Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

von allerhand schul-
tzet einem armen unerfahrnen niemals von
den schätzen des grossen Mogols etwas für.
Erzehlet auch nicht dem frauenzimmer, was für
geheimnisse in der Metaphysick verborgen. Sei-
ne beredsamkeit läst sich in keine höltzerne und
steinerne machinen einschliessen, sondern zeiget
ihre kraft überall im menschlichen leben, wo
es nützlich und nöthig ist. Endlich stellet uns
auch sein leib, eine lebendige beredsamkeit vor
augen. Alles redet an ihm, gesicht, augen,
hände, stellungen, alles redet mit der sache.
Bey traurigen dingen zeugen alle bewegun-
gen seines leibes, von einer innerlichen betrüb-
niß, und bey frölichen dingen wird er gewiß
nicht thränen vergiessen. Er beobachtet den
wohlstand, ohne daß er daraus einen abgott
mache. Er redet mit hertzhaftigkeit, denn
wer wie die schnecken, weder hertz noch zunge
hat, schickt sich zu keinem redner, allein seine
freymüthigkeit ist mit vieler sittsamkeit gemäs-
siget. Er redet nicht wie des Alberti Magni
statue, welche bey ihren reden sich nicht be-
wegte, aber man darf ihn auch nicht fragen,
wie viel schritte er peroriret. Capistranus,
ein Päbstischer knecht, welcher zu denen Creutz-
zügen durch seine predigten die leute bere-
den sollte, konte auch diejenigen, so ihn nicht
höreten, sondern nur sahen also rühren, daß
sie bitterlich weineten. Gewiß aller geschick-
ten redner äusserliche stellung trift die her-
tzen der zuhörer. H. A. Dieses ist das bild

eines

von allerhand ſchul-
tzet einem armen unerfahrnen niemals von
den ſchaͤtzen des groſſen Mogols etwas fuͤr.
Erzehlet auch nicht dem frauenzimmer, was fuͤr
geheimniſſe in der Metaphyſick verborgen. Sei-
ne beredſamkeit laͤſt ſich in keine hoͤltzerne und
ſteinerne machinen einſchlieſſen, ſondern zeiget
ihre kraft uͤberall im menſchlichen leben, wo
es nuͤtzlich und noͤthig iſt. Endlich ſtellet uns
auch ſein leib, eine lebendige beredſamkeit vor
augen. Alles redet an ihm, geſicht, augen,
haͤnde, ſtellungen, alles redet mit der ſache.
Bey traurigen dingen zeugen alle bewegun-
gen ſeines leibes, von einer innerlichen betruͤb-
niß, und bey froͤlichen dingen wird er gewiß
nicht thraͤnen vergieſſen. Er beobachtet den
wohlſtand, ohne daß er daraus einen abgott
mache. Er redet mit hertzhaftigkeit, denn
wer wie die ſchnecken, weder hertz noch zunge
hat, ſchickt ſich zu keinem redner, allein ſeine
freymuͤthigkeit iſt mit vieler ſittſamkeit gemaͤſ-
ſiget. Er redet nicht wie des Alberti Magni
ſtatue, welche bey ihren reden ſich nicht be-
wegte, aber man darf ihn auch nicht fragen,
wie viel ſchritte er peroriret. Capiſtranus,
ein Paͤbſtiſcher knecht, welcher zu denen Creutz-
zuͤgen durch ſeine predigten die leute bere-
den ſollte, konte auch diejenigen, ſo ihn nicht
hoͤreten, ſondern nur ſahen alſo ruͤhren, daß
ſie bitterlich weineten. Gewiß aller geſchick-
ten redner aͤuſſerliche ſtellung trift die her-
tzen der zuhoͤrer. H. A. Dieſes iſt das bild

