Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Jahrhunderts aus den spitzen in die stumpfen schon oben bei Ge-legenheit der Schnabelschuhe besprochen haben, so sind zur Ver- vollständigung der weiblichen Toilette nur noch die Hand- schuhe übrig. Wir wissen schon aus der vorigen Periode, wie nothwendig sie den höfisch-ritterlichen Damen waren; sie waren es noch mehr im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert, wo mit der romantischen Galanterie auch die Pflege der Schönheit zugenommen hatte. Für die große Sorgfalt, mit welcher die Hände behandelt wurden, dürften nicht bloß die dichterischen Ausdrücke sprechen, die feinen "subtilen Händlein," "die Händlein schmal und dazu blank," sondern wohl auch der Umstand, daß die spanischen Damen schon im vierzehnten Jahrhundert lange Nägel trugen. Selbst das Passionsspiel läßt die reuige Magda- lena über ihre weißen Hände klagen. Daß die ritterlichen Damen außerhalb des Hauses beständig Handschuhe trugen, geht aus der Erzählung vom streitbaren spanischen Ritter Quinnones hervor, der sich in einem Passe aufstellte und jeden vorüberkommenden Ritter zum Kampf aufforderte. Unter den Bedingungen, die er deßhalb bekannt machte, lautete die eine, daß jede Dame von Stande, die in einem Umkreis von einer halben Stunde vorbei- passiren würde, ihren rechten Handschuh verlieren solle, wenn sich nicht ein Ritter für sie zum Kampfe fände; nur seine eigene Dame, der er angehört, falls sie zufällig vorbeikäme, solle vor der Gefahr, ihren Handschuh zu verlieren, gesichert sein. Am burgundischen Hof trug man immer Handschuhe; aber bei großer Trauer um den Vater oder Gatten entsagte man ihnen ganz für die Trauerzeit. Den verliebten Rittern gehörte ein Handschuh von ihrer Herrin zu den kostbarsten Liebesgaben, vor dem Turnier war er eine Ermuthigung, nach demselben eine Belohnung des Sieges. Ein alter Troubadour erzählt, er habe Zeiten gesehen, wo eine kleine Schnur, ein Ring, ein Paar Handschuhe einen Liebenden für ein ganzes Jahr bezahlten für alle Merkmale und Versicherungen seiner Liebe, für seine Reime und Liebesgedichte. Das war freilich im funfzehnten Jahrhundert anders. -- Die Handschuhe gehörten zur feinen, nobeln Tracht, und daher geben 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Jahrhunderts aus den ſpitzen in die ſtumpfen ſchon oben bei Ge-legenheit der Schnabelſchuhe beſprochen haben, ſo ſind zur Ver- vollſtändigung der weiblichen Toilette nur noch die Hand- ſchuhe übrig. Wir wiſſen ſchon aus der vorigen Periode, wie nothwendig ſie den höfiſch-ritterlichen Damen waren; ſie waren es noch mehr im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert, wo mit der romantiſchen Galanterie auch die Pflege der Schönheit zugenommen hatte. Für die große Sorgfalt, mit welcher die Hände behandelt wurden, dürften nicht bloß die dichteriſchen Ausdrücke ſprechen, die feinen „ſubtilen Händlein,“ „die Händlein ſchmal und dazu blank,“ ſondern wohl auch der Umſtand, daß die ſpaniſchen Damen ſchon im vierzehnten Jahrhundert lange Nägel trugen. Selbſt das Paſſionsſpiel läßt die reuige Magda- lena über ihre weißen Hände klagen. Daß die ritterlichen Damen außerhalb des Hauſes beſtändig Handſchuhe trugen, geht aus der Erzählung vom ſtreitbaren ſpaniſchen Ritter Quinnones hervor, der ſich in einem Paſſe aufſtellte und jeden vorüberkommenden Ritter zum Kampf aufforderte. Unter den