Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.1. Urzeit und Urzustände. geben, in dem kalten Lande gar keine Kleider zu tragen, außerFelle, deren Kleinheit einen großen Theil des Körpers bloß läßt, und in den Flüssen sich zu baden." Obwohl so voll trotziger Abhärtung, waren die Germanen Ueber die Beschaffenheit und die Form der Kleidung selbst 1*
1. Urzeit und Urzuſtände. geben, in dem kalten Lande gar keine Kleider zu tragen, außerFelle, deren Kleinheit einen großen Theil des Körpers bloß läßt, und in den Flüſſen ſich zu baden.“ Obwohl ſo voll trotziger Abhärtung, waren die Germanen Ueber die Beſchaffenheit und die Form der Kleidung ſelbſt 1*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0021" n="3"/><fw place="top" type="header">1. Urzeit und Urzuſtände.</fw><lb/> geben, in dem kalten Lande gar keine Kleider zu tragen, außer<lb/> Felle, deren Kleinheit einen großen Theil des Körpers bloß läßt,<lb/> und in den Flüſſen ſich zu baden.“</p><lb/> <p>Obwohl ſo voll trotziger Abhärtung, waren die Germanen<lb/> dennoch ſchon in der Urzeit keineswegs Feinde eines bequemen,<lb/> ſelbſt weichlichen Lebens, wenn ſie es haben konnten. Nicht um-<lb/> ſonſt lockte ſie das herrliche, reizvolle Italien mit ſeinen Genüſſen<lb/> und ſeinem ſüßen Nichtsthun zu immer neuen und neuen Zügen,<lb/> obgleich der Untergang ſo vieler ihrer Stammesgenoſſen ſie wie-<lb/> derholt hätte belehren können, daß, ſobald ſie die Höhe der Alpen<lb/> überſchritten, ſie nur hinabſtiegen in ein offenes, wenn auch la-<lb/> chendes Grab. Auch am heimiſchen Herd verſagten ſie ſich den<lb/> Genuß nicht, wie ihn derſelbe bot: am Feuer lagen ſie ausge-<lb/> ſtreckt, den nackten Körper der Gluth ausſetzend, nichts thuend,<lb/> träumend und trinkend. Mit beſonderer Vorliebe waren ſie dem<lb/> warmen Bad ergeben. Im Sommer zwar ſuchten ſie auch die<lb/> kühlen Ströme auf, und die Römer hatten oft Gelegenheit, ihre<lb/> Schwimmergewandtheit zu bewundern, im Winter aber, wenn<lb/> ſie es anders im Stande waren, ließen ſie ſich täglich zu Hauſe<lb/> ein warmes Bad bereiten, nach welchem ſie ſodann zum Frühſtück<lb/> gingen. Wie ſtaunten die Soldaten des Marius, als ſie am<lb/> Vortage der großen Vernichtungsſchlacht bei Aquä Sextiä einen<lb/> Theil der Germanen überraſchten, wie er ſich in den warmen<lb/> Quellen, die dort aus dem Boden ſprudeln, badete und im Ge-<lb/> fühl des Wohlſeins laut jubelte vor Freude und Verwunderung<lb/> über den herrlichen Ort. —</p><lb/> <p>Ueber die Beſchaffenheit und die Form der Kleidung ſelbſt<lb/> erhalten wir nur höchſt ungenügende Nachrichten. Auch Tacitus<lb/> beſtätigt noch die verhältnißmäßige Dürftigkeit und Nacktheit.<lb/> Nach ſeinem Bericht tragen alle einen <hi rendition="#g">Mantel</hi>, der durch eine<lb/> Spange oder in Ermangelung derſelben durch einen Dorn (<hi rendition="#aq">spina,</hi><lb/> d. h. wohl eine aus Holz geſchnitzte Nadel), auf der Schulter<lb/> nämlich, feſtgehalten wird. Aber den meiſten iſt dieſes Kleidungs-<lb/> ſtück Ein und Alles, und nur die Reichſten tragen unter dem<lb/> Mantel noch ein anderes, welches ſich dem Körper eng anſchließt<lb/> <fw place="bottom" type="sig">1*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0021]
1. Urzeit und Urzuſtände.
geben, in dem kalten Lande gar keine Kleider zu tragen, außer
Felle, deren Kleinheit einen großen Theil des Körpers bloß läßt,
und in den Flüſſen ſich zu baden.“
Obwohl ſo voll trotziger Abhärtung, waren die Germanen
dennoch ſchon in der Urzeit keineswegs Feinde eines bequemen,
ſelbſt weichlichen Lebens, wenn ſie es haben konnten. Nicht um-
ſonſt lockte ſie das herrliche, reizvolle Italien mit ſeinen Genüſſen
und ſeinem ſüßen Nichtsthun zu immer neuen und neuen Zügen,
obgleich der Untergang ſo vieler ihrer Stammesgenoſſen ſie wie-
derholt hätte belehren können, daß, ſobald ſie die Höhe der Alpen
überſchritten, ſie nur hinabſtiegen in ein offenes, wenn auch la-
chendes Grab. Auch am heimiſchen Herd verſagten ſie ſich den
Genuß nicht, wie ihn derſelbe bot: am Feuer lagen ſie ausge-
ſtreckt, den nackten Körper der Gluth ausſetzend, nichts thuend,
träumend und trinkend. Mit beſonderer Vorliebe waren ſie dem
warmen Bad ergeben. Im Sommer zwar ſuchten ſie auch die
kühlen Ströme auf, und die Römer hatten oft Gelegenheit, ihre
Schwimmergewandtheit zu bewundern, im Winter aber, wenn
ſie es anders im Stande waren, ließen ſie ſich täglich zu Hauſe
ein warmes Bad bereiten, nach welchem ſie ſodann zum Frühſtück
gingen. Wie ſtaunten die Soldaten des Marius, als ſie am
Vortage der großen Vernichtungsſchlacht bei Aquä Sextiä einen
Theil der Germanen überraſchten, wie er ſich in den warmen
Quellen, die dort aus dem Boden ſprudeln, badete und im Ge-
fühl des Wohlſeins laut jubelte vor Freude und Verwunderung
über den herrlichen Ort. —
Ueber die Beſchaffenheit und die Form der Kleidung ſelbſt
erhalten wir nur höchſt ungenügende Nachrichten. Auch Tacitus
beſtätigt noch die verhältnißmäßige Dürftigkeit und Nacktheit.
Nach ſeinem Bericht tragen alle einen Mantel, der durch eine
Spange oder in Ermangelung derſelben durch einen Dorn (spina,
d. h. wohl eine aus Holz geſchnitzte Nadel), auf der Schulter
nämlich, feſtgehalten wird. Aber den meiſten iſt dieſes Kleidungs-
ſtück Ein und Alles, und nur die Reichſten tragen unter dem
Mantel noch ein anderes, welches ſich dem Körper eng anſchließt
1*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |