Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite
oder geistlichen reden.
und mitleidens-würdige reflexiones machen, etc.
doch ich will auch nicht denen spöttern des pre-
digt-amts, materie zu ihren albernen urtheilen
an die hand geben.
b) Es ist recht erbarmens-würdig, wenn sich zuhö-
rer, die öffters am wenigsten verstand haben,
unterfangen, den prediger entweder nach ihren
fleischlichen begriffen, oder mystischen grillen zu
formiren. Sechs stücke, spricht Lutherus in sei-
nen tischreden C. XXII. gehören zu einem pre-
diger, wie ihn die welt haben will:
1.) daß er
gelehrt sey,
(i. e. nach dem begrif der unverstän-
digen welt daß er nicht etwan eine solide gelehr-
samkeit habe, sondern allotria, Critic, historiam
litterariam, antiquitäten allein, Geographie,
Chiromantie etc. wisse) 2.) feine feine aussprach
habe 3.) daß er beredt sey
(i. e. ein wäscher,
plauderer) 4.) daß er eine schöne person sey, die
die mägdlein und frauen lieb haben können,
5.) daß er kein geld nehme, sondern geld zu
gebe, 6.) daß er rede was man gerne höret.

Dippel sagt: ein prediger müsse seyn verwan[-]
delt in das göttliche nichts:
Und einer von sel-
nen b rüdern meint: ein prediger müsse alle
menschheit ausgezogen haben, in gesellschaft
nicht lachen, aussehen als wenn er schon halb
vergöttert wäre,.
Und was fallen sonst nicht
vor ungereimte urtheile, von denen armen prä-
dicanten? Gewiß man möchte immer derglei-
chen delicaten wehlern, einen prediger, wie sie
ihn haben wolten, aufs papier mahlen lassen,
daß sie ihn gesund gebrauchen und immer bey
sich haben könten. Jnzwischen bleibt es sicher-
lich richtig: ein prediger muß nicht nur ein
geistlicher redner, sondern auch ein redner seyn.

§. 4. Die predigten haben dieses besonders
an sich, daß sie eine geistliche rede aus der h.

schrift
oder geiſtlichen reden.
und mitleidens-wuͤrdige reflexiones machen, ꝛc.
doch ich will auch nicht denen ſpoͤttern des pre-
digt-amts, materie zu ihren albernen urtheilen
an die hand geben.
b) Es iſt recht erbarmens-wuͤrdig, wenn ſich zuhoͤ-
rer, die oͤffters am wenigſten verſtand haben,
unterfangen, den prediger entweder nach ihren
fleiſchlichen begriffen, oder myſtiſchen grillen zu
formiren. Sechs ſtuͤcke, ſpricht Lutherus in ſei-
nen tiſchreden C. XXII. gehoͤren zu einem pre-
diger, wie ihn die welt haben will:
1.) daß er
gelehrt ſey,
(i. e. nach dem begrif der unverſtaͤn-
digen welt daß er nicht etwan eine ſolide gelehr-
ſamkeit habe, ſondern allotria, Critic, hiſtoriam
litterariam, antiquitaͤten allein, Geographie,
Chiromantie ꝛc. wiſſe) 2.) feine feine ausſprach
habe 3.) daß er beredt ſey
(i. e. ein waͤſcher,
plauderer) 4.) daß er eine ſchoͤne perſon ſey, die
die maͤgdlein und frauen lieb haben koͤnnen,
5.) daß er kein geld nehme, ſondern geld zu
gebe, 6.) daß er rede was man gerne hoͤret.

Dippel ſagt: ein prediger muͤſſe ſeyn verwan[-]
delt in das goͤttliche nichts:
Und einer von ſel-
nen b ruͤdern meint: ein prediger muͤſſe alle
menſchheit ausgezogen haben, in geſellſchaft
nicht lachen, auſſehen als wenn er ſchon halb
vergoͤttert waͤre,.
Und was fallen ſonſt nicht
vor ungereimte urtheile, von denen armen praͤ-
dicanten? Gewiß man moͤchte immer derglei-
chen delicaten wehlern, einen prediger, wie ſie
ihn haben wolten, aufs papier mahlen laſſen,
daß ſie ihn geſund gebrauchen und immer bey
ſich haben koͤnten. Jnzwiſchen bleibt es ſicher-
lich richtig: ein prediger muß nicht nur ein
geiſtlicher redner, ſondern auch ein redner ſeyn.

§. 4. Die predigten haben dieſes beſonders
an ſich, daß ſie eine geiſtliche rede aus der h.

