Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. Tages an andern Orten mehr geschehen, nichtsdestoweniger wardaber die verdrießliche Hoffart nicht abgelegt, sondern ein jeglicher trug sein Haupt empor und thät in seinem kurzen Röcklein und langspitzigen Schuhen als wie ein Storch einhertreten." Mehr noch als unter den Städtern, die in ihrer Modesucht Die Unbequemlichkeit wußte man noch in außerordentlicher II. Das Mittelalter. Tages an andern Orten mehr geſchehen, nichtsdeſtoweniger wardaber die verdrießliche Hoffart nicht abgelegt, ſondern ein jeglicher trug ſein Haupt empor und thät in ſeinem kurzen Röcklein und langſpitzigen Schuhen als wie ein Storch einhertreten.“ Mehr noch als unter den Städtern, die in ihrer Modeſucht Die Unbequemlichkeit wußte man noch in außerordentlicher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0266" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> Tages an andern Orten mehr geſchehen, nichtsdeſtoweniger ward<lb/> aber die verdrießliche Hoffart nicht abgelegt, ſondern ein jeglicher<lb/> trug ſein Haupt empor und thät in ſeinem kurzen Röcklein und<lb/> langſpitzigen Schuhen als wie ein Storch einhertreten.“</p><lb/> <p>Mehr noch als unter den Städtern, die in ihrer Modeſucht<lb/> mit den Geſetzen zu kämpfen hatten, wurde dieſe Tracht unter den<lb/> Fürſten und dem Adel allgemein, in dem Grade, daß ſie ſelbſt<lb/> auf die Rüſtung überging, als die Lendner und die Bein- und<lb/> Fußbedeckung ſich mit Platten belegten. Die völlige Unbequem-<lb/> lichkeit, von der ſchon die böhmiſche Chronik zum Jahr 1367<lb/> ſpricht, „daß man nicht geraum darinnen gehen können,“ war<lb/> kein Hinderniß. Im Nothfall wußten ſich die Ritter der Schnä-<lb/> bel zu entledigen. So machten es die öſterreichiſchen Herren in<lb/> der Schlacht bei Sempach (1386), da ſie mit dem Bauernvolk<lb/> zu Fuß fechten wollten: ſie hieben die Schnäbel von den Schuhen,<lb/> „man hätte gefüllt einen Wagen,“ heißt es im Lied des Halb<lb/> Suters von dieſer Schlacht. In demſelben Jahr 1386 ereignete<lb/> es ſich vor Kaſſel, daß die Heſſen, als die Belagerer abgezogen<lb/> waren, „etliche Wagen voll der ſpitzigen Schnäbel, ſo die Kriegs-<lb/> leute des Sturmes halber abgeſchnitten hatten,“ in die Stadt<lb/> fuhren.</p><lb/> <p>Die Unbequemlichkeit wußte man noch in außerordentlicher<lb/> Weiſe durch Unterſchuhe zu erhöhen. Nach der anfänglichen Mode<lb/> hatte man die Schuhe ſelbſt oder an ihrer Stelle die Füßlinge der<lb/> Hoſe mit den langen, ausgeſtopften Spitzen verſehen. Sie konn-<lb/> ten unter Umſtänden die dreimalige Länge des Fußes erreichen.<lb/> Sie waren entweder ſo ſchlaff, daß ſie beim Gehen willkürlich<lb/> umherflogen und der Träger ſich aufs höchſte vor dem Darauf-<lb/> treten und Niederfallen in Acht nehmen mußte, oder ſie hatten<lb/> durch den hineingeſtopften Werg oder darunter gelegte Sohlen<lb/> inſoweit eine gewiſſe Steife erhalten, daß ſie bei der Biegung<lb/> des Fußes ſich ebenfalls einbogen; oder ſie ſtanden, noch mehr<lb/> geſteift, vorn aufwärts gekrümmt. In der übermäßigen Länge<lb/> war es faſt unmöglich mit ihnen zu gehen, und ſo wird erzählt,<lb/> ſeien ſich mit kleinen Kettchen, die am Knie, auch wohl am Gür-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0266]
II. Das Mittelalter.
Tages an andern Orten mehr geſchehen, nichtsdeſtoweniger ward
aber die verdrießliche Hoffart nicht abgelegt, ſondern ein jeglicher
trug ſein Haupt empor und thät in ſeinem kurzen Röcklein und
langſpitzigen Schuhen als wie ein Storch einhertreten.“
Mehr noch als unter den Städtern, die in ihrer Modeſucht
mit den Geſetzen zu kämpfen hatten, wurde dieſe Tracht unter den
Fürſten und dem Adel allgemein, in dem Grade, daß ſie ſelbſt
auf die Rüſtung überging, als die Lendner und die Bein- und
Fußbedeckung ſich mit Platten belegten. Die völlige Unbequem-
lichkeit, von der ſchon die böhmiſche Chronik zum Jahr 1367
ſpricht, „daß man nicht geraum darinnen gehen können,“ war
kein Hinderniß. Im Nothfall wußten ſich die Ritter der Schnä-
bel zu entledigen. So machten es die öſterreichiſchen Herren in
der Schlacht bei Sempach (1386), da ſie mit dem Bauernvolk
zu Fuß fechten wollten: ſie hieben die Schnäbel von den Schuhen,
„man hätte gefüllt einen Wagen,“ heißt es im Lied des Halb
Suters von dieſer Schlacht. In demſelben Jahr 1386 ereignete
es ſich vor Kaſſel, daß die Heſſen, als die Belagerer abgezogen
waren, „etliche Wagen voll der ſpitzigen Schnäbel, ſo die Kriegs-
leute des Sturmes halber abgeſchnitten hatten,“ in die Stadt
fuhren.
Die Unbequemlichkeit wußte man noch in außerordentlicher
Weiſe durch Unterſchuhe zu erhöhen. Nach der anfänglichen Mode
hatte man die Schuhe ſelbſt oder an ihrer Stelle die Füßlinge der
Hoſe mit den langen, ausgeſtopften Spitzen verſehen. Sie konn-
ten unter Umſtänden die dreimalige Länge des Fußes erreichen.
Sie waren entweder ſo ſchlaff, daß ſie beim Gehen willkürlich
umherflogen und der Träger ſich aufs höchſte vor dem Darauf-
treten und Niederfallen in Acht nehmen mußte, oder ſie hatten
durch den hineingeſtopften Werg oder darunter gelegte Sohlen
inſoweit eine gewiſſe Steife erhalten, daß ſie bei der Biegung
des Fußes ſich ebenfalls einbogen; oder ſie ſtanden, noch mehr
geſteift, vorn aufwärts gekrümmt. In der übermäßigen Länge
war es faſt unmöglich mit ihnen zu gehen, und ſo wird erzählt,
ſeien ſich mit kleinen Kettchen, die am Knie, auch wohl am Gür-
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