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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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und derselben erfindung.
ten und umstände, unter sich und mit der hy-
pothesi welche man erwehlet, darthun. Alle
dieienigen wahrheiten, welche durch definitio-
nes und unmittelbare begriffe nicht können
ausgemacht werden, muß man demnach über-
haupt also beweisen, daß man die davon für-
handenen phaenomena und umstände oder
sinnlichkeiten, mit der hypothefi, welche man
angenommen, zusammen hält, und derselben
genaue verbindung für augen leget.

Z. e. ich wolte beweisen: Daß das frauenzimmer,
davon oben gedacht, wohl nicht stellgtim ge-
gangen,
oder: Daß iener wahrhaftig medisi-
ret habe,
oder: Daß einmabl ein kind im mut-
terleibe concipiret,
oder: Daß der spieler aus
malhonnettere filoutiret habe,
oder: Daß iener
der so liederlich depensiret, wohl nicht der
klügste müsse gewesen seyn etc.
Da müste ich
alle umstände zusammen in erwegung ziehen
und zeigen wie schön sie alle mit meinem satze zu-
sammen hiengen. Doch ist zu mercken, daß bey
allen wahrscheinlichkeiten, eine kleine ungewiß-
heit bleibe, ob nicht etwan die sache anders seyn
könne. Jnzwischen ist man ia nicht zu schelten
wenn man seinen verstand so gut und so weit
brauchet als man kan, und der wird nicht viel im
l'ombre gewinnen, der nur spielet wann er 5.
matadors hat. Das menschliche leben aber ist
ein spiel, da das wenigste unstreitig ist.

§. 11. Wahrscheinliche argumenta theilen
sich überhaupt also ein, daß man entweder
vergangene oder gegenwärtige oder zukünftige
dinge beweiset. Und weil das gegenwärtige nur
in einem augenblick bestehet, bey dem vergan-

genen
E 4

und derſelben erfindung.
ten und umſtaͤnde, unter ſich und mit der hy-
potheſi welche man erwehlet, darthun. Alle
dieienigen wahrheiten, welche durch definitio-
nes und unmittelbare begriffe nicht koͤnnen
ausgemacht werden, muß man demnach uͤber-
haupt alſo beweiſen, daß man die davon fuͤr-
handenen phaenomena und umſtaͤnde oder
ſinnlichkeiten, mit der hypothefi, welche man
angenommen, zuſammen haͤlt, und derſelben
genaue verbindung fuͤr augen leget.

Z. e. ich wolte beweiſen: Daß das frauenzimmer,
davon oben gedacht, wohl nicht ſtellgtim ge-
gangen,
oder: Daß iener wahrhaftig mediſi-
ret habe,
oder: Daß einmabl ein kind im mut-
terleibe concipiret,
oder: Daß der ſpieler aus
malhonnettere filoutiret habe,
oder: Daß iener
der ſo liederlich depenſiret, wohl nicht der
kluͤgſte muͤſſe geweſen ſeyn ꝛc.
Da muͤſte ich
alle umſtaͤnde zuſammen in erwegung ziehen
und zeigen wie ſchoͤn ſie alle mit meinem ſatze zu-
ſammen hiengen. Doch iſt zu mercken, daß bey
allen wahrſcheinlichkeiten, eine kleine ungewiß-
heit bleibe, ob nicht etwan die ſache anders ſeyn
koͤnne. Jnzwiſchen iſt man ia nicht zu ſchelten
wenn man ſeinen verſtand ſo gut und ſo weit
brauchet als man kan, und der wird nicht viel im
l'ombre gewinnen, der nur ſpielet wann er 5.
matadors hat. Das menſchliche leben aber iſt
ein ſpiel, da das wenigſte unſtreitig iſt.

§. 11. Wahrſcheinliche argumenta theilen
ſich uͤberhaupt alſo ein, daß man entweder
vergangene oder gegenwaͤrtige oder zukuͤnftige
dinge beweiſet. Und weil das gegenwaͤrtige nur
in einem augenblick beſtehet, bey dem vergan-

genen
E 4
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[71/0089] und derſelben erfindung. ten und umſtaͤnde, unter ſich und mit der hy- potheſi welche man erwehlet, darthun. Alle dieienigen wahrheiten, welche durch definitio- nes und unmittelbare begriffe nicht koͤnnen ausgemacht werden, muß man demnach uͤber- haupt alſo beweiſen, daß man die davon fuͤr- handenen phaenomena und umſtaͤnde oder ſinnlichkeiten, mit der hypothefi, welche man angenommen, zuſammen haͤlt, und derſelben genaue verbindung fuͤr augen leget. Z. e. ich wolte beweiſen: Daß das frauenzimmer, davon oben gedacht, wohl nicht ſtellgtim ge- gangen, oder: Daß iener wahrhaftig mediſi- ret habe, oder: Daß einmabl ein kind im mut- terleibe concipiret, oder: Daß der ſpieler aus malhonnettere filoutiret habe, oder: Daß iener der ſo liederlich depenſiret, wohl nicht der kluͤgſte muͤſſe geweſen ſeyn ꝛc. Da muͤſte ich alle umſtaͤnde zuſammen in erwegung ziehen und zeigen wie ſchoͤn ſie alle mit meinem ſatze zu- ſammen hiengen. Doch iſt zu mercken, daß bey allen wahrſcheinlichkeiten, eine kleine ungewiß- heit bleibe, ob nicht etwan die ſache anders ſeyn koͤnne. Jnzwiſchen iſt man ia nicht zu ſchelten wenn man ſeinen verſtand ſo gut und ſo weit brauchet als man kan, und der wird nicht viel im l'ombre gewinnen, der nur ſpielet wann er 5. matadors hat. Das menſchliche leben aber iſt ein ſpiel, da das wenigſte unſtreitig iſt. §. 11. Wahrſcheinliche argumenta theilen ſich uͤberhaupt alſo ein, daß man entweder vergangene oder gegenwaͤrtige oder zukuͤnftige dinge beweiſet. Und weil das gegenwaͤrtige nur in einem augenblick beſtehet, bey dem vergan- genen E 4

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/89>, abgerufen am 23.11.2024.