ſchrift
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <note xml:id="note-a-85" prev="#notefn-a-85" place="end" n="a)"><pb facs="#f0513" n="495"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">oder gei&#x017F;tlichen                                     reden.</hi></fw><lb/>
und mitleidens-wu&#x0364;rdige reflexiones                             machen, &#xA75B;c.<lb/>
doch ich will auch nicht denen                             &#x017F;po&#x0364;ttern des pre-<lb/>
digt-amts, materie zu ihren                             albernen urtheilen<lb/>
an die hand geben.<lb/></note>
          <note xml:id="note-b-63" prev="#notefn-b-63" place="end" n="b)">Es i&#x017F;t recht                             erbarmens-wu&#x0364;rdig, wenn &#x017F;ich zuho&#x0364;-<lb/>
rer, die                             o&#x0364;ffters am wenig&#x017F;ten ver&#x017F;tand haben,<lb/>
unterfangen, den prediger entweder nach ihren<lb/>
flei&#x017F;chlichen                             begriffen, oder my&#x017F;ti&#x017F;chen grillen zu<lb/>
formiren. <hi rendition="#fr">Sechs</hi> &#x017F;tu&#x0364;cke, &#x017F;pricht                             Lutherus in &#x017F;ei-<lb/>
nen ti&#x017F;chreden <hi rendition="#aq">C. XXII.</hi> <hi rendition="#fr">geho&#x0364;ren zu einem pre-<lb/>
diger, wie ihn                                 die welt haben will:</hi> 1.) <hi rendition="#fr">daß er<lb/>
gelehrt &#x017F;ey,</hi> (<hi rendition="#aq">i. e.</hi> nach dem                             begrif der unver&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digen welt daß er nicht etwan                             eine &#x017F;olide gelehr-<lb/>
&#x017F;amkeit habe, &#x017F;ondern                             allotria, Critic, hi&#x017F;toriam<lb/>
litterariam,                             antiquita&#x0364;ten allein, Geographie,<lb/>
Chiromantie &#xA75B;c.                             wi&#x017F;&#x017F;e) 2.) <hi rendition="#fr">feine feine                                 aus&#x017F;prach<lb/>
habe 3.) daß er beredt &#x017F;ey</hi> (<hi rendition="#aq">i. e.</hi> ein wa&#x0364;&#x017F;cher,<lb/>
plauderer) 4.) <hi rendition="#fr">daß er eine &#x017F;cho&#x0364;ne                                 per&#x017F;on &#x017F;ey, die<lb/>
die ma&#x0364;gdlein und frauen                                 lieb haben ko&#x0364;nnen,<lb/>
5.) daß er kein geld nehme,                                 &#x017F;ondern geld zu<lb/>
gebe, 6.) daß er rede was man gerne                                 ho&#x0364;ret.</hi><lb/>
Dippel &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">ein                                 prediger mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eyn                                     verwan<supplied>-</supplied><lb/>
delt in das go&#x0364;ttliche                                 nichts:</hi> Und einer von &#x017F;el-<lb/>
nen b ru&#x0364;dern                             meint: <hi rendition="#fr">ein prediger mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e                                 alle<lb/>
men&#x017F;chheit ausgezogen haben, in                                 ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
nicht lachen, au&#x017F;&#x017F;ehen                                 als wenn er &#x017F;chon halb<lb/>
vergo&#x0364;ttert                                 wa&#x0364;re,.</hi> Und was fallen &#x017F;on&#x017F;t nicht<lb/>
vor ungereimte urtheile, von denen armen pra&#x0364;-<lb/>
dicanten?                             Gewiß man mo&#x0364;chte immer derglei-<lb/>
chen delicaten wehlern,                             einen prediger, wie &#x017F;ie<lb/>
ihn haben wolten, aufs papier mahlen                             la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß &#x017F;ie ihn ge&#x017F;und gebrauchen                             und immer bey<lb/>
&#x017F;ich haben ko&#x0364;nten. Jnzwi&#x017F;chen                             bleibt es &#x017F;icher-<lb/>
lich richtig: ein prediger muß nicht nur                             ein<lb/>
gei&#x017F;tlicher redner, &#x017F;ondern auch ein redner                             &#x017F;eyn.<lb/></note><lb/>
          <p>§. 4. Die predigten haben die&#x017F;es be&#x017F;onders<lb/>
an &#x017F;ich,                         daß &#x017F;ie eine gei&#x017F;tliche rede aus der h.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chrift</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[495/0513] oder geiſtlichen reden. a⁾ und mitleidens-wuͤrdige reflexiones machen, ꝛc. doch ich will auch nicht denen ſpoͤttern des pre- digt-amts, materie zu ihren albernen urtheilen an die hand geben. b⁾ Es iſt recht erbarmens-wuͤrdig, wenn ſich zuhoͤ- rer, die oͤffters am wenigſten verſtand haben, unterfangen, den prediger entweder nach ihren fleiſchlichen begriffen, oder myſtiſchen grillen zu formiren. Sechs ſtuͤcke, ſpricht Lutherus in ſei- nen tiſchreden C. XXII. gehoͤren zu einem pre- diger, wie ihn die welt haben will: 1.) daß er gelehrt ſey, (i. e. nach dem begrif der unverſtaͤn- digen welt daß er nicht etwan eine ſolide gelehr- ſamkeit habe, ſondern allotria, Critic, hiſtoriam litterariam, antiquitaͤten allein, Geographie, Chiromantie ꝛc. wiſſe) 2.) feine feine ausſprach habe 3.) daß er beredt ſey (i. e. ein waͤſcher, plauderer) 4.) daß er eine ſchoͤne perſon ſey, die die maͤgdlein und frauen lieb haben koͤnnen, 5.) daß er kein geld nehme, ſondern geld zu gebe, 6.) daß er rede was man gerne hoͤret. Dippel ſagt: ein prediger muͤſſe ſeyn verwan- delt in das goͤttliche nichts: Und einer von ſel- nen b ruͤdern meint: ein prediger muͤſſe alle menſchheit ausgezogen haben, in geſellſchaft nicht lachen, auſſehen als wenn er ſchon halb vergoͤttert waͤre,. Und was fallen ſonſt nicht vor ungereimte urtheile, von denen armen praͤ- dicanten? Gewiß man moͤchte immer derglei- chen delicaten wehlern, einen prediger, wie ſie ihn haben wolten, aufs papier mahlen laſſen, daß ſie ihn geſund gebrauchen und immer bey ſich haben koͤnten. Jnzwiſchen bleibt es ſicher- lich richtig: ein prediger muß nicht nur ein geiſtlicher redner, ſondern auch ein redner ſeyn. §. 4. Die predigten haben dieſes beſonders an ſich, daß ſie eine geiſtliche rede aus der h. ſchrift

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/513
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/513>, abgerufen am 22.11.2024.