Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht. das Rückenhaar der Schweine. Ihre Nase glich der eines Hun-des, und aus dem veilchenblauen Munde ragten ihr zwei span- nenlange Eberzähne. Ihre Augen hatten die Gelbe des Topases, jede Augenbraue schwang sich nieder in langen Zöpfen. Ohren hatte sie wie ein Bär, und ihr rauhes Antlitz, dessen Haut durch die Haare hindurch die Sonne nicht zu schwärzen vermochte, scheuchte jedes zärtliche Begehren. Die Farbe ihrer Hände glich der Haut des Affen, und die Nägel waren glanzlos und wie Lö- wenklauen. Wir glauben dem Dichter gern, daß es selten Kampf und Streit um diese "schöne Braut" gegeben. -- Sie hatte einen Bruder, genannt Malkreatür, in allem ihr ähnlich; auch er trug links und rechts die Hauzähne des Ebers, und sein Haar glich Igelsborsten, scharf wie Glas, welches die Hand Gawans blutig machte, als er ihn dabei ergriff und zu Boden warf. -- Im Iwein wird der Bauer, welcher die wilden Thiere hütet, als Bild abschreckender Häßlichkeit geschildert. Auf dem dicken Kopfe hatte er rußfarbenes, struppiges Haar, welches an Haupt und Bart ganz und gar mit der dicken Schwarte verwachsen war. Sein breites Antlitz war mit tiefen und weiten Runzeln bedeckt. Bart- haar und Brauen waren lang, rauh und greis, seine Ohren breit wie eine Wanne, die Nase groß wie beim Ochsen, kurz und weit, das Antlitz dürr und flachgedrückt, das Auge roth, der Mund weit geschlitzt und mit langen und weit herausragenden Eberzäh- nen. Das Haupt hing ihm herunter, als ob das rauhe Kinn in die Brust wüchse, dagegen war sein Rücken hinaufgezogen, und bog sich mit einem Höcker aus. An Farbe glich er einem Moh- ren. -- Körperliche Häßlichkeit repräsentirt in dieser Zeit zugleich 1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht. das Rückenhaar der Schweine. Ihre Naſe glich der eines Hun-des, und aus dem veilchenblauen Munde ragten ihr zwei ſpan- nenlange Eberzähne. Ihre Augen hatten die Gelbe des Topaſes, jede Augenbraue ſchwang ſich nieder in langen Zöpfen. Ohren hatte ſie wie ein Bär, und ihr rauhes Antlitz, deſſen Haut durch die Haare hindurch die Sonne nicht zu ſchwärzen vermochte, ſcheuchte jedes zärtliche Begehren. Die Farbe ihrer Hände glich der Haut des Affen, und die Nägel waren glanzlos und wie Lö- wenklauen. Wir glauben dem Dichter gern, daß es ſelten Kampf und Streit um dieſe „ſchöne Braut“ gegeben. — Sie hatte einen Bruder, genannt Malkreatür, in allem ihr ähnlich; auch er trug links und rechts die Hauzähne des Ebers, und ſein Haar glich Igelsborſten, ſcharf wie Glas, welches die Hand Gawans blutig machte, als er ihn dabei ergriff und zu Boden warf. — Im Iwein wird der Bauer, welcher die wilden Thiere hütet, als Bild abſchreckender Häßlichkeit geſchildert. Auf dem dicken Kopfe hatte er rußfarbenes, ſtruppiges Haar, welches an Haupt und Bart ganz und gar mit der dicken Schwarte verwachſen war. Sein breites Antlitz war mit tiefen und weiten Runzeln bedeckt. Bart- haar und Brauen waren lang, rauh und greis, ſeine Ohren breit wie eine Wanne, die Naſe groß wie beim Ochſen, kurz und weit, das Antlitz dürr und flachgedrückt, das Auge roth, der Mund weit geſchlitzt und mit langen und weit herausragenden Eberzäh- nen. Das Haupt hing ihm herunter, als ob das rauhe Kinn in die Bruſt wüchſe, dagegen war ſein Rücken hinaufgezogen, und bog ſich mit einem Höcker aus. An Farbe glich er einem Moh- ren. — Körperliche Häßlichkeit repräſentirt in dieſer Zeit zugleich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0113" n="95"/><fw place="top" type="header">1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.