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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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1. Urzeit und Urzustände.
Salbe oder den germanischen Kräutern, welche Ovid erwähnt,
weil ihr brünettes Haar derselben vielleicht mehr Widerstand lei-
sten mochte, oder auch weil die damalige Mode großer Coiffüren
nicht mit dem zufrieden war, was die Natur in einzelnen Fällen
gewährt hatte; sie ließen sich aus dem fremden Haar Perücken
machen, die sie in vielfachen, oft grotesken Gestalten trugen.
Manche deutsche Gefangene mußte aus diesem Grunde ihren
schönsten und natürlichsten Schmuck, das blonde Haar, einer rö-
mischen Dame abtreten, ja vielleicht nur durch den Besitz dieses
Schatzes hatte sie ihr unglückliches Loos sich zugezogen. Denn an
den Gränzen Germaniens jagten die römischen Kaufleute eifrigst
diesem Artikel nach; das deutsche Frauenhaar war ein stehender
und guten Gewinn tragender Handelsgegenstand geworden. --
Einigen Kaisern, wie Commodus, Verus, Gallienus, wird auch
nachgesagt, daß sie aus Liebe zum germanischen Blond ihr Haar
mit Goldstaub gepudert hätten. Caracalla trug gar, den Damen
gleich, eine gelbe Perücke nach deutscher Frisur, seiner deutschen
Leibwache zu Gefallen.

Die deutschen Männer blieben in ihrer Eitelkeit nicht bei der
Farbe stehen, sie behandelten das Haar schon damals in so künst-
licher Weise, daß Juvenal ihrer Haarhörner aus gesalbten Locken
spotten konnte. Am auffallendsten unter den verschiedenen Völ-
kerschaften trugen sich die Sueven. Sie kämmten ihr Haar aus
Stirn, Schläfen und Nacken nach dem Scheitel zu, banden es
oben in einen Knoten zusammen und ließen es dann wie eine
Art Zopf nach hinten in den Nacken herunter fallen. Diese Sitte
beobachteten sie bis ins Alter, selbst wenn das Haar grau und
dünn wurde. Und nicht der Liebe zu Gefallen schmücken sie sich
so, sagt Tacitus, sondern um dem Feinde ein Schrecken erregen-
des Aeußere zu zeigen. Die Sueven, die sich für die vorzüglich-
sten aller Germanen hielten, sahen diese eigenthümliche Tracht
als eine Auszeichnung ihres Stammes an. Als ein Paar Jahr-
hunderte später die Franken in der Geschichte auftreten, wird von
ihnen dieselbe Sitte berichtet; und daneben schoren sie die Wan-
gen und das Kinn, ließen aber den Schnurrbart zu beiden Seiten

1. Urzeit und Urzuſtände.
Salbe oder den germaniſchen Kräutern, welche Ovid erwähnt,
weil ihr brünettes Haar derſelben vielleicht mehr Widerſtand lei-
ſten mochte, oder auch weil die damalige Mode großer Coiffüren
nicht mit dem zufrieden war, was die Natur in einzelnen Fällen
gewährt hatte; ſie ließen ſich aus dem fremden Haar Perücken
machen, die ſie in vielfachen, oft grotesken Geſtalten trugen.
Manche deutſche Gefangene mußte aus dieſem Grunde ihren
ſchönſten und natürlichſten Schmuck, das blonde Haar, einer rö-
miſchen Dame abtreten, ja vielleicht nur durch den Beſitz dieſes
Schatzes hatte ſie ihr unglückliches Loos ſich zugezogen. Denn an
den Gränzen Germaniens jagten die römiſchen Kaufleute eifrigſt
dieſem Artikel nach; das deutſche Frauenhaar war ein ſtehender
und guten Gewinn tragender Handelsgegenſtand geworden. —
Einigen Kaiſern, wie Commodus, Verus, Gallienus, wird auch
nachgeſagt, daß ſie aus Liebe zum germaniſchen Blond ihr Haar
mit Goldſtaub gepudert hätten. Caracalla trug gar, den Damen
gleich, eine gelbe Perücke nach deutſcher Friſur, ſeiner deutſchen
Leibwache zu Gefallen.

Die deutſchen Männer blieben in ihrer Eitelkeit nicht bei der
Farbe ſtehen, ſie behandelten das Haar ſchon damals in ſo künſt-
licher Weiſe, daß Juvenal ihrer Haarhörner aus geſalbten Locken
ſpotten konnte. Am auffallendſten unter den verſchiedenen Völ-
kerſchaften trugen ſich die Sueven. Sie kämmten ihr Haar aus
Stirn, Schläfen und Nacken nach dem Scheitel zu, banden es
oben in einen Knoten zuſammen und ließen es dann wie eine
Art Zopf nach hinten in den Nacken herunter fallen. Dieſe Sitte
beobachteten ſie bis ins Alter, ſelbſt wenn das Haar grau und
dünn wurde. Und nicht der Liebe zu Gefallen ſchmücken ſie ſich
ſo, ſagt Tacitus, ſondern um dem Feinde ein Schrecken erregen-
des Aeußere zu zeigen. Die Sueven, die ſich für die vorzüglich-
ſten aller Germanen hielten, ſahen dieſe eigenthümliche Tracht
als eine Auszeichnung ihres Stammes an. Als ein Paar Jahr-
hunderte ſpäter die Franken in der Geſchichte auftreten, wird von
ihnen dieſelbe Sitte berichtet; und daneben ſchoren ſie die Wan-
gen und das Kinn, ließen aber den Schnurrbart zu beiden Seiten

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[9/0027] 1. Urzeit und Urzuſtände. Salbe oder den germaniſchen Kräutern, welche Ovid erwähnt, weil ihr brünettes Haar derſelben vielleicht mehr Widerſtand lei- ſten mochte, oder auch weil die damalige Mode großer Coiffüren nicht mit dem zufrieden war, was die Natur in einzelnen Fällen gewährt hatte; ſie ließen ſich aus dem fremden Haar Perücken machen, die ſie in vielfachen, oft grotesken Geſtalten trugen. Manche deutſche Gefangene mußte aus dieſem Grunde ihren ſchönſten und natürlichſten Schmuck, das blonde Haar, einer rö- miſchen Dame abtreten, ja vielleicht nur durch den Beſitz dieſes Schatzes hatte ſie ihr unglückliches Loos ſich zugezogen. Denn an den Gränzen Germaniens jagten die römiſchen Kaufleute eifrigſt dieſem Artikel nach; das deutſche Frauenhaar war ein ſtehender und guten Gewinn tragender Handelsgegenſtand geworden. — Einigen Kaiſern, wie Commodus, Verus, Gallienus, wird auch nachgeſagt, daß ſie aus Liebe zum germaniſchen Blond ihr Haar mit Goldſtaub gepudert hätten. Caracalla trug gar, den Damen gleich, eine gelbe Perücke nach deutſcher Friſur, ſeiner deutſchen Leibwache zu Gefallen. Die deutſchen Männer blieben in ihrer Eitelkeit nicht bei der Farbe ſtehen, ſie behandelten das Haar ſchon damals in ſo künſt- licher Weiſe, daß Juvenal ihrer Haarhörner aus geſalbten Locken ſpotten konnte. Am auffallendſten unter den verſchiedenen Völ- kerſchaften trugen ſich die Sueven. Sie kämmten ihr Haar aus Stirn, Schläfen und Nacken nach dem Scheitel zu, banden es oben in einen Knoten zuſammen und ließen es dann wie eine Art Zopf nach hinten in den Nacken herunter fallen. Dieſe Sitte beobachteten ſie bis ins Alter, ſelbſt wenn das Haar grau und dünn wurde. Und nicht der Liebe zu Gefallen ſchmücken ſie ſich ſo, ſagt Tacitus, ſondern um dem Feinde ein Schrecken erregen- des Aeußere zu zeigen. Die Sueven, die ſich für die vorzüglich- ſten aller Germanen hielten, ſahen dieſe eigenthümliche Tracht als eine Auszeichnung ihres Stammes an. Als ein Paar Jahr- hunderte ſpäter die Franken in der Geſchichte auftreten, wird von ihnen dieſelbe Sitte berichtet; und daneben ſchoren ſie die Wan- gen und das Kinn, ließen aber den Schnurrbart zu beiden Seiten

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/27>, abgerufen am 23.11.2024.