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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
Liebesbahn stehen. Wie derjenige, welcher seine Laufbahn beginnt,
noch des Hoffens voll ist, so mag Grün auch die Bedeutung der
Hoffnung erhalten haben, die man ebenfalls, wie noch heute,
dieser Farbe zuschreibt; in jenen Zeiten bedeutete Weiß den hof-
fenden, aber auch den glücklichen und den reinen Liebhaber.

"Roth außen, das soll innen
ein brünstig Herze haben."

Roth, das ist die brennende Liebe; wer sie trägt, der deutet da-
mit an, daß er brennt nach seinem Lieb, wie die Glut in dem
Feuer. Aber Roth trägt auch, wer fröhlich ist in glücklicher, treuer
Liebe, und wer trauert um ihretwillen, kleidet sich in Grau.
Einst kamen, wie ein altes Lied sagt, zwei Jungfrauen zusam-
men, die eine in Roth, die andere in Grau gekleidet. Von denen
sprach die Rothe:

"Ich brenn auf der Minne Rost
Und hab Freud und Lieb und Trost
Von einem Knaben minniglich,
Der liebet mich ganz inniglich
Zu aller Zeit im Herzen."

Und die Graue spricht:

"Du freust dich Lieb, der traure ich.
Ich hab einen Knaben auserwählt,
Der mir vor aller Welt gefällt,
Den seh ich gern und ist mein Freud.
Hör dawider manches Leid.
Wann ich ihn seh, so darf ich nicht
Fröhlich stellen mein Gesicht,
Und muß die Freud vermeiden,
Von der falschen Zungen schneiden."

Wer aber ganz in der Liebe unglücklich ist, wen sein Lieb
verlassen hat, der trägt Schwarz, die Farbe der Trauer, "des
Leides Anfang und der Freuden Ende," denn seine Liebe ist zu
Leid geworden, darum er trauern muß. Den Gegensatz, die Ste-
tigkeit, die treue Liebe bezeichnet Blau.

"Und da ich meinen Buhlen het,
Da trug ich Blau, bedeutet stet.

II. Das Mittelalter.
Liebesbahn ſtehen. Wie derjenige, welcher ſeine Laufbahn beginnt,
noch des Hoffens voll iſt, ſo mag Grün auch die Bedeutung der
Hoffnung erhalten haben, die man ebenfalls, wie noch heute,
dieſer Farbe zuſchreibt; in jenen Zeiten bedeutete Weiß den hof-
fenden, aber auch den glücklichen und den reinen Liebhaber.

Roth außen, das ſoll innen
ein brünſtig Herze haben.“

Roth, das iſt die brennende Liebe; wer ſie trägt, der deutet da-
mit an, daß er brennt nach ſeinem Lieb, wie die Glut in dem
Feuer. Aber Roth trägt auch, wer fröhlich iſt in glücklicher, treuer
Liebe, und wer trauert um ihretwillen, kleidet ſich in Grau.
Einſt kamen, wie ein altes Lied ſagt, zwei Jungfrauen zuſam-
men, die eine in Roth, die andere in Grau gekleidet. Von denen
ſprach die Rothe:

„Ich brenn auf der Minne Roſt
Und hab Freud und Lieb und Troſt
Von einem Knaben minniglich,
Der liebet mich ganz inniglich
Zu aller Zeit im Herzen.“

Und die Graue ſpricht:

„Du freuſt dich Lieb, der traure ich.
Ich hab einen Knaben auserwählt,
Der mir vor aller Welt gefällt,
Den ſeh ich gern und iſt mein Freud.
Hör dawider manches Leid.
Wann ich ihn ſeh, ſo darf ich nicht
Fröhlich ſtellen mein Geſicht,
Und muß die Freud vermeiden,
Von der falſchen Zungen ſchneiden.“

Wer aber ganz in der Liebe unglücklich iſt, wen ſein Lieb
verlaſſen hat, der trägt Schwarz, die Farbe der Trauer, „des
Leides Anfang und der Freuden Ende,“ denn ſeine Liebe iſt zu
Leid geworden, darum er trauern muß. Den Gegenſatz, die Ste-
tigkeit, die treue Liebe bezeichnet Blau.

„Und da ich meinen Buhlen het,
Da trug ich Blau, bedeutet ſtet.
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[256/0274] II. Das Mittelalter. Liebesbahn ſtehen. Wie derjenige, welcher ſeine Laufbahn beginnt, noch des Hoffens voll iſt, ſo mag Grün auch die Bedeutung der Hoffnung erhalten haben, die man ebenfalls, wie noch heute, dieſer Farbe zuſchreibt; in jenen Zeiten bedeutete Weiß den hof- fenden, aber auch den glücklichen und den reinen Liebhaber. „Roth außen, das ſoll innen ein brünſtig Herze haben.“ Roth, das iſt die brennende Liebe; wer ſie trägt, der deutet da- mit an, daß er brennt nach ſeinem Lieb, wie die Glut in dem Feuer. Aber Roth trägt auch, wer fröhlich iſt in glücklicher, treuer Liebe, und wer trauert um ihretwillen, kleidet ſich in Grau. Einſt kamen, wie ein altes Lied ſagt, zwei Jungfrauen zuſam- men, die eine in Roth, die andere in Grau gekleidet. Von denen ſprach die Rothe: „Ich brenn auf der Minne Roſt Und hab Freud und Lieb und Troſt Von einem Knaben minniglich, Der liebet mich ganz inniglich Zu aller Zeit im Herzen.“ Und die Graue ſpricht: „Du freuſt dich Lieb, der traure ich. Ich hab einen Knaben auserwählt, Der mir vor aller Welt gefällt, Den ſeh ich gern und iſt mein Freud. Hör dawider manches Leid. Wann ich ihn ſeh, ſo darf ich nicht Fröhlich ſtellen mein Geſicht, Und muß die Freud vermeiden, Von der falſchen Zungen ſchneiden.“ Wer aber ganz in der Liebe unglücklich iſt, wen ſein Lieb verlaſſen hat, der trägt Schwarz, die Farbe der Trauer, „des Leides Anfang und der Freuden Ende,“ denn ſeine Liebe iſt zu Leid geworden, darum er trauern muß. Den Gegenſatz, die Ste- tigkeit, die treue Liebe bezeichnet Blau. „Und da ich meinen Buhlen het, Da trug ich Blau, bedeutet ſtet.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/274>, abgerufen am 22.11.2024.