eines
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0444" n="426"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von allerhand                                 &#x017F;chul-</hi></fw><lb/>
tzet einem armen unerfahrnen niemals                         von<lb/>
den &#x017F;cha&#x0364;tzen des gro&#x017F;&#x017F;en Mogols etwas                         fu&#x0364;r.<lb/>
Erzehlet auch nicht dem frauenzimmer, was fu&#x0364;r<lb/>
geheimni&#x017F;&#x017F;e in der Metaphy&#x017F;ick verborgen. Sei-<lb/>
ne                         bered&#x017F;amkeit la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich in keine                         ho&#x0364;ltzerne und<lb/>
&#x017F;teinerne machinen                         ein&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern zeiget<lb/>
ihre kraft                         u&#x0364;berall im men&#x017F;chlichen leben, wo<lb/>
es nu&#x0364;tzlich                         und no&#x0364;thig i&#x017F;t. Endlich &#x017F;tellet uns<lb/>
auch                         &#x017F;ein leib, eine lebendige bered&#x017F;amkeit vor<lb/>
augen. Alles                         redet an ihm, ge&#x017F;icht, augen,<lb/>
ha&#x0364;nde, &#x017F;tellungen,                         alles redet mit der &#x017F;ache.<lb/>
Bey traurigen dingen zeugen alle                         bewegun-<lb/>
gen &#x017F;eines leibes, von einer innerlichen                         betru&#x0364;b-<lb/>
niß, und bey fro&#x0364;lichen dingen wird er                         gewiß<lb/>
nicht thra&#x0364;nen vergie&#x017F;&#x017F;en. Er beobachtet                         den<lb/>
wohl&#x017F;tand, ohne daß er daraus einen abgott<lb/>
mache. Er                         redet mit hertzhaftigkeit, denn<lb/>
wer wie die &#x017F;chnecken, weder                         hertz noch zunge<lb/>
hat, &#x017F;chickt &#x017F;ich zu keinem redner,                         allein &#x017F;eine<lb/>
freymu&#x0364;thigkeit i&#x017F;t mit vieler                         &#x017F;itt&#x017F;amkeit gema&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;iget. Er redet                         nicht wie des Alberti Magni<lb/>
&#x017F;tatue, welche bey ihren reden                         &#x017F;ich nicht be-<lb/>
wegte, aber man darf ihn auch nicht fragen,<lb/>
wie viel &#x017F;chritte er peroriret. Capi&#x017F;tranus,<lb/>
ein                         Pa&#x0364;b&#x017F;ti&#x017F;cher knecht, welcher zu denen Creutz-<lb/>
zu&#x0364;gen durch &#x017F;eine predigten die leute bere-<lb/>
den                         &#x017F;ollte, konte auch diejenigen, &#x017F;o ihn nicht<lb/>
ho&#x0364;reten, &#x017F;ondern nur &#x017F;ahen al&#x017F;o ru&#x0364;hren,                         daß<lb/>
&#x017F;ie bitterlich weineten. Gewiß aller ge&#x017F;chick-<lb/>
ten redner a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche &#x017F;tellung trift die                         her-<lb/>
tzen der zuho&#x0364;rer. H. A. Die&#x017F;es i&#x017F;t das bild<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eines</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0444] von allerhand ſchul- tzet einem armen unerfahrnen niemals von den ſchaͤtzen des groſſen Mogols etwas fuͤr. Erzehlet auch nicht dem frauenzimmer, was fuͤr geheimniſſe in der Metaphyſick verborgen. Sei- ne beredſamkeit laͤſt ſich in keine hoͤltzerne und ſteinerne machinen einſchlieſſen, ſondern zeiget ihre kraft uͤberall im menſchlichen leben, wo es nuͤtzlich und noͤthig iſt. Endlich ſtellet uns auch ſein leib, eine lebendige beredſamkeit vor augen. Alles redet an ihm, geſicht, augen, haͤnde, ſtellungen, alles redet mit der ſache. Bey traurigen dingen zeugen alle bewegun- gen ſeines leibes, von einer innerlichen betruͤb- niß, und bey froͤlichen dingen wird er gewiß nicht thraͤnen vergieſſen. Er beobachtet den wohlſtand, ohne daß er daraus einen abgott mache. Er redet mit hertzhaftigkeit, denn wer wie die ſchnecken, weder hertz noch zunge hat, ſchickt ſich zu keinem redner, allein ſeine freymuͤthigkeit iſt mit vieler ſittſamkeit gemaͤſ- ſiget. Er redet nicht wie des Alberti Magni ſtatue, welche bey ihren reden ſich nicht be- wegte, aber man darf ihn auch nicht fragen, wie viel ſchritte er peroriret. Capiſtranus, ein Paͤbſtiſcher knecht, welcher zu denen Creutz- zuͤgen durch ſeine predigten die leute bere- den ſollte, konte auch diejenigen, ſo ihn nicht hoͤreten, ſondern nur ſahen alſo ruͤhren, daß ſie bitterlich weineten. Gewiß aller geſchick- ten redner aͤuſſerliche ſtellung trift die her- tzen der zuhoͤrer. H. A. Dieſes iſt das bild eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/444
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/444>, abgerufen am 24.11.2024.