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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Schutzwehr, ein nothwendiger Theil der Rüstung. Anfangs wurde
er dick mit Wolle gesteppt, dann mit hart in Oel gesottenem Le-
der überzogen oder ganz daraus gebildet und endlich noch an be-
stimmten Stellen mit Eisenplatten belegt, aus denen er schließlich
ganz zusammengesetzt wurde, um gegen die Kugeln des Feuer-
rohrs zu schützen. So entstand der Plattenharnisch oder der
Krebs. Das geschah aber erst im Lauf des funfzehnten Jahrhun-
derts. In der Form, welche der Wappenrock zuerst bei seiner
Umwandlung in ein Stück der Rüstung annahm, erhielt er den
Namen Lendner. Mit dem Kettenhemd legte er sich so eng um
die Glieder wie der Rock und hielt auch in der Länge oder Kürze
die Mode ein; er war eng zugeschnürt, hinten oder vorn, hart
gesteppt, beinahe in der Dicke eines Fingers.

Mit dem Rock zugleich, oder vielmehr durch dessen Schick-
sale veranlaßt, erlitt auch der Gürtel eine bemerkenswerthe Ver-
änderung, die wir bereits ebenfalls angedeutet haben. Da der
Scheckenrock schon für sich allein die Schlankheit des Körpers in
möglichster Weise hob, so war der Gürtel, wo er nicht der ritter-
lichen Würde diente, zwecklos und überflüssig geworden, und
zwar so völlig, daß ihn auch der gerüstete Ritter entbehrte, und
sein kurzes Schwert und seinen Dolch an Ketten hing, die mit
dem andern Ende auf der Brust am Lendner befestigt waren. Es
ist daher nichts Seltnes in dieser Zeit, auf Bildern Ritter wie
Bürger in civiler Kleidung ungegürtet zu finden. Aber die stutzer-
hafte Eitelkeit, eine fast allgemeine Eigenschaft damals, entbehrte
nicht gern eines so prunkenden Schmuckes. Was geschieht? Da
der Gürtel seinen Zweck verloren hat, ändert er auch seine Form.
Nunmehr eine bloße Zierde geworden, dem Ring oder dem Hals-
band ähnlich, läßt er mit sich machen, was der Laune oder der
Mode gefällt. Statt einengend die Taille zu umschließen, wird
er erweitert, daß er lose und locker über die Lenden herunterfällt,
oder unten am Rock angenäht wird; statt aus biegsamem Stoff,
setzt man ihn nun aus breiten und dicken viereckigen Metallplat-
ten zusammen, die gleich den Gliedern einer Kette beweglich an
einander geheftet sind und hinlänglich Raum bieten für Edelsteine

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Schutzwehr, ein nothwendiger Theil der Rüſtung. Anfangs wurde
er dick mit Wolle geſteppt, dann mit hart in Oel geſottenem Le-
der überzogen oder ganz daraus gebildet und endlich noch an be-
ſtimmten Stellen mit Eiſenplatten belegt, aus denen er ſchließlich
ganz zuſammengeſetzt wurde, um gegen die Kugeln des Feuer-
rohrs zu ſchützen. So entſtand der Plattenharniſch oder der
Krebs. Das geſchah aber erſt im Lauf des funfzehnten Jahrhun-
derts. In der Form, welche der Wappenrock zuerſt bei ſeiner
Umwandlung in ein Stück der Rüſtung annahm, erhielt er den
Namen Lendner. Mit dem Kettenhemd legte er ſich ſo eng um
die Glieder wie der Rock und hielt auch in der Länge oder Kürze
die Mode ein; er war eng zugeſchnürt, hinten oder vorn, hart
geſteppt, beinahe in der Dicke eines Fingers.

