1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Gahmuret machte es so mit seiner Gemahlin Herzeloide. Ein Hemd, lind und fein, von weißer Seide, das sie auf dem bloßen Leib getragen, das legte er über seinen Ringpanzer, und wenn es durchstochen und zerhauen war, so trug es Herzeloide wieder auf bloßer Haut. So hatten sie es mit achtzehn Hemden gemacht. Ja, als ihr Gemahl im Kampfe gefallen, will sie selbst sein bluti- ges und zerfetztes Hemd, in welchem er gestorben war, an sich le- gen, doch hindert man sie daran und nimmt es ihr fort. Bezeich- nend ist in dieser Beziehung die Geschichte des Ritters von Auchenfurt. Eine von ihm verehrte Frau, die ihrem Gemahl treu bleiben will, verheißt ihm endlich den Lohn seines langen Wer- bens, wenn er ohne Rüstung in den Kampf gehe. Er thut es, und obwohl er durchbohrt wird, kommt er dennoch mit dem Le- ben davon und verlangt nun den versprochenen Minnesold. Auf ihr flehentliches Bitten will er sie ihres Wortes entbinden, wenn sie sich mit demselben blutigen Hemd, in welchem er verwundet worden, auf dem bloßen Leib öffentlich in der Kirche vor dem Altar zeige. Sie erfüllt wirklich diese harte Bedingung. Eine ähnliche Geschichte hat ein französisches Gedicht überliefert. Es war eine schöne, hochgefeierte Dame, um deren Gunst sich drei Ritter bewarben. Um sie zu prüfen, sendet sie ihnen durch einen Knappen eines ihrer Hemden, sie sollten es im Turnier des näch- sten Tages tragen ohne eine andere Rüstung. Der erste Ritter fühlt sich hoch geschmeichelt und nimmt das Hemd, allein nach kurzem Bedenken stellt er die verhängnißvolle Gabe dem Knappen wieder zurück. Der bringt es zum zweiten, welcher es ebenfalls ausschlägt. Der dritte und jüngste nimmt es mit großer Dankbar- keit an, und obwohl ihm noch in der Nacht die Furchtsamkeit manche Qual bereitet, siegt doch die Liebe, und er reitet, wie es verlangt worden, in die Schranken. Todeswund und mit blutbedecktem Hemde, so geht er als Sieger aus dem Kampf hervor. Noch lag er auf dem Krankenlager, da hört er, daß die verehrte Dame, um deretwillen er litt, eine große Gesellschaft gäbe. Er schickt ihr das Hemd und bittet, sie möge es sogleich anlegen, so blutig und zer- fetzt wie es sei. Und die Dame thut es und trotz allem späteren
1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Gahmuret machte es ſo mit ſeiner Gemahlin Herzeloide. Ein Hemd, lind und fein, von weißer Seide, das ſie auf dem bloßen Leib getragen, das legte er über ſeinen Ringpanzer, und wenn es durchſtochen und zerhauen war, ſo trug es Herzeloide wieder auf bloßer Haut. So hatten ſie es mit achtzehn Hemden gemacht. Ja, als ihr Gemahl im Kampfe gefallen, will ſie ſelbſt ſein bluti- ges und zerfetztes Hemd, in welchem er geſtorben war, an ſich le- gen, doch hindert man ſie daran und nimmt es ihr fort. Bezeich- nend iſt in dieſer Beziehung die Geſchichte des Ritters von Auchenfurt. Eine von ihm verehrte Frau, die ihrem Gemahl treu bleiben will, verheißt ihm endlich den Lohn ſeines langen Wer- bens, wenn er ohne Rüſtung in den Kampf gehe. Er thut es, und obwohl er durchbohrt wird, kommt er dennoch mit dem Le- ben davon und verlangt nun den verſprochenen Minneſold. Auf ihr flehentliches Bitten will er ſie ihres Wortes entbinden, wenn ſie ſich mit demſelben blutigen Hemd, in welchem er verwundet worden, auf dem bloßen Leib öffentlich in der Kirche vor dem Altar zeige. Sie erfüllt wirklich dieſe harte Bedingung. Eine ähnliche Geſchichte hat ein franzöſiſches Gedicht