</fw><lb/> das Rückenhaar der Schweine. Ihre Naſe glich der eines Hun-<lb/> des, und aus dem veilchenblauen Munde ragten ihr zwei ſpan-<lb/> nenlange Eberzähne. Ihre Augen hatten die Gelbe des Topaſes,<lb/> jede Augenbraue ſchwang ſich nieder in langen Zöpfen. Ohren<lb/> hatte ſie wie ein Bär, und ihr rauhes Antlitz, deſſen Haut durch<lb/> die Haare hindurch die Sonne nicht zu ſchwärzen vermochte,<lb/> ſcheuchte jedes zärtliche Begehren. Die Farbe ihrer Hände glich<lb/> der Haut des Affen, und die Nägel waren glanzlos und wie Lö-<lb/> wenklauen. Wir glauben dem Dichter gern, daß es ſelten Kampf<lb/> und Streit um dieſe „ſchöne Braut“ gegeben. — Sie hatte einen<lb/> Bruder, genannt Malkreatür, in allem ihr ähnlich; auch er trug<lb/> links und rechts die Hauzähne des Ebers, und ſein Haar glich<lb/> Igelsborſten, ſcharf wie Glas, welches die Hand Gawans blutig<lb/> machte, als er ihn dabei ergriff und zu Boden warf. — Im<lb/> Iwein wird der Bauer, welcher die wilden Thiere hütet, als Bild<lb/> abſchreckender Häßlichkeit geſchildert. Auf dem dicken Kopfe hatte<lb/> er rußfarbenes, ſtruppiges Haar, welches an Haupt und Bart<lb/> ganz und gar mit der dicken Schwarte verwachſen war. Sein<lb/> breites Antlitz war mit tiefen und weiten Runzeln bedeckt. Bart-<lb/> haar und Brauen waren lang, rauh und greis, ſeine Ohren breit<lb/> wie eine Wanne, die Naſe groß wie beim Ochſen, kurz und weit,<lb/> das Antlitz dürr und flachgedrückt, das Auge roth, der Mund<lb/> weit geſchlitzt und mit langen und weit herausragenden Eberzäh-<lb/> nen. Das Haupt hing ihm herunter, als ob das rauhe Kinn in<lb/> die Bruſt wüchſe, dagegen war ſein Rücken hinaufgezogen, und<lb/> bog ſich mit einem Höcker aus. An Farbe glich er einem Moh-<lb/> ren. —</p><lb/> <p>Körperliche Häßlichkeit repräſentirt in dieſer Zeit zugleich<lb/> niedrige Geburt und moraliſche Schlechtigkeit. Mit den höfiſchen<lb/> Dichtern, denen ein edelgeborner und edelgeſinnter Mann nie<lb/> häßlich und ein gemeiner Bauer oder Böſewicht nie ſchön iſt,<lb/> ſtimmt die Kunſt überein. Noch in der Malerei und der Sculptur<lb/> des funfzehnten Jahrhunderts iſt das Laſter, die Schlechtigkeit<lb/> und die Bosheit immer häßlich dargeſtellt. Auch in der Heidel-<lb/> berger Handſchrift des Sachſenſpiegels, welche gegen Ende des<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0113]
1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
das Rückenhaar der Schweine. Ihre Naſe glich der eines Hun-
des, und aus dem veilchenblauen Munde ragten ihr zwei ſpan-
nenlange Eberzähne. Ihre Augen hatten die Gelbe des Topaſes,
jede Augenbraue ſchwang ſich nieder in langen Zöpfen. Ohren
hatte ſie wie ein Bär, und ihr rauhes Antlitz, deſſen Haut durch
die Haare hindurch die Sonne nicht zu ſchwärzen vermochte,
ſcheuchte jedes zärtliche Begehren. Die Farbe ihrer Hände glich
der Haut des Affen, und die Nägel waren glanzlos und wie Lö-
wenklauen. Wir glauben dem Dichter gern, daß es ſelten Kampf
und Streit um dieſe „ſchöne Braut“ gegeben. — Sie hatte einen
Bruder, genannt Malkreatür, in allem ihr ähnlich; auch er trug
links und rechts die Hauzähne des Ebers, und ſein Haar glich
Igelsborſten, ſcharf wie Glas, welches die Hand Gawans blutig
machte, als er ihn dabei ergriff und zu Boden warf. — Im
Iwein wird der Bauer, welcher die wilden Thiere hütet, als Bild
abſchreckender Häßlichkeit geſchildert. Auf dem dicken Kopfe hatte
er rußfarbenes, ſtruppiges Haar, welches an Haupt und Bart
ganz und gar mit der dicken Schwarte verwachſen war. Sein
breites Antlitz war mit tiefen und weiten Runzeln bedeckt. Bart-
haar und Brauen waren lang, rauh und greis, ſeine Ohren breit
wie eine Wanne, die Naſe groß wie beim Ochſen, kurz und weit,
das Antlitz dürr und flachgedrückt, das Auge roth, der Mund
weit geſchlitzt und mit langen und weit herausragenden Eberzäh-
nen. Das Haupt hing ihm herunter, als ob das rauhe Kinn in
die Bruſt wüchſe, dagegen war ſein Rücken hinaufgezogen, und
bog ſich mit einem Höcker aus. An Farbe glich er einem Moh-
ren. —
Körperliche Häßlichkeit repräſentirt in dieſer Zeit zugleich
niedrige Geburt und moraliſche Schlechtigkeit. Mit den höfiſchen
Dichtern, denen ein edelgeborner und edelgeſinnter Mann nie
häßlich und ein gemeiner Bauer oder Böſewicht nie ſchön iſt,
ſtimmt die Kunſt überein. Noch in der Malerei und der Sculptur
des funfzehnten Jahrhunderts iſt das Laſter, die Schlechtigkeit
und die Bosheit immer häßlich dargeſtellt. Auch in der Heidel-
berger Handſchrift des Sachſenſpiegels, welche gegen Ende des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |