
be&#x017F;chaffenheiten &#x017F;o gering                                     &#x017F;cheinen, daß &#x017F;ie de-<lb/>
nen&#x017F;elben alles                                     glu&#x0364;ck ab&#x017F;prechen, ko&#x0364;nnen &#x017F;ich<lb/>
auch keine vergnu&#x0364;gende hu&#x0364;lfe von die&#x017F;er                                     blin-<lb/>
den go&#x0364;ttin in ihren befo&#x0364;rderungen                                     ver&#x017F;prechen;<lb/>
wann &#x017F;ie &#x017F;chon                                     vorurtheile und unwi&#x017F;&#x017F;enheit<lb/>
durch eine                                     gru&#x0364;ndliche gelehr&#x017F;amkeit und reiche<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft be&#x017F;ieget. Denn der                                     ge&#x017F;chmack der<lb/>
heutigen welt und die                                     um&#x017F;ta&#x0364;nde bey denen &#x017F;taf-<lb/>
feln, darauf                                     man zur glu&#x0364;cklichen befo&#x0364;rderung<lb/>
gelanget,                                     erfordern von einem ieden, der &#x017F;ie be-<lb/>
treten will,                                     daß er &#x017F;eine gute eigen&#x017F;cha&#x017F;ten etwas<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er mache, als &#x017F;ie in der that                                     &#x017F;ind, &#x017F;ie etwas<lb/>
hoch hebe, damit &#x017F;ie                                     de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;ehen werden,<lb/>
und wohl gar fu&#x0364;r gu&#x0364;lden ausgebe, wenn                                     &#x017F;ie<lb/>
gleich&#x017F;am nur bleyern &#x017F;ind.</item>
              </list><lb/>
              <p>§. 22. Endlich zeiget &#x017F;ich der &#x017F;tilus Laconi-<lb/>
cus,                                 conci&#x017F;us, &#x017F;ententio&#x017F;us, in einer gantz                                 kur-<lb/>
tzen verfa&#x017F;&#x017F;ung, mit kurtzen periodis,                                 la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et<lb/>
weitla&#x0364;uftige                                 be&#x017F;chreibungen und ein&#x017F;chra&#x0364;nckun-<lb/>
gen                                 aus, redet gerne mit &#x017F;ententzen und &#x017F;prich-<lb/>
wo&#x0364;rtern, (weil die&#x017F;e immer reicher an gedan-<lb/>
cken als worten, und da &#x017F;ie auf etwas anders<lb/>
zielen, als                                 der eigentliche wort-ver&#x017F;tand mit<lb/>
&#x017F;ich bringet,                                 allezeit ein gedoppeltes nachden-<lb/>
cken bey einem kurtzem                                 ausdruck verur&#x017F;achen)<lb/>
verbindet mei&#x017F;t realiter,                                 &#x017F;ucht aber de&#x017F;to nach-<lb/>
dru&#x0364;cklichere worte                                 auf, und i&#x017F;t mei&#x017F;tentheils<lb/>
mit dem arguto                                 verbunden, &#x017F;etzt doch niemahls<lb/>
die guten                                 be&#x017F;chaffenheiten des &#x017F;tili bey &#x017F;eite.</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#fr">Siehe Hederich, Heineccium,</hi><hi rendition="#aq">l. c.</hi> oben §. 11.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Kem-</hi></fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0365] des ſtili inſonderheit Furchtſame gemuͤther, welchen ihre eigene gute beſchaffenheiten ſo gering ſcheinen, daß ſie de- nenſelben alles gluͤck abſprechen, koͤnnen ſich auch keine vergnuͤgende huͤlfe von dieſer blin- den goͤttin in ihren befoͤrderungen verſprechen; wann ſie ſchon vorurtheile und unwiſſenheit durch eine gruͤndliche gelehrſamkeit und reiche wiſſenſchaft beſieget. Denn der geſchmack der heutigen welt und die umſtaͤnde bey denen ſtaf- feln, darauf man zur gluͤcklichen befoͤrderung gelanget, erfordern von einem ieden, der ſie be- treten will, daß er ſeine gute eigenſchaſten etwas groͤſſer mache, als ſie in der that ſind, ſie etwas hoch hebe, damit ſie deſto beſſer geſehen werden, und wohl gar fuͤr guͤlden ausgebe, wenn ſie gleichſam nur bleyern ſind. §. 22. Endlich zeiget ſich der ſtilus Laconi- cus, conciſus, ſententioſus, in einer gantz kur- tzen verfaſſung, mit kurtzen periodis, laͤſſet weitlaͤuftige beſchreibungen und einſchraͤnckun- gen aus, redet gerne mit ſententzen und ſprich- woͤrtern, (weil dieſe immer reicher an gedan- cken als worten, und da ſie auf etwas anders zielen, als der eigentliche wort-verſtand mit ſich bringet, allezeit ein gedoppeltes nachden- cken bey einem kurtzem ausdruck verurſachen) verbindet meiſt realiter, ſucht aber deſto nach- druͤcklichere worte auf, und iſt meiſtentheils mit dem arguto verbunden, ſetzt doch niemahls die guten beſchaffenheiten des ſtili bey ſeite. Siehe Hederich, Heineccium, l. c. oben §. 11. Kem-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/365
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/365>, abgerufen am 22.11.2024.