überliefert. Es war eine ſchöne, hochgefeierte Dame, um deren Gunſt ſich drei Ritter bewarben. Um ſie zu prüfen, ſendet ſie ihnen durch einen Knappen eines ihrer Hemden, ſie ſollten es im Turnier des näch- ſten Tages tragen ohne eine andere Rüſtung. Der erſte Ritter fühlt ſich hoch geſchmeichelt und nimmt das Hemd, allein nach kurzem Bedenken ſtellt er die verhängnißvolle Gabe dem Knappen wieder zurück. Der bringt es zum zweiten, welcher es ebenfalls ausſchlägt. Der dritte und jüngſte nimmt es mit großer Dankbar- keit an, und obwohl ihm noch in der Nacht die Furchtſamkeit manche Qual bereitet, ſiegt doch die Liebe, und er reitet, wie es verlangt worden, in die Schranken. Todeswund und mit blutbedecktem Hemde, ſo geht er als Sieger aus dem Kampf hervor. Noch lag er auf dem Krankenlager, da hört er, daß die verehrte Dame, um deretwillen er litt, eine große Geſellſchaft gäbe. Er ſchickt ihr das Hemd und bittet, ſie möge es ſogleich anlegen, ſo blutig und zer- fetzt wie es ſei. Und die Dame thut es und trotz allem ſpäteren
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1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
Gahmuret machte es ſo mit ſeiner Gemahlin Herzeloide. Ein
Hemd, lind und fein, von weißer Seide, das ſie auf dem bloßen
Leib getragen, das legte er über ſeinen Ringpanzer, und wenn es
durchſtochen und zerhauen war, ſo trug es Herzeloide wieder auf
bloßer Haut. So hatten ſie es mit achtzehn Hemden gemacht.
Ja, als ihr Gemahl im Kampfe gefallen, will ſie ſelbſt ſein bluti-
ges und zerfetztes Hemd, in welchem er geſtorben war, an ſich le-
gen, doch hindert man ſie daran und nimmt es ihr fort. Bezeich-
nend iſt in dieſer Beziehung die Geſchichte des Ritters von
Auchenfurt. Eine von ihm verehrte Frau, die ihrem Gemahl treu
bleiben will, verheißt ihm endlich den Lohn ſeines langen Wer-
bens, wenn er ohne Rüſtung in den Kampf gehe. Er thut es,
und obwohl er durchbohrt wird, kommt er dennoch mit dem Le-
ben davon und verlangt nun den verſprochenen Minneſold. Auf
ihr flehentliches Bitten will er ſie ihres Wortes entbinden, wenn
ſie ſich mit demſelben blutigen Hemd, in welchem er verwundet
worden, auf dem bloßen Leib öffentlich in der Kirche vor dem
Altar zeige. Sie erfüllt wirklich dieſe harte Bedingung. Eine
ähnliche Geſchichte hat ein franzöſiſches Gedicht überliefert. Es
war eine ſchöne, hochgefeierte Dame, um deren Gunſt ſich drei
Ritter bewarben. Um ſie zu prüfen, ſendet ſie ihnen durch einen
Knappen eines ihrer Hemden, ſie ſollten es im Turnier des näch-
ſten Tages tragen ohne eine andere Rüſtung. Der erſte Ritter
fühlt ſich hoch geſchmeichelt und nimmt das Hemd, allein nach
kurzem Bedenken ſtellt er die verhängnißvolle Gabe dem Knappen
wieder zurück. Der bringt es zum zweiten, welcher es ebenfalls
ausſchlägt. Der dritte und jüngſte nimmt es mit großer Dankbar-
keit an, und obwohl ihm noch in der Nacht die Furchtſamkeit manche
Qual bereitet, ſiegt doch die Liebe, und er reitet, wie es verlangt
worden, in die Schranken. Todeswund und mit blutbedecktem
Hemde, ſo geht er als Sieger aus dem Kampf hervor. Noch lag
er auf dem Krankenlager, da hört er, daß die verehrte Dame, um
deretwillen er litt, eine große Geſellſchaft gäbe. Er ſchickt ihr das
Hemd und bittet, ſie möge es ſogleich anlegen, ſo blutig und zer-
fetzt wie es ſei. Und die Dame thut es und trotz allem ſpäteren
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/123>, abgerufen am 21.11.2024.
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