hergenommen ist -- war damals neu, nicht aber diese Form des Beinkleides, es sei denn höchstens für den Bürger. -- Fehlen konnte die Beinbekleidung damals nur dem Bauer allein, und auch das dürfte nur als Ausnahme zu betrachten sein, wenn auch der Fall kein seltner war. Häufig haben Leute niedern Standes, Boten zumal, über die Hose noch Strümpfe gezogen, welche bis ans Knie reichen und hier gebunden und umgekrämpt sind.
Da die lange Hose auch die Füße mitbedeckte und dann ge- wiß mit Ledersohlen versehen war, so konnte auch im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert eine besondere Fußbekleidung dem ritterlichen Stande überflüssig sein, und wir sehen sie deßhalb nicht selten fehlen. Der Schnitt der Hose an den Füßen richtet sich ganz nach der herrschenden Mode, d. h. sie war hier lang und zugespitzt. Die Mode der langen Spitzen, die wir weiter unten im Zusammenhang besprechen werden, fing damals an die allge- meine Aufmerksamkeit zu erregen. Wo sich eine besondere Fuß- bekleidung findet -- und bei den Bürgern ist es gewöhnlich so --, sind es Schuhe oder ganz kurze, oben über die Knöchel gehende Stiefeletten. Stiefel, die sich ausnahmsweise erwähnt finden, tragen nur Boten oder reisige Leute. Stiefeletten meint auch die Limburger Chronik, wenn sie berichtet, daß im Jahr 1362 mit den Pluderhosen auch die Stiefeln vergangen seien, "die oben roth Leder hatten und verhauen -- d. h. gezackt -- waren." Auf den Bildern der Kölner Schule vom vierzehnten und auch vom funfzehnten Jahrhundert tragen ritterliche Personen hohe, weite, zum Knie hinaufgehende Stiefeln von rother Farbe, mit einem breiten Goldstreif von oben bis unten und am Rande mit Gold gefaßt. Die Schuhe waren von allen Farben und bedeckten den ganzen Fuß, doch hatten sie auch oben einen offenen oder zuge- schnürten Ausschnitt.
Die ganze Kleidung des Mannes war in ihrer kurzen, an- schließenden Enge darauf angelegt, die Gestalt nach allen Theilen und Gliedern in ihren Formen markirt zu zeigen. In scheinbarem Widerspruch damit steht die Kopftracht, welche es auf Vermum- men abgesehen zu haben scheint. Denn in dieser Zeit bemächtigt
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
hergenommen iſt — war damals neu, nicht aber dieſe Form des Beinkleides, es ſei denn höchſtens für den Bürger. — Fehlen konnte die Beinbekleidung damals nur dem Bauer allein, und auch das dürfte nur als Ausnahme zu betrachten ſein, wenn auch der Fall kein ſeltner war. Häufig haben Leute niedern Standes, Boten zumal, über die Hoſe noch Strümpfe gezogen, welche bis ans Knie reichen und hier gebunden und umgekrämpt ſind.
Da die lange Hoſe auch die Füße mitbedeckte und dann ge- wiß mit Lederſohlen verſehen war, ſo konnte auch im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert eine beſondere Fußbekleidung dem ritterlichen Stande überflüſſig ſein, und wir ſehen ſie deßhalb nicht ſelten fehlen. Der Schnitt der Hoſe an den Füßen richtet ſich ganz nach der herrſchenden Mode, d. h. ſie war hier lang und zugeſpitzt. Die Mode der langen Spitzen, die wir weiter unten im Zuſammenhang beſprechen werden, fing damals an die allge- meine Aufmerkſamkeit zu erregen. Wo ſich eine beſondere Fuß- bekleidung findet — und bei den Bürgern iſt es gewöhnlich ſo —, ſind es Schuhe oder ganz kurze, oben über die Knöchel gehende Stiefeletten. Stiefel, die ſich ausnahmsweiſe erwähnt finden, tragen nur Boten oder reiſige Leute. Stiefeletten meint auch die Limburger Chronik, wenn ſie berichtet, daß im Jahr 1362 mit den Pluderhoſen auch die Stiefeln vergangen ſeien, „die oben roth Leder hatten und verhauen — d. h. gezackt — waren.“ Auf den Bildern der Kölner Schule vom vierzehnten und auch vom funfzehnten Jahrhundert tragen ritterliche Perſonen hohe, weite, zum Knie hinaufgehende Stiefeln von rother Farbe, mit einem breiten Goldſtreif von oben bis unten und am Rande mit Gold gefaßt. Die Schuhe waren von allen Farben und bedeckten den ganzen Fuß, doch hatten ſie auch oben einen offenen oder zuge- ſchnürten Ausſchnitt.