Bedingungen, die er deßhalb bekannt machte, lautete die eine, daß jede Dame von Stande, die in einem Umkreis von einer halben Stunde vorbei- paſſiren würde, ihren rechten Handſchuh verlieren ſolle, wenn ſich nicht ein Ritter für ſie zum Kampfe fände; nur ſeine eigene Dame, der er angehört, falls ſie zufällig vorbeikäme, ſolle vor der Gefahr, ihren Handſchuh zu verlieren, geſichert ſein. Am burgundiſchen Hof trug man immer Handſchuhe; aber bei großer Trauer um den Vater oder Gatten entſagte man ihnen ganz für die Trauerzeit. Den verliebten Rittern gehörte ein Handſchuh von ihrer Herrin zu den koſtbarſten Liebesgaben, vor dem Turnier war er eine Ermuthigung, nach demſelben eine Belohnung des Sieges. Ein alter Troubadour erzählt, er habe Zeiten geſehen, wo eine kleine Schnur, ein Ring, ein Paar Handſchuhe einen Liebenden für ein ganzes Jahr bezahlten für alle Merkmale und Verſicherungen ſeiner Liebe, für ſeine Reime und Liebesgedichte. 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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Jahrhunderts aus den ſpitzen in die ſtumpfen ſchon oben bei Ge-
legenheit der Schnabelſchuhe beſprochen haben, ſo ſind zur Ver-
vollſtändigung der weiblichen Toilette nur noch die Hand-
ſchuhe übrig. Wir wiſſen ſchon aus der vorigen Periode, wie
nothwendig ſie den höfiſch-ritterlichen Damen waren; ſie waren
es noch mehr im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert, wo
mit der romantiſchen Galanterie auch die Pflege der Schönheit
zugenommen hatte. Für die große Sorgfalt, mit welcher die
Hände behandelt wurden, dürften nicht bloß die dichteriſchen
Ausdrücke ſprechen, die feinen „ſubtilen Händlein,“ „die Händlein
ſchmal und dazu blank,“ ſondern wohl auch der Umſtand, daß
die ſpaniſchen Damen ſchon im vierzehnten Jahrhundert lange
Nägel trugen. Selbſt das Paſſionsſpiel läßt die reuige Magda-
lena über ihre weißen Hände klagen. Daß die ritterlichen Damen
außerhalb des Hauſes beſtändig Handſchuhe trugen, geht aus der
Erzählung vom ſtreitbaren ſpaniſchen Ritter Quinnones hervor,
der ſich in einem Paſſe aufſtellte und jeden vorüberkommenden
Ritter zum Kampf aufforderte. Unter den Bedingungen, die er
deßhalb bekannt machte, lautete die eine, daß jede Dame von
Stande, die in einem Umkreis von einer halben Stunde vorbei-
paſſiren würde, ihren rechten Handſchuh verlieren ſolle, wenn ſich
nicht ein Ritter für ſie zum Kampfe fände; nur ſeine eigene
Dame, der er angehört, falls ſie zufällig vorbeikäme, ſolle vor
der Gefahr, ihren Handſchuh zu verlieren, geſichert ſein. Am
burgundiſchen Hof trug man immer Handſchuhe; aber bei großer
Trauer um den Vater oder Gatten entſagte man ihnen ganz für
die Trauerzeit. Den verliebten Rittern gehörte ein Handſchuh
von ihrer Herrin zu den koſtbarſten Liebesgaben, vor dem Turnier
war er eine Ermuthigung, nach demſelben eine Belohnung des
Sieges. Ein alter Troubadour erzählt, er habe Zeiten geſehen,
wo eine kleine Schnur, ein Ring, ein Paar Handſchuhe einen
Liebenden für ein ganzes Jahr bezahlten für alle Merkmale und
Verſicherungen ſeiner Liebe, für ſeine Reime und Liebesgedichte.
Das war freilich im funfzehnten Jahrhundert anders. — Die
Handſchuhe gehörten zur feinen, nobeln Tracht, und daher geben
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Zitationshilfe: | Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/327>, abgerufen am 16.02.2025. |