Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.d) und politischen reden. ob er mit einer hohen, mitteln, oder niedrigenschreib-art am meisten ausrichten könne. Es hilft etwas, wenn man hierbey auf die Facultäten sie- het, und die bewegung der affecten nebst allem, was darzu gehöret, einem Theologo mehr als einem Ju- risten recommendiret, welcher letztere das meiste lob verdienet, wenn er seine sachen schlecht, deutlich und ordentlich vorstellen kan: Es ist auch nicht ohne, daß man auf das naturel und die übrigen eigenschaften der redner selbsten verfallen muß, indem der stylus sen- tentiosus einem menschen, der seine aussprache nach der geschwinden post einzurichten pfleget, übel an- stehen solte, andere hingegen, die einen gantzen tact bey iedweder sylbe aushalten, den zuhörern schreibe- tafeln in die hände geben müsten, wofern sie bey dem ende eines langen periodi das mittel und den anfang nicht vergessen solten: Es ist ferner eine aus- gemachte sache, daß man in einem panegyrico an- ders als in einem briefe schreiben, und die so genann- ten gestudirten reden künstlicher als kurtze Oratio- nes einrichten müsse, welche nur complimente bedeu- ten, und ohne weitläuftiges nachdencken von dem munde und aus der feder fliessen sollen: Gleichwie endlich niemand wird zu leugnen begehren, daß wir gar öfters nach dem goaut solcher leute, die über un- ser glücke zü disponiren haben, reden, und manche schlimme redens-art mit einmischen müssen, weil sie ihnen gefallen hat: Doch bey diesem allen ist mehr zu bedencken, als sich mancher einbildet, und die erfahrung bezeuget es mit manchem traurigen exempel, wie bißweilen ein eintziger terminus, wel- cher unrecht angebracht, oder dem stylo curiä zu- wider ist, manchen redner zum spotte vieler hochge- schätzten anwesenden dargestellet hat. Was soll ich endlich von der Teutschen sprache an Die E e 3
d) und politiſchen reden. ob er mit einer hohen, mitteln, oder niedrigenſchreib-art am meiſten ausrichten koͤnne. Es hilft etwas, wenn man hierbey auf die Facultaͤten ſie- het, und die bewegung der affecten nebſt allem, was darzu gehoͤret, einem Theologo mehr als einem Ju- riſten recommendiret, welcher letztere das meiſte lob verdienet, wenn er ſeine ſachen ſchlecht, deutlich und ordentlich vorſtellen kan: Es iſt auch nicht ohne, daß man auf das naturel und die uͤbrigen eigenſchaftẽ der redner ſelbſten verfallen muß, indem der ſtylus ſen- tentioſus einem menſchen, der ſeine ausſprache nach der geſchwinden poſt einzurichten pfleget, uͤbel an- ſtehen ſolte, andere hingegen, die einen gantzen tact bey iedweder ſylbe aushalten, den zuhoͤrern ſchreibe- tafeln in die haͤnde geben muͤſten, wofern ſie bey dem ende eines langen periodi das mittel und den anfang nicht vergeſſen ſolten: Es iſt ferner eine aus- gemachte ſache, daß man in einem panegyrico an- ders als in einem briefe ſchreiben, und die ſo genann- ten geſtudirten reden kuͤnſtlicher als kurtze Oratio- nes einrichten muͤſſe, welche nur complimente bedeu- ten, und ohne weitlaͤuftiges nachdencken von dem munde und aus der feder flieſſen ſollen: Gleichwie endlich niemand wird zu leugnen begehren, daß wir gar oͤfters nach dem goût ſolcher leute, die uͤber un- ſer gluͤcke zuͤ diſponiren haben, reden, und manche ſchlimme redens-art mit einmiſchen muͤſſen, weil ſie ihnen gefallen hat: Doch bey dieſem allen iſt mehr zu bedencken, als ſich mancher einbildet, und die erfahrung bezeuget es mit manchem traurigen exempel, wie bißweilen ein eintziger terminus, wel- cher unrecht angebracht, oder dem ſtylo curiaͤ zu- wider iſt, manchen redner zum ſpotte vieler hochge- ſchaͤtzten anweſenden dargeſtellet hat. Was ſoll ich endlich von der Teutſchen ſprache an Die E e 3
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und politiſchen reden.
d⁾
ob er mit einer hohen, mitteln, oder niedrigen
ſchreib-art am meiſten ausrichten koͤnne. Es hilft
etwas, wenn man hierbey auf die Facultaͤten ſie-
het, und die bewegung der affecten nebſt allem, was
darzu gehoͤret, einem Theologo mehr als einem Ju-
riſten recommendiret, welcher letztere das meiſte lob
verdienet, wenn er ſeine ſachen ſchlecht, deutlich und
ordentlich vorſtellen kan: Es iſt auch nicht ohne, daß
man auf das naturel und die uͤbrigen eigenſchaftẽ der
redner ſelbſten verfallen muß, indem der ſtylus ſen-
tentioſus einem menſchen, der ſeine ausſprache nach
der geſchwinden poſt einzurichten pfleget, uͤbel an-
ſtehen ſolte, andere hingegen, die einen gantzen tact
bey iedweder ſylbe aushalten, den zuhoͤrern ſchreibe-
tafeln in die haͤnde geben muͤſten, wofern ſie bey
dem ende eines langen periodi das mittel und den
anfang nicht vergeſſen ſolten: Es iſt ferner eine aus-
gemachte ſache, daß man in einem panegyrico an-
ders als in einem briefe ſchreiben, und die ſo genann-
ten geſtudirten reden kuͤnſtlicher als kurtze Oratio-
nes einrichten muͤſſe, welche nur complimente bedeu-
ten, und ohne weitlaͤuftiges nachdencken von dem
munde und aus der feder flieſſen ſollen: Gleichwie
endlich niemand wird zu leugnen begehren, daß wir
gar oͤfters nach dem goût ſolcher leute, die uͤber un-
ſer gluͤcke zuͤ diſponiren haben, reden, und manche
ſchlimme redens-art mit einmiſchen muͤſſen, weil
ſie ihnen gefallen hat: Doch bey dieſem allen iſt
mehr zu bedencken, als ſich mancher einbildet, und
die erfahrung bezeuget es mit manchem traurigen
exempel, wie bißweilen ein eintziger terminus, wel-
cher unrecht angebracht, oder dem ſtylo curiaͤ zu-
wider iſt, manchen redner zum ſpotte vieler hochge-
ſchaͤtzten anweſenden dargeſtellet hat.
Was ſoll ich endlich von der Teutſchen ſprache an
ſich ſelbſt ſagen, mit welcher wir heut zu tage un-
ſere kuͤnſte meiſten theils zu marckte fuͤhren muͤſſen?
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Zitationshilfe: | Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/455>, abgerufen am 27.07.2024. |