Die ganze Kleidung des Mannes war in ihrer kurzen, an- ſchließenden Enge darauf angelegt, die Geſtalt nach allen Theilen und Gliedern in ihren Formen markirt zu zeigen. In ſcheinbarem Widerſpruch damit ſteht die Kopftracht, welche es auf Vermum- men abgeſehen zu haben ſcheint. Denn in dieſer Zeit bemächtigt
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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
hergenommen iſt — war damals neu, nicht aber dieſe Form des
Beinkleides, es ſei denn höchſtens für den Bürger. — Fehlen
konnte die Beinbekleidung damals nur dem Bauer allein, und
auch das dürfte nur als Ausnahme zu betrachten ſein, wenn auch
der Fall kein ſeltner war. Häufig haben Leute niedern Standes,
Boten zumal, über die Hoſe noch Strümpfe gezogen, welche bis
ans Knie reichen und hier gebunden und umgekrämpt ſind.
Da die lange Hoſe auch die Füße mitbedeckte und dann ge-
wiß mit Lederſohlen verſehen war, ſo konnte auch im vierzehnten
und funfzehnten Jahrhundert eine beſondere Fußbekleidung dem
ritterlichen Stande überflüſſig ſein, und wir ſehen ſie deßhalb
nicht ſelten fehlen. Der Schnitt der Hoſe an den Füßen richtet
ſich ganz nach der herrſchenden Mode, d. h. ſie war hier lang und
zugeſpitzt. Die Mode der langen Spitzen, die wir weiter unten
im Zuſammenhang beſprechen werden, fing damals an die allge-
meine Aufmerkſamkeit zu erregen. Wo ſich eine beſondere Fuß-
bekleidung findet — und bei den Bürgern iſt es gewöhnlich ſo —,
ſind es Schuhe oder ganz kurze, oben über die Knöchel gehende
Stiefeletten. Stiefel, die ſich ausnahmsweiſe erwähnt finden,
tragen nur Boten oder reiſige Leute. Stiefeletten meint auch die
Limburger Chronik, wenn ſie berichtet, daß im Jahr 1362 mit
den Pluderhoſen auch die Stiefeln vergangen ſeien, „die oben
roth Leder hatten und verhauen — d. h. gezackt — waren.“ Auf
den Bildern der Kölner Schule vom vierzehnten und auch vom
funfzehnten Jahrhundert tragen ritterliche Perſonen hohe, weite,
zum Knie hinaufgehende Stiefeln von rother Farbe, mit einem
breiten Goldſtreif von oben bis unten und am Rande mit Gold
gefaßt. Die Schuhe waren von allen Farben und bedeckten den
ganzen Fuß, doch hatten ſie auch oben einen offenen oder zuge-
ſchnürten Ausſchnitt.
Die ganze Kleidung des Mannes war in ihrer kurzen, an-
ſchließenden Enge darauf angelegt, die Geſtalt nach allen Theilen
und Gliedern in ihren Formen markirt zu zeigen. In ſcheinbarem
Widerſpruch damit ſteht die Kopftracht, welche es auf Vermum-
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/221>, abgerufen am 18.06.2024.
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