Mit dem Rock zugleich, oder vielmehr durch deſſen Schick-
ſale veranlaßt, erlitt auch der Gürtel eine bemerkenswerthe Ver-
änderung, die wir bereits ebenfalls angedeutet haben. Da der
Scheckenrock ſchon für ſich allein die Schlankheit des Körpers in
möglichſter Weiſe hob, ſo war der Gürtel, wo er nicht der ritter-
lichen Würde diente, zwecklos und überflüſſig geworden, und
zwar ſo völlig, daß ihn auch der gerüſtete Ritter entbehrte, und
ſein kurzes Schwert und ſeinen Dolch an Ketten hing, die mit
dem andern Ende auf der Bruſt am Lendner befeſtigt waren. Es
iſt daher nichts Seltnes in dieſer Zeit, auf Bildern Ritter wie
Bürger in civiler Kleidung ungegürtet zu finden. Aber die ſtutzer-
hafte Eitelkeit, eine faſt allgemeine Eigenſchaft damals, entbehrte
nicht gern eines ſo prunkenden Schmuckes. Was geſchieht? Da
der Gürtel ſeinen Zweck verloren hat, ändert er auch ſeine Form.
Nunmehr eine bloße Zierde geworden, dem Ring oder dem Hals-
band ähnlich, läßt er mit ſich machen, was der Laune oder der
Mode gefällt. Statt einengend die Taille zu umſchließen, wird
er erweitert, daß er loſe und locker über die Lenden herunterfällt,
oder unten am Rock angenäht wird; ſtatt aus biegſamem Stoff,
ſetzt man ihn nun aus breiten und dicken viereckigen Metallplat-
ten zuſammen, die gleich den Gliedern einer Kette beweglich an
einander geheftet ſind und hinlänglich Raum bieten für Edelſteine

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[201/0219] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Schutzwehr, ein nothwendiger Theil der Rüſtung. Anfangs wurde er dick mit Wolle geſteppt, dann mit hart in Oel geſottenem Le- der überzogen oder ganz daraus gebildet und endlich noch an be- ſtimmten Stellen mit Eiſenplatten belegt, aus denen er ſchließlich ganz zuſammengeſetzt wurde, um gegen die Kugeln des Feuer- rohrs zu ſchützen. So entſtand der Plattenharniſch oder der Krebs. Das geſchah aber erſt im Lauf des funfzehnten Jahrhun- derts. In der Form, welche der Wappenrock zuerſt bei ſeiner Umwandlung in ein Stück der Rüſtung annahm, erhielt er den Namen Lendner. Mit dem Kettenhemd legte er ſich ſo eng um die Glieder wie der Rock und hielt auch in der Länge oder Kürze die Mode ein; er war eng zugeſchnürt, hinten oder vorn, hart geſteppt, beinahe in der Dicke eines Fingers. Mit dem Rock zugleich, oder vielmehr durch deſſen Schick- ſale veranlaßt, erlitt auch der Gürtel eine bemerkenswerthe Ver- änderung, die wir bereits ebenfalls angedeutet haben. Da der Scheckenrock ſchon für ſich allein die Schlankheit des Körpers in möglichſter Weiſe hob, ſo war der Gürtel, wo er nicht der ritter- lichen Würde diente, zwecklos und überflüſſig geworden, und zwar ſo völlig, daß ihn auch der gerüſtete Ritter entbehrte, und ſein kurzes Schwert und ſeinen Dolch an Ketten hing, die mit dem andern Ende auf der Bruſt am Lendner befeſtigt waren. Es iſt daher nichts Seltnes in dieſer Zeit, auf Bildern Ritter wie Bürger in civiler Kleidung ungegürtet zu finden. Aber die ſtutzer- hafte Eitelkeit, eine faſt allgemeine Eigenſchaft damals, entbehrte nicht gern eines ſo prunkenden Schmuckes. Was geſchieht? Da der Gürtel ſeinen Zweck verloren hat, ändert er auch ſeine Form. Nunmehr eine bloße Zierde geworden, dem Ring oder dem Hals- band ähnlich, läßt er mit ſich machen, was der Laune oder der Mode gefällt. Statt einengend die Taille zu umſchließen, wird er erweitert, daß er loſe und locker über die Lenden herunterfällt, oder unten am Rock angenäht wird; ſtatt aus biegſamem Stoff, ſetzt man ihn nun aus breiten und dicken viereckigen Metallplat- ten zuſammen, die gleich den Gliedern einer Kette beweglich an einander geheftet ſind und hinlänglich Raum bieten für Edelſteine

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/219>, abgerufen am 24